Gin MockerHerz.
Roman in Originalbearbcitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.
29) (Nachdruck verboten.)
„Ja, ich war unwohl und in großer Angst,- murmelte sie.
Er beugte sich vor, um sie zu küssen — zum ersten Male seit jenem Tage, da er sie als dreijähriges Kind an sein Herz gedrückt
— und sie schrak fast unwillkürlich vor dem dunklen Gesichte zurück, welches aus der wilden Haarmasse auf sie niederschaute. In der nächsten Sekunde stand der finstere Mann, die großen Hände ineinander verschlungen, wieder hochaufgerichtet vor ihr.
„Angst und Sorge, mein Kind, rütteln an der Gesundheit," sagte er mit leiser, aber fester Stimme. „Und ich bin Dir und Fräulein Dering —" hier nahm er zum ersten Male Notiz von deren Anwesenheit durch eine leichte Verneigung — „nicht im besten Lichte erschienen, seitdem ich an meinen Geburtsort zurückkehrte. Aber ich hatte solch' festen Glauben an den Glauben meiner Tochter in mir. Verstehst Du, was ich meine?"
«Ja," sagte Elste mit leiser Stimme, ohne auszublicken.
„Du hast meinen Brief gelesen?"
„Ja, ich habe ihn gelesen."
„Und den Inhalt in Betracht gezogen, wie ich hoffe. Ich sah rin, daß ich Dir Zeit zur (Überlegung geben müsse, Eiste, selbst wenn Du während der langen Zeit, da ein schlimmer Verdacht auf mir ruhte, keine Zeit haltest, Deinem Vater Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."
„Ich war so traurig und bestürzt," sagte Elste bebend, „daß ich noch nicht über meine Lage Nachdenken konnte. Doch — o Vater, Sie — Du wünschest doch nicht, daß ich sofort dies HauS verlasse — dieses Heim und die teure Freundin, die ich zu trösten versprach, bei der ich bleiben wollte, bis — bis ich mich verheirate? Und dies magerst in Jahren sein l"
„Ich glaube, in meinem Briefe deutlich meinen Wunsch ausgesprochen zu haben, Dich sogleich mit mir zu nehmen, aus diesem Hause, welches nie Dein rechtmäßiges Heim gewesen," versetzte Nord in schärferem Tone. „Ich spreche es aus, Fräulein Dering," ries er, als Helene entrüstet ausblickte, „obschon Ihr Bruder gütig gegen mein Kind war. Um dieser Güte willen habe ich ihm Alles vergeben."
„Sie meinem Bruder Alles vergeben!" rief Helene stolz.
„Ja; denn ohne ihn wäre ich —* er hielt tune, die Erinnerung an daS dem Sterbenden gegebene Versprechen stieg lebhaft vor ihm auf.
„Ich dachte, ohne ihn wäre ich ein anderer Mensch geworden," sagte er ausweichend.
„Unmöglich, Herr Nord; Sie wissen, wie unmöglich dies ist," rief Helene ungeduldig.
„Nun, vielleicht ist cs so, Fräulein Dering. Ich bin jedoch nicht gekommen, um über diesen Punkt zu streiten, sondern um mit Elste zu sprechen, mit meiner Tochter
— meiner einzigen Tochter; Madame. Sie erlauben wohl, daß ich mich s-tze?"
Auf Helenens halb entschuldigendes: „O gewiß — ich hatte vergessen," nahm er aus einem Stuhle Platz, den beiden jungen Mäd
chen gegenüber, welche unter seinen unergründlichen Blicken noch näher aneinander rückten. Ja, cS war sein Geschick, sich stets von der schlimmsten Seite zu zeigen, wenn er gut und freundlich sein wollte. Er sah es silbst in diesem Augenblick ein und fragte sich, warum es wohl so sei und wann der Himmel sich endlich seiner erbarmen und ihm wenigstens im Herzen seines einzigen Kindes Gerechtigkeit zu Teil werden lassen würde. Doch er mußte ruhig bleiben; von seiner Ruhe und Sanftmut hing alles ab. Er spielte um einen hohen Einsatz — verlor er, so mochte es in gewissem Sinne den Tod für ihn bedeuten.
„Ich habe Ihnen zu danken, Fräulein Dering, für ihr Zeugnis von heute morgen," begann er; „es half nicht weniger zu meiner Freilassung, als die Aussage Herrn Baretti's, dem ich bereits meinen Dank abgestatter."
Helene Dering raffte sich auf bei diesen Worten und versetzte kurz: „Danken Sie mir nicht hiefür — es war meine Pflicht, die Wahrheit zu sagen."
Nord schien eine Weile über ihr seltsames Benehmen nachzudenken, sein Blick ruhte forschend auf ihrem bleichen Antlitz.
„Ihr Bruder sprach nicht von mir nach meinem Weggehen?" fragte er.
„Nicht viel — Sie hatten ihn aufgeregt. Er befand sich schlimmer, nachdem sie ihn verlassen hatten."
„Er erklärte nicht, daß ich auf seinen ausdrücklichen Wunsch jenes Taschenbuch an mich genommen?"
„Nein, dies that er nicht," sagte Helene, In seinen Zügen zu lesen versuchend.
„Ich sehe — es liegt alles klar vor mir," murmelte Nord, „klar und deutlich Sie glauben ich hatte das Buch gestohlen?"
Helene schlug die Augen zu Boden, dann begegnete sie unverzagt seinem prüfenden Blicke, obschon ihr ganzes Wesen vor innerer Erregung bebte. „Sic erzwingen diese Antwort von mir, Herr Nord. Und der armen Elste willen wollte ich diese Sache ruhen lassen; aber Sie hören nicht auf mit Ihren grausamen Fragen."
„Sie glauben, ich hätte das Taschenbuch gestohlen?" wiederholte Nord.
„Ja," versetzte Helene und fuhr rasch mit der Hand nach dem Klingelzug, als sie sah, wie seine Züge sich verfinsterten.
„Und Sie haben mein Kind gelehrt, ebenso zu denken?" rief er mit rauher Stimme und kaum unterdrückter Heftigkeit.
„Nein — o nein;" sagte'Msie; „ich versuche, eS nicht zu glauben — ich flehe zum Himmel, daß es nicht so sei! O Vater, ich will eS nicht glauben, wenn Du eS jetzt leugnest."
Frank Nord schwankte einen Augenblick; er erhob sich halb von seinem Sitze, setzte sich aber sofort wieder nieder. „Nein," sagte er fest; „ich will es nicht leugnen."
„So ist's l" murmelte Helene fast unhörbar.
„Wenn es Ihnen Vergnügen bereitet zu glauben, ich habe ohne Wissen ihres Bruders das Taschenbuch an mich genommen, bitte, bewahren Sie sich diesen Trost," wandte sich Nord zu Fräulein Dering; „mein Leugnen würde ja doch kein Licht in die Sache bringen. Etwas jedoch muß ich beifügen," sagte er mit einer so seltsammeu Bitterkeit, daß beide Mädchen überrascht zu ihm ausblickten, „ich
nahm das Taschenbuch in dem Glauben, eS enthalte Papiere im Wert von 100 000 Thalern. Ich fand es leer und war enttäuscht." Nord sprach mit einer gewissen Befriedigung diese Worte, als ob eS ihm Vergnügen bereite, diese Angelegenheit noch verworrener zu machen und bei Helene, die ihm bereits mißtraute, sich in das schlechteste Licht zu setzen. Daß er sich in den Augen seiner Tochter schade, konnte und wollte er nicht glauben; bis zum letzten Augenblicke baute er alle Hoffnung aus sie.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Bewährtes Mittel gegen Schnupfen. Einen Theelöffel voll gestoßener Kampfer wird in ein mehr tiefes als weites Gefäß gethan und nur zur Hälfte mit kochendem Wasser gefüllt. Alsdann setzt man einen Trichter darauf oder noch besser, man stülpt eine dreieckige Papierdüte darüber, deren Spitze man soweit abschneidet, daß man die ganze Nase hineinstecken kann. Nun atmet man die warmen Dämpfe '/« Stunde durch die Nase ein, wiederholt das Verfahren nach einigen Stunden und man ist diesen lästigen Begleiter in ein bis zwei Tagen los.
Gegen Eitergeschwulste und Brandwunden wirv von fachkundiger Seite Honig olö ebenso einfaches als wirksames Mittel empfohlen. Legt man ein mit Honig bestrichenes Lcinwandläppchen auf ein Geschwür, so läßt die Eiterung bald nach und die Wunde heilt in kurzer Zeit. Mit einigen Tropfen Arniea verrührtes Honigwasser erweist sich zur Auswaschung der Wunden heilsam und rvohl- thuend zugleich. Bei Brandwunden lege man ein Gemenge von Honig und Roggenmehl auf, um die Eiterung zu fördern und der Materie Abfluß zu verschaffen. Hält man die Brandstelle sofort in Honig, so hört der Schmerz auf, und etwaige Blasenbildung wird unterdrückt. Insbesondere für Brandwunden im Gesicht ist die Anwendung des Honigs zweckmäßiger und gefahrloser als irgendwie ein anderes Mittel.
— Kindermund. Gegenwärtig erzählt man sich in London eine Bemerkung deS sechsjährigen Prinzen Eduard, des Sohnes des Herzogs von Aork. Vor einigen Tagen erhielt der Prinz eine prächtig illustrierte Geschichte Englands. Während er in dem Buch blätterte, erregte ein Stahlstich, der die Hinrichtung Karls I. darstellte, seine besondere Aufmerksamkeit. Der witzbegierige Kleine bat seinen Erzieher, ihm das Bild zu erklären, und dieser erzählte ihm das Geschick des unglücklichen Königs. Als nun Prinz Eduard das tragische Schicksal Karls I. vernommen hatte, da sagte er zu seinem Erzieher: „Das hat nichts Verlockendes für mich. Ich will nicht König werden, sondern Papa bitten, daß er mich Arzt werden läßt."
.'. (Kopfarbeit.) „Es ist also vor allen Dingen nötig, daß Sic .sich jeglicher Kopfarbeit für die nächsten Wochen enthalten."
— Patient: „Ja, aber Herr Doktor, davon leb ich ja I" — Arzt: „So, so; dann sind Sie wohl Gelehrter?" — Patient: „Nee, daö nicht, aber Friseur bin ich!"
(Beweis.) Richter: „Sie wollen also betrunken gewesen sein, als Sie den fremden Ueberzieher aus dem Restaurant Mitnahmen?"
— Angeklagter: „Natürlich, sonst hätt' ich doch einen bessern genommen!"
Sk-aklts», Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wittbab.