Ein WaterHerz.
Roman in Originalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
SS) (Nachdruck verboten.)
„Wie verändert er ist — wie strenge und kaltl" bemerkte Helene mit Schaudern.
«Er ist schwer krank gewesen und ist seht noch sehr schwach. Aber er ist einer der besten und hochherzigsten Menschen, Fräulein Oering."
„Ich kann es jetzt glauben. Doch wie kommt eS, daß Sie bei ihm sind?"
„Sie sollen es später ausführlich erfahren. Er hat mir mehr als das Leben gerettet. Und nun in diesem elenden Zustande durch das Verschwinden seiner Tochter beunruhigt zu werden! O, mein alter Freund, wie können wir ihm diese Nachricht beibringen?"
Oberst Nord blickte plötzlich mit einigem Interesse auf die leise miteinander Flüsternden hin, dann wandte er sich ab und starrte nachdenklich in das Feuer, bis die Erwarteten alle versammelt waren und ihre Sitze eingenommen hatten. ES waren sämtlich düster aussehende Männer, deren wilde dunkle Augen von Frank Nord nach Helene htnüberwan- derten, wie zu einem Rätsel, welches sie nicht erklären konnten. Helene bemerkte, daß die zuletzt Kommenden den Kranken nicht anredeten, sondern von Andern verhindert wurden, ihn in seinem tiefen Sinnen zu stören. Plötzlich entstand eine Bewegung an der Thüre; ein grauhaariger Mann mit einer großen Medaille auf der Brust, sichtlich der Anführer der Deputation, trat, von einem allgemeinen freudigen Murmeln begrüßt, rasch in das Zimmer ein. Wieder erhob sich der Kranke von seinem Sitze und verneigte sich vor dem Ankömmling und seiner Umgebung.
„Mein lieber Nord! Mein tapferer Colonel I" rief der mit dem Ordenszeichen geschmückten Fremde, den Kranken mit beiden Händen umschlingend, und ihn auf die eingefallenen Wangen küssend, mit einer Lebhaftigkeit, die von einer englischen Umgebung vielleicht belächelt worden wäre, aber den Beifall dieser heißblütigen Menge erregte. Denn es waren lauter Ausländer — den verschiedensten Nationen angehehörig, doch hauptsächlich Spanier und Mexikaner, eine interessante Versammlung von tapfern, intelligenten aber zu Allem entschlossenen Männern, wie sie sich in den dunklen Winkeln der Städte znsammenfinden, wenn die Regierung zu wanken beginnt und die Sturmvögel der Revolution ihre Flügel erheben.
„Wir haben gewartet, man ami, lange und geduldig auf sie gewartet und wir segnen den wonnigen Tag ihres bessern Befindens," sagte der Anführer in schwungvoller Weise. „Wir begrüßen Sie als alten Freund und treuen Leidensgenossen, aber noch treueren Leiter unseres Volkes. Wir schwingen unsere Hüte, wie vor achtzehn Jahren auf dem Marktplatze, vor dem hochgeehrten und vielgeliebten Frank Nord, dem Präsidenten von Alsako."
„Frank Nord, Präsident von Alsako — hoch!" riefen die rauhen Stimmen der Besucher, und es war ein tiefer, klangvoller, Chor, der die Fensterscheiben erklirren machte. Die Männer waren erregt — mehrere braune Hände klatschten Beifall, andere fuhren rasch nach der linken Seite, wie um den SLwert-
griff zu berühren, der noch vor kurzem dort jehangen.
Nord neigte tief sein Haupt bei dieser feurigen Begrüßung; er fühlte sich tiefer bewegt, als er erwartet hatte, und seine großen braunen Augen schimmerten feucht, als er wieder aufblickte, „Liebe Freunde — teure Kameraden, ich danke Euch," murmelte er; „aber ich bitte Euch, schont mich, wenn Ihr mir wohl wollt."
Schweigen trat ein und dann trat der grauhaarige Mann einige Schritte vor, dem Kranken gerade gegenüber, und begann die Rede, die er sich einstudiert und die zu halten er aus weiter Ferne herbeigeetlt war. Die Gefühle seiner Zuhörer hatte er bereits in Erregung gebracht, und er fuhr nun fort, als ob seine letzten Worte die Einleitung zu seiner Rede gewesen seien. Es lag etwas Theatralisches in der ganzen Haltung, dem Vortrag und der ganzen Stimme des hagern Mannes, aber er meinte eö ernsthaft, er spielte keine Rolle. Seine Augen flammten auf vor Begeisterung, als er in seiner Rede sortfuhr.
«Ja, Frank Nord, Präsident von Alsako — ich wiederhole es," ries er; „nicht als ein Echo der Vergangenheit, um Sie und uns zu demütigen, sondern als die gegenwärtige Republik, welche in ihrer Not sich an sie wendet. Ich komme nicht mit höhnenden Worten zu ihm, der soviel durch uns gelitten, der bei uns ausharrte, als er durch die Flucht sich hätte retten können, der unsere Kerkerhaft teilte, anstatt nachzugeben; ich komme unterstützt von jener mächtigen Stimme, deren ich bereits erwähnte— der einen, ungeteilten mächtigen Stimme des Volkes — um Sie zu bitten, seine Untreue mit Treue zu vergelten; ich komme zurück," rief er, feine Rechte über dem Haupte schwingend, „im Namen von Alsako und mit keinen falschen Versicherungen, um zu erklären, daß die R'publick seinen Irrtum einsieht, daß sie irregeführt wurde von jenen Feinden, vor denen sie dieselben warnten, deren Raubgier Sie im Zaume hielten, bis falsche Freunde selbst für Ihre Wahrheit und Ehre zu stark wurden; ich komme zurück im Namen der Nation, um Ihre Vergebung zu erflehen, um Sie in die frühere Machtstellung wieder einzujetzen, aus der Sie ungerechterweise Vertrieben wurden. Ein Wort von Ihnen — jenes Wort, das Sie uns um des Landes willen nicht verweigern werden — und Sie werden noch in dieser Woche zum Präsidenten ausgerufen, ohne einen Nebenbuhler, derJhnen Widerstand leisten könnte."
„Das Ministerium?" fragte Nord.
«Ist ein schwankendes Rohr," war die Erwiederung. „Das Volk ist entschlossen, es auseinander zu sprengen. Ihr Name schwebt auf aller Lippen, jetzt, da die Wahrheit an den Tag gekommen, um zu beweisen, welch edle Opfer sie gebracht."
„Das Volk besitzt ein vortreffliches Gedächtnis," sagte Nord; „aber wenn es mich von dem Verdachte freispricht, ein Räuber und Mörder zu sein, so bin ich zufrieden."
„Das Volk steht die Wahrheit ein," fuhr der Redner fort, „es kennt die Ruchlosigkeit der andern Partei, denn es hat darunter gelitten. Vom Volke gesandt bin ich heute hier, habe ich diese tapferen Männer heute zusammengebracht, die mit Ihnen auf der Seite des Rechts standen und gleich Ihnen
zum besten der Nation zurückgerufen werden. Oberst Nord, Sie werden uns Ihren Rat, Ihren Schutz, den Ruhm Ihres Namens in diesem letzten und größten Unternehmen nicht versagen. Wir bitten darum als alte Freunde, wir bitten darum im Namen des Landes, welches Sie einst liebten, sür welches Sie so aufopfernd wirkten."
Des Kranken Hand sank von dem Kamin- simS herab, auf das sie sich gestützt hatte und erfaßte die Falten seines schäbigen Rockes. Hoch aufgerichtet stand er plötzlich vor ihnen stark genug, zu einer Erwiderung, unerschüttert von dem lärmenden Beifall, der dem Schluß der Ansprache folgte. Es war ein klares, tapferes Antlitz, an weichem jetzt die Blicke dieser dunklen Männer hingen.
„Wenn das Volk von Alsako mir späte Gerechtigkeit widerfahren ließ, so bin ich ihm unendlich dankbar dafür," begann Frank Nord, „denn es giebt keinen Schimpf, welcher einen Menschen so vernichtet, als jener, der die besten Handlungen seines Lebens zu Thaten größter Feigheit stempelt — ich sage, durch häßliche Verdrehungen der Wahrheit oder blinden Glauben in jedes böse Geflüster anscheinend dazu stempelt, bis der Mensch von Verleumdungen eingeengt, an sich selbst zu zweifeln beginnt. Ich war mein ganzes Leben hindurch das Opfer unedler Verdächtigungen." Seine Augen wanderten zu Helene Dering hinüber, die unter seinem Blicke errötete, schuldbewußt ihres früheren Mißtrauens, sich erinnernd. „Es hat dem Himmel gefallen," fuhr Frank Nord fort, „mich strenge zu erhalten , mich an der Güte der Menschen zweifeln zu machen, mein Temperament zu verbittern, meinen Stolz zu vermehren, aber ich bin nicht vollständig unterlegen. Es hat Euch gefallen, die Ihr in Diensten AlsakoS gestanden, Euch meiner wieder zu errinnen, mich zu ehren, wie wenige geehrt wurden, durch ein neues Gelübde der Treue nach Jahren der Trennung. Ich fühle mich geschmeichelt — tief gerührt —, ich werde auf diesen Tag zurückblicken, wie auf eine schöne Erinnerung, welche die Zeit nicht verlöschen kann; aber alte Freunde, treue Kameraden l — ich kann nicht zurück nach Alsako gehen!"
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Ein heiteres Stückchen wird vom Liebesmahl des Königsregimentes Nr. 145 aus Metz berichtet: Dort trank der Kaiser den einzelnen Chargen nach einander zu und rief so auch: „Prosit die Premicrleutnants!" „Verzeihung, Majestät", unterbrach ihn da der neben ihm fitzende General v. Scholl, „Premiers giebts nicht mehr." „Ganz recht", rief lachend der Kaiser, „also weg mit dem Premier, Prosit die Oberleutnants!"
/. (Soldatenfreuden.) Unteroffizier (zu einem außergewöhnlich langen Rekruten): „Na, da ist wieder einmal die Dummheit unglaublich in die Höhe geschossen!"
.'. (Eine Douche.) Ältliche Baronesse (mit boshaftem Lächeln zu ihrer Begleiterin): „Sehen Sie nur, wie Fräulein von Hilda sich als Ballkönigin hier aufbläht . . . ihre Ahnen haben mit Hasenfellen gehandelt!" Fräulein von Hilda; „Ach, wie mich daö freut, gnädige Baronesse, jemand zu treffen, der noch meine Ahnen gekannt hat I"
Redaktion. Druck und Verlag von Beruh. Hof«anu io Wildbad.