Gin McrterHerz.

Roman in Originalbcarbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.

18) (Nachdruck verboten.)

»Ja, ja, natürlich; aber es hat keinen Zweck, Kennet nicht den geringsten Zweck mit mir ist's vorbei." Sein Blick war eine Weile fest auf Elste geheftet, und der Doktor nahm seinen Platz am Fenster wie­der ein, sollte sich aber nicht lange der Ruhe erfreuen.

Elste," rief der Kranke,er will Dich heute von hier wegnehmen. Er sagte es, und er ist der Mann dazu, immer sein Wort zu halten, einerlei, ob er dadurch andere unglücklich macht."

^Onkel, beruhige Dich, ich bitte Dich," flehte Elste und legte ihre Hände auf die (einigen, welche in seltsamer Hast an den Leintüchern zerrten;er gewährte mir eine Frist, bis Du wohler bist. Aber ich bin ja immer bet Dir; fürchte nicht, daß ich Dich verlasse."

Das ist recht. Er bat kein Recht, nach so langen Jahren zurückzukehren und Jedermann so sehr zu betrüben."

O, warum sprichst Du, Onkel I" rief Elste.Herr Doktor, ist dies recht?"

Sehr unrecht sogar, mein Fräulein. Herr Dering, ich muß Sie nochmals vor den Folgen warnen.

Gut, gut, ich schweige. Nur ließ mir diesen Brief, Elfte."

Elste erfüllte seinen Wunsch, und der Kranke hörte aufmerksam zu. Dann schien er eine Weile über das Vernommene nach­zudenken , bis er wieder in den unruhigen fiieberhasten Schlummer fiel und feine wirren Phantasten von Neuem begannen. Auch Doktor Kennet war in seinem Armstuhle eingeschlummert, als Elste leise durch das Zimmer ging und seinen Arm berührte. Dämmerung erfüllte das Gemach, und graue Nebel stiegen draußen von dem Broad in die Höhe.

Wird er am Leben bleiben, Herr Dok­tor?" fragte sie mit gedämpfter Stimme.

Ich hoffe es, Fräulein. Herr Dering ist noch kein alter Mann."

Sind Sie überzeugt, daß alles für ihn geschehen ist?"

Alles, worüber die ärztliche Kunst ge­bietet, Fräulein Elste. Aber sein Leben steht in höherer Hand."

Als die Londoner Aerzte wieder in das Krankenzimmer einlraten, richtete Elste die gleichen Fragen an sie, um die gleichen aus­weichenden Antworten zu erhalten, und als Helene zu später Stunde sich hereinschlich, fragte sie diese voll Besorgnis, ob die Aerzte ihr keine Hoffnung gegeben hätten.

Ich glaube nicht, daß er genesen wird," Versetzte Helene ernst.Ueber nnserem Hause scheint plötzlich 'ein schweres Verhängnis zu walten."

O, noch wollen wir nicht das Schlimmste denken, Lena."

Armer Friede!!" seufzte feine Schwester.

Die Londoner Aerzte reisten mit dem Nachtzuge von Barstoft ab. Sie hatten ihre Aufgabe erfüllt, und ihre Zeit war kostbar. Doktor Kennet hatte ihre Anweisungen ver­standen, und ihr längeres Verweilen konnte Niemandem von Nutzen sein. Während sie im Speisezimmer sich zum Weggehen rüsteten,

sagte Helene Dering ganz unvermittelt: Mein Bruder wird sterben, meine Herren, und Sie wissen es."

Fräulein Dering," versetzte der ältere der beiden, ein grauhaariger Herr mit ernsten Zügen,wir hatten gehofft, die schwere Auf­gabe Ihnen die Wahrheit betzubringen, würde Herrn Kennet, einem Freunde der Familie zufallen".

Ich kann die Wahrheit ertragen, mein Herr."

Es Ihut mir leid, gestehen zu müssen, daß ihr Bruder ihnen nicht erhalten bleiben wird."

So ist keine Hoffnung mehr?"

^Jch danke Ihnen für Ihre Offenheit," murmelte Helene.

Und wenn Herr Dering noch letzt­willige Bestimmungen zu treffen hat," fuhr der Doktor fort,so ist es notwendig ihn sogleich von seinem Zustande in Kenntnis zu setzen."

Als die Arzte das Haus verlassen, überließ sich Helene einem leidenschaftlichen Schmerzensausbruche, denn ihr Bruder war ihr das Liebste auf der Welt. Wie einsam, wie verlassen würde sic sich ohne ihn fühlen I Er war der letzte seines Stammes, Elfte gehörte nicht zu seiner Familie und würde über kurz oder lang die Freundin ebenfalls verlassen. Helene rang nach Fassung, und sie war sehr ernst und ruhig, als sie in das Krankenzimmer zurückkehrtr und Elste bat, sie mit ihrem Bruder allein zu lassen.Ich habe mit ihm zu sprechen," sagte sie.

Mit neuer Sorge blickte Elste auf die Freundin. Doktor Kennet war unten beim Abendessen, und der Kranke schlief.

Du hast Schlimmes erfahren, Lena," flüsterte sie beklommen.

Ich habe die Wahrheit erfahren, mein Liebling, und ich war den ganzen Tag da­rauf vorbereitet."

O, mein armer, armer Onkel!" rief Elste weinend.

Still! still!" bat Helene ängstlich; wir müssen stark sein um seinetwillen.

Wirst Du eS ihm sagen, Lena?"

Ja Kind; ich möchte nicht, daß er un­vorbereitet in die Ewigkeit geht."

Elste wollte bleiben, aber Helene gab es nicht zu.Bitte, gehe zu Doktor Kennet hinunter und suche ihn noch eine Weile fern zu halten, Elfte; auch Baretli wird bald kommen. Ich habe meinem Bruder noch viel zu sagen und sicher auch viel von ihm zu hören. Bitte, laß mich allein."

Elste verließ das Zimmer, bestürzt über Lena's seltsames Wesen» wie über die harte, traurige Nachricht, die sie ihr gebracht. He­lene setzte sich an Elsie's Platz und wartete geduldig auf daS Erwachen des Kranken. Sie war mit ihren 22 Jahren weit ernster und gesetzter, als andere Mädchen ihres Alters, und blickte ohne Zagen, nur mit tiefbetrübtem Herzen der letzten Unterredung mit dem Bruder entgegen. Endlich schlug dieser die müden Augen auf.Wo ist Elste?" war seine erste Frage.

Sie ist htiiabgegangen, Friede!, wird aber bald wieder kommen. Ich wollte eine Zeitlang ihre Stelle einnehmen."

Süße Elste," murmelte er;ich möchte wissen, warum sie mir so u e-diich lieb ist."

Lieber, als ill Dir bin, Friede!; ist eS nicht so?" fragte Helene traurig.

Sie ist noch so jung so zart; wir hatten soviel Sorge sie großzuziehen," sagte der Kranke, seine Vorliebe für Elste gleich­sam entschuldigend, aber nicht leugnend. Wo sind die Aerzte, Lena?"

Doktor Kennet ist noch hier. Er will die Nacht hierbleiben."

Ich sehe keinen Zweck dabei."

Warum nicht, lieber Friede!" Glaubst Du nicht daß Du wieder genesen wirst?"

Ich weiß eS nicht doch ich hoffe ."

Jetzt erst empfand Helene so recht das Schwierige und Schmerzliche ihrer Aufgabe und schrak momentan davor zurück. Aber sie war die einzige in der Welt, die mit ihm sprechen, ihn bitten und beschwören konnte, mit Gott und den Menschen Frieden zu schließen, jetzt, da er an der Schwelle der Ewigkeit stand. Helene wußte, daß seine ewige Seligkeit vielleicht davon abhing, denn es war so Vieles unerklärt und geheimnis­voll in ihres Bruders Leben. Sie preßte die Lippen aufeinander und sagte fest:Wür­dest Du Dich sehr darüber grämen, Friede!, wenn Du wüßtest, daß es keine Rettung für Dich giebt?"

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

Ein lustiges Abenteuer soll, wie.der Sydney Referen" berichtet, jüngst einem anglikanischen Bischof, dessen Wohlbelcibtheit nicht gerade auf Askese schließen läßt, zuge- stoßen sein. Der Prälat wollte an einem Kirchenfeste reilnehmm, zu dem viele kirch­liche Würdenträger und sonstige Kirchenlichter geladen waren. Aber er hatte nicht Zeit, sich zu Hause umzukleiden und seine Frau packte -einen Sonntags-Anzug in eine Reise­tasche und reichte sie ihm mit den Worten, er könnte ja leicht im fünften Tunnel sich umkleiden. Die Fahrt durch diesen Tunnel nimmt nämlich fünf Minuten in Anspruch. Der Prälat eilte zum Bahnhof und sprang in einen Wagen, der mit Herren und Damen gefüllt war. In seiner Aufregung verzählte er sich; denn als der Zug in den vierten Tunnel einfuhr, der unglücklicherweise sehr kurz ist, trat er in die Mitte des Wagens und fing an, sich auSzuzirhen. Der Zug suhr ins Helle Tageslicht hinaus, als der Bischof erst die Hälfte der Operation be­endet hatte und sich in keineswegs achtung­gebietenden Verfassung befand. DaS allge­meine Gelächter der Gottlosen zwang den Kirchenfürsten, unter einem Sitz Zuflucht zu suchen. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als dort, hinter seinem Reisefack ver­schanzt , bis zur Endstation ouszuharren. Dort wartete er, bis die anderen Fahrgäste den Wagen verlassen hatten. Dann kleidete er sich rasch mit Hilfe des Schaffners an.

.-. (Die Bande der Familie.) Der deutsche Michel:Mutter, dort kommt der Vetter Krüger!" Mutter Germania: Schließ' die Ladenthüre zu, Michel und dann merk' Dir: arme Verwandte nennt man nieVetter" !*

.. (Fatal ) Dichterling (besten Gedichte immer weder retourniert noch veröffentlicht werden):Ich weiß nicht, aus meinen Arbeiten wird immer ein Redaktionsgeheim­nis gemacht I"

Redaktion, Druck und Verlag von Bern,. Hosmauu in Hjtldbad.