Gin WaterHerz.

Roman in Originalbearbeitung nach dem Englischen von Clara Rheinau.

1) (Nachdruck verboten.)

1. Kapitel.

Ein schöner Augustlag ging zur Neige. Ueber die geschäftige Stadt Chestwich, deren Häuser sich in dem Gewässer des Aveny spiegelten, brach die Dämmrung herein, als der Fährmann Robert Schmitt, der sich in seinem, am Fuße der Brücke angrketteten Boote deS milden Abends erfreute, ganz un­erwartet noch einen, späten Kunden erhielt.

Es war eine hohe Männergestalt, welche rasch die wenigen Stufen hinunterciltr und den Schiffer durch die Frage überraschte: Können Sie mich über den Fluß rudern?"

Natürlich," versetzte Schmitt mit selbst­bewußter Miene.Ich bin nicht der Mann, der ein Geschäft von sich weist, mag es noch so hart oder beschwerlich sein." Damit stieß er vom Ufer ab. Als sie etwa die Mitte des Stromes erreicht hatten, zog der Fremde mit großer Vorsicht eine lange Meerschaumpfeife aus der Tasche seines abgenützten Jagdrockes. Der Fährmann beobachtete, wie er diese an­zündete und sich dann im Stern des Bootes niederließ, und fragte sich, wer er wohl sein und woher er kommen möge.

Frank Nord war eine Persönlichkeit, die wohl geeignet war, die Aufmerksamkeit der Leute auf sich zu lenken. Er war hochge­wachsen , trug einen rotbraunen Bart und einen um mehrere Schattierungen helleren Schnurrbart. Die dunkeln Schatten unter den tiefliegenden, braunen Augen erzählten von einem Leben, das nicht in ruhigem Be­hagen dahingeflossen war; während dieKupfer- sarbe des Gesichtes, die großen Narben aus Hand und Wange stumme Zeugen gefähr­licher Abenteuer waren, welche dieser Mann bestanden. Robert Schmitt bemerkte diese Einzelheiten zur Zeit noch nicht, denn das Mondlicht war schwach, und der Fremde saß im Schallen, erst als Frank Nord seinen Ftlzhut vom Kopfe nahm, fiel es ihm auf, welche mächtige Stirn die buschigen Augen­braunen überragte, unter welchen ein Paar scharfer, Heller Augen jedem Menschen, der ihm nahe kam, bis ins Innerste zu dringen schien. Als sich das Boot der Landungs- brücke des jenseitigen Ufers näherte, begann der Fremde plötzlich zu dem Schifter ge­wendet:Sie weisen nie ein Geschäft von sich, so hart und beschwerlich es auch sei, nicht wahr? Sind Sie je nach Wolston htnuntergerudert?"

Ein- oder zweimal, so viel ich mich er­innere," war die Erwiederung.

Es ist keine leichte Arbeit fünf und vierzig Meilen. Wollen Sie mich hinru­dern ?"

Wie, jetzt? Am späten Abend?"

»Ja, fitzt; am späten Abend."

Für zwei Thaler den Tag und meinen Unterhalt?" '

Wie lange dauert die Fahrt?" fragte Nord, wie ein Mann, der sparsam mit seinem Gelbe umzugehen pflegt.

Zweieinhalb, vielleicht auch drei Tage; aber auf der Rückfahrt muß ich auch noch etwas zu verzehren haben."

Zu Fuß könnte ich den Weg in einem Tage machen," murmelte Nord vor sich hin; aber ich brauche Ruhe und Zeit zum Denken

und Ueberlegen. Sagen wir alsoabge­macht", guter Freund, kein Umwenden, keine Vorbereitungen, sondern gleich den Fluß hinab nach Wolston zu?"

Abgemacht I* rief Robert Schmitt, ru­derte wieder in die Mille deS Slromes und lenkte sein Fahrzeug mit großem Ernste der angegebenen Richtung zu. Bald lag die Stadt Chestwich mit ihren hellerleuchteten Fenstern, ihren Faklvreien und Schiffen weil hinter ihnen. Jetzt lockerte Frank Nord den Reisetorntster auf seinem Rücken, nahm den darauf festgeschnallten Mantel herab und hüllte sich hinein, als ob er friere. Dann saß er rauchend in Gedanken versunken, wäh rcnd das Boot seinen Kurs verfolgte. Ro­bert Schmit wäre einer Unterhaltung nicht ab­geneigt gewesen und hätte einem gsprächigeren Passagiere den Vorzug gegeben. Denn der Fremde rauchte und dachte stundenlang ohne eine Wort zu sprechen» und als der Mond in voller Pracht aufzing, gewahrte der Fähr­mann, daß seine Augen keineswegs schläfrig, sondern hell und klar den Windungen des Flusses folgten, in der Richtung des Dorfes, welches er zu erreichen sich sehnte.

Noch eine Meile und wir werden eine kleine Schenke dicht am Ufer finden," sagte Schmitt endlich, um dem Fremden einen Wink zu geben, daß eS Zeit zur Nachtruhe sei.

Schön, schön," sagte Frank Nord, wie aus dem Schlafe erwachend und jetzt erst sich der Anwesenheit seines Fährmannes er­innernd.Rauchen Sic, guter Freund?"

Wäre nicht abgeneigt," versetzte der Mann und füllte vergnügt seine thönerne Pfeife aus dem Tabaksbeutel, den der Fremde ihm hiaschob. Dann zündete er ste an und setzte seine Ruder wieder in Bewegung.

Ist es notwendig, bei Brummel anzu­halten ?" fragte ver Passagier jetzt.Können wir wir nicht bis zu Helton kommen? Die Nacht ist schön, und morgen im Sonnen­schein können wir langsamer fahren."

Wie Sie wünschen, Herr; aber spät ist's und ein langer Weg bis zur andern Schenke."

Ja; aber ich möchte gern Zeit gewin­nen. Kommen Sie, geben Sir mir die Ruder; ich will auch meinen Teil an der Arbeit übernehmen."

Sehr bereitwillig wechselte Robert mit seinem Passagiere den Platz und dieser schien seiner Aufgabe vollkommen gewachsen. Rascher und lebendiger glitt das Fahrzeug unter den kräftigen Ruderschlägen dahin, und Schmitt lächelte über den Eifer des Fremden. Morgen, wen wir die Tenderstone-Schleusen passiert haben, mag es ruhiger gehen," sagte dieser wie zur Erklärung seiner Eile.

Schmitt betrachtete ihn eine Weile sehr aufmerksam und meinte dann bedächtig:Sie sind hier in der Gegend recht gut bekannt, Herr, obschon Sie eine schöne Reihe von Jahren weg gewesen sind."

Was bringt Sie auf diesen Gedanken?" war die heftige Antwort.

Sie sprachen von Brummels Schenke, und Brummel ist bereits seit Jahren tot. Auch Helton lebt nicht mehr; seine Frau hat den Ackerknecht geheiratet, und er führt jetzt die Wirtschaft imRoten Löwen". Ein schlechter Wirt ist er und soll auch ein schlechter Ehemann sein."

Geschieht der Alten Recht. Sie hatte schon graue Haare zu meiner Knabenzeit und hätte vernünftiger sein können."

Eine kleine Pause trat ein, dann fragte Frank Nord, dessen Neugierde erwacht war: Als alter Praktikus wissen Sie gewiß Vieles aus dieser Umgegend? Wie heißen Sie?"

Robert. Schmitt, zu dienen, Herr."

Und mein Name ist Frank Nord. Er­innern Sie sich desselben?"

Könnt'S nicht sagen."

Dann wissen Sie auch nicht viel von Wolston, guter Freund," sagte Nord mit kurzem Auflachen.

ES liegt außer meinem Wege. Aber eS kommen immer viele Leute von Wolston nach Chestwich, und diese kenne ich und Sie sprechen mir von andern. Vielleicht könnte ich Ihnen doch über jemand Auskunft geben, von dem Sie gern hören möchten."

Vielleicht aber nicht wahrscheinlich."

Nord überlegte eine Weile und fragte dann:Kennen Sie Fräulein Nord aus dem Schtlshause?"

Nein; Frauenzimmer kenne ich über­haupt nicht viele."

Haben Sic je von Elise Nord, deren Nichte gehört?" fuhr der Fremde mit leicht bewegter Stimme fort.Ich habe den Namen Nord nie in Wolston gehört; glaube kaum, daß es Jemanden dieses Namens dort giebt."

Reden Sie nicht so thöricht," rief der Fremde ärgerlich;Sie wissen ja gar nichts von jenem Ort."

Damit brach er die Unterhaltung ab und ruderte in den nächsten zehn Minuten um so energischer darauf los. Allmählich wurden seine Bewegungen langsamer, und er murmelte leise, aber für den andern verständlich, vor sich hin.Vielleicht sind Beide tot. Beide tot und keine Erinnerung an sie geblieben l Und doch was sind fünfzehn Jahre? nichis. Wenn ich darauf zurückbltcke, gerade wie aus diesen Fluß nichts. Pah! wahrlich fünfzehn Jahre I"

Haben Sie fünfzehn Jahre nichts von Ihren Leuten gehört, Herr ?" fragte Schmitt.

Gehört schon? aber nicht gesehen. Ich hörte von Ihnen, bis doch was geht daS Sie an? Können Ste nicht schweigen? Können Sie mich nicht meinen Gedanken überlassen? Soll ich Sie bezahlen, damit Sie hier sitzen und mich durch Ihre Neu­gierde belästigen?"

Frank Nord wartete eine Antwort auf diese Antwort gar nicht ab, sondern ruderte weiter, bis derRote Löwe" erreicht war. In dem Wirtshaus war bereits Alles zur Ruhe gegangen, und es dauerte lange, che man den späten Ankömmlingen Einlaß ge­währte.

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

(Vorsorglich ) Pserdeverleiher:Den alten Reitweg tm Stadlpark dürfen Sie nicht mehr benützen I" EonntagSrciter:Weiß es der Gaul?"

.'. (Verdächtig) Herr (znm Diener): Bestell' wieder zwei Kisten Zigarren, sage aber dem Händler, die letzten seien nicht gut gewesen. Vergiß das ja nicht!"Diener: Nein, nein, ich häti's ihm auch ohnedies g'sagt."

Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofman« in Wtldbad.