Knlöeckl.

Kriminal-Erzählung von C. V. Wolsshagen- 8) (Nachdruck »erboten.)

Mixin überlegte und versetzte dann zö­gernd :

Ja. schriftlich!",

Schreiben wir !"

Er diktierte, Stephan Mixin schrieb; eS war ein einfacher Schuldschein.

Und nun daS Mittel!" warf Mixin die Feder hin.

Popitsch faltete bedächtig das Papier zu­sammen und sagte dann langsam:

Domodeff ist Nihilist und wird po­litisch verfolgt I"

Als hätte der Blitz ihn getroffen, so schrack Stephan Mixin zusammen.

Sind Sie ein Teufel oder ein Zauberer?"

Popitsch lachte:

Nur ein Privatdetektiv!"

Und wie kamen Sie auf diese Entdeck­ung?"

Lurch Zufall bei Erkundigungen nach Domodeff, wie sie unsereins machen muß!"

Und nun?"

Das müssen Sie wissen I"

Soll ich ihn anzeigen?"

Dazu sage ich gar nichts!"

Sie wollen nicht daran participieren?"

Mein Geschäft erlaubt daS nicht! Es würde mich discreditieren!"

Stephan Mixin lachte verächtlich:

Nun wohl, ich werde eS selbst machen!"

Und er ging.

* ch

»

Gab eS auf Erden noch ein größeres Glück als im Hause Domodeff? Und doch überraschte Frau Senta ihren Gatten oft in melancholischer Stimmung.

Was hast Du, Paul ?" fragte sie dann. Vertraue mir Deinen Kummer, er bleibt dann nur halb; geteilter Schmerz mindert sich, wie du weißt!"

Ach, Senta, eS ist eigentlich nichts, ein Gespenst aus meiner Jugendzeit!"

Noch ein Gespenst?"

Paul Domodeff nickte melancholisch.

Sprich Dich aus!"

Du wirst mir zürnen!',

Niemals I Könnte ich es vergessen, was Du für mich gelitten?"

Nun so höre! Du weißt, daß mein Vater wie der Deintge Beamter war!"

Ich weiß es!"

Damals lernte ich das Elend der Be­amten kennen I Vielleicht hast Du auch da­mals gehört, wie der Geist der Unzufrieden- heit wuchs, wie der Nihilismus entstand, wie er sich über Kreise verbreitete. Ich ward knapp gehalten und fiel schon als Schüler in die Hände eines gewissen Propinoff; dieser entsetzliche Mensch warb mich für den Nihi- listenbunv an. Ich beging eine Knabenthor- hcit, eS ward verraten, als ich Dich verlor, ich wurde verfolgt und flüchtete nach Deutsch­land. Der Bund gab mir die Mittel zum Studium der Malkunst; es war dieses nur ein Deckmantel für meinen Aufenthalt, denn ich bin nie ein wirklicher Künstler gewesen! Als Du mir wardst, schüttelte ich die lästige Fessel ab, aber damals drohte Provinoff, mich verraten zu wollen. Siehe, das ist das Gespenst!"

So laß uns doch »ach dem freien Amerika gehen!"

Würdest Du!" ohne jeden Zweifel!"

Er umarmte und küßte ste.

Da trat Jllona ein.

Ein Herr läßt sich melden, hier seine

Karte l"

Laßt ihn eintreten!" sagte Domodeff.

Der Fremde trat ein, Paul sah mit einem Blick, daß Polizisten auf den Korri­dor traten.

Sind Sie Paul Sergci Domodeff?"

Ich din's!"

Geboren zu Warschau?"

ES stimmt!"

Es thut mir leid, aber auf Grund eines Antrages der kaiserlich russischen Regierung zu Ihrer Auslieferung wegen eines politischen Vergehens muß ich Sie verhaften. Machen Sie weiter kein Aufsehen I",

Paul Domodeff erblaßte. Er warf einen trostlosen Blick auf sein Weib und sagte dann bebend:

Was geschieht mit mir?"

Ste werden nach Rußland transpor­tiert !"

Wohin?"

Paul nahm von Senta schweigend Ab­schied, dann flüsterte er ihr zu:

Folge mir nach Warschau, Geliebte!"

Damit schritt er hinaus, die Beamten nahmen ihn in Empfang; noch in derselben Nacht reisten russische Beamte mit dem Ge­fesselten Warschau zu.

Den Zustand SentaS zu beschreiben, ist ein vergebliches Bemühen l

DaS ist die Strafe Gottes," schrie sie, daß ich Mixtn meinen Eid brach l Wehe mir!"

Jetzt ward es Jllona, die ihr Mut ein- sprach. Anderen Tages reisten die beiden Frauen ebenfalls nach Warschau ab.

* » ^

Die Justiz in Warschau ist wie in ganz Rußland schnell, summarisch, streng, uner­bittlich. Die Untersuchungen werden insge­heim geführt. DaS Urteil wird insgeheim gesprochen und auSgeführt.

Senta wußte das alles. Sie eilte zum General-Gouverneur und wurde nicht vorge- laffen, ste bat beim Gericht um die Erlaub­nis, ihren Gatten im Gefängnisse sprechen zu dürfen, ste wurde abgewiesen.

Fast verzweifelt versuchte ste den Weg der Bestechung und erhielt die Zusage, über das Schicksal ihres Gatten Nachricht erhalten zu sollen.

Schreckliche sechs Wochen vergingen, keine Nachricht traf ein. Endlich, endlich ward ihr ein Zettel:Denunciant Ihres Gatten lst Stephan Mixin."

Hu , mein Schwager I" schrie Senta. Er spekuliert auf mein Vermögen I Aber er soll sich getäuscht haben! Ich werde handeln, wenn es so weit ist!"

Noch vergingen vier Woche», da kam ein zweiter Zettel in einem Extracouvert. Der Zettel war von Paul Domodeff geschrieben:

Lebe wohl, geliebte Senta l Tröste Dich in Gott und guten Werken l Ich bin zu zehnjähriger Zwangsarbeit nach TomSk in Sibirien verbannt l Gott sei mit Dir! D. Paul."

Z'hn Iah«! Himmel! Gerechter

Gott!" und Frau Senta brach zusammen.

* »

Am nächsten Tage reisten zwei zwarzge-

kleidete Frauen mit dem Schnellzuge von Warschau nach Wien, eS waren Senta und Jllona.

Senta lebte den Werken der Wohlthätig- keil, Jllona half ihr dabei.

Nach Wochen stellten sich bei Senta Brustbeschwerden ein, der Arzt schüttelte den Kopf.

Senta sah es und ließ einen Notar mit Zeugen ins Hotel kommen.

Sie legte ihre Familienpapiere vor, wies sich aus und testierte dann:

Ich, Senta Domodeff, verwitwete Mixin, bestimme bei gesundem Verstände im Falle meines Todes Folgendes:

1) Von meinem bet der Wiener Bank niedergrlegten Vermögen erhält meine Ge­sellschafterin Jllona PintaS für ihre treuen Dienste, so lange ste lebt, eine Rente von 6000 Gulden.

2) Die übrigen Zinsen fallen den Armen Wiens zu.

3) Mein Vermögen bleibt meinem Gatten Paul Domodeff, der jetzt eben als politisch Verurteilter zu Tomsk in Sibirien abbüßt. Die Gerichte sollen denselben davon benach­richtigen.

4) Sollte es Gott wollen, daß mein Gatte in der Verbannung stirbt, so fällt das gesamte Vermögen zur Hälfte den Armen Wiens, zur Hälfte den wissenschaftlichen Lehranstalten Wiens zu zur Errichtung von Slipendien für arme Studenten.

5) Aus dem ZinSergebniffc bestellt die kaiserliche Regierung einen oder mehrere amtliche Testamentsvollstrecker aus dem Richter­stande.

So diktiert, gelesen, genehmigt und eigen­händig unterzeichnet

Wie», den 7. 11. 1866.

Senta Domodeff."

Darauf zeichneten die mitgebrachten Zeugen und siegelte der Notar.

Die Feierlichkeit war vorüber. DaS Te­stament ward dem Gerichte übergeben. Eine Woche später war Senta Domodeff eine Leiche.

Als nach SentaS Beerdigung Stephan Mixin Anspruch auf ihr Vermögen machte, ward er gerichtlich abgewiesen. Er sollte die Früchte seiner schändlichen That nicht ge­nießen I"

Neun Jahre darauf meldete sich bet den Gerichten Wiens ein gebrechlicher Mann, der sich durch seine Papiere als Paul Do- modcff auSwieö. Ihm ward das Vermögen nach dem Beschlüsse der Testamentsvollstrecker ausgehändigt. Er legte davon in die Hände der Gerichte diejenige Summe nieder, welche JllonaS Rente ergab, fügte aber dis Bestim­mung hinzu, daß das Kapital nach deren Tode den Armen zufallen solle. Er be­schenkte viele milde Stiftungen mit großen Summen und zog dann mit vier Anweisungen über den Rest des Kapitals auf die Bank in London nach England. Auf dem Wege dahin besuchte er die rheinische Stadt und in ihr die Palette, wo noch immer das lustige Völkchen der Künstler verkehrte. Dort saß er und murmelte:

Hier war'S im Carneval!"

Dann reiste er unerkannt nach London, wo er sich ankaufte. Seine Erben wurden arme Verwandte am Rhein und in Warschau.

Ende.

Skdakitvn, Druck und Berlag von Beruh. Hofmauutu Wildhad.