der Fortbildungsschule in Uetersen herrscht große Freude weil die Lehrer seit einigen Tagen in einen richtigen Streik eingctreten sind. Sie hatten an das Stadtverordneten- Kollegium das Ersuchen gerichtet, die Entschädigung für die Unterrichtsstunden von 1,20 -/A auf 1,60 zu erhöhen. Dieser Antrag wurde in der letzten Sitzung zurück- gestellt. Darauf haben- sich die Lehrer geweigert, in Zukunft den Unterricht in der Fortdildungsfchule zu erteilen.
London, 18. Dez. Dem „Evening Standard" zufolge soll in London eine Depesche eingetroffen sein, welche besagt: Gestern hat ein mehrere Stunden dauerndes Gefecht stattgefunden gegen eine Burenmacht von etwa 1400—2000 Mann, die kürzlich auf ihrem Marsche nach Süden aufgehalten worden war. Der Feind wurde am Oranjefluß umzingelt und Vollständig geschlagen. Die Verluste der Buren an Toten und Verwundeten ist sehr schwer. Eine große An- zal Buren wurde gefangen genommen.
London, 19. Dez. Daily Mail versichert, Lord Kitchenrr habe um eine Verstärkung von 40 000 Mann gebeten. — Daily Expreß meldet aus dem Haag, aus
guter Quelle verlautet, daß die Unterredung des Journalist-n Stead mit dem Präsidenten Krüger auf diesen einen solchen Eindruck gemacht hat, daß er entschlossen sei, nach England zu gehen, um mit den dortigen burenfreundlichen Kreisen zu unterhandeln, — Die Et. James Gazette veröffentlicht einen Brief eines Ansiedlers in Johannesburg, in welchem er mitleilt, LukaS Mayer sei unter dem Verdacht des Verrats von den Buren erschossen worden.
— Im Schnee begraben. Aus Telcade bei Beltuno kommt die Nachricht, daß hart an der östereichischen Grenze, in der Oertllchkeit Val Frcdda, drei Leichen, welche unter dem Schnee begraben waren, gefunden wurden. Sofort nach Bekannt- werden des UnglücksallcS waren die Ortsinsassen herbcigceilt und halten sich mit allem Eifer an die Arbeit gemacht, um die Begrabenen zu retten. Es war umsonst. Die Erstickten sind Schmuggler, welche von Oesterreich Tabak, Zigarren, Zucker, Spiritus rc. auf Schleichwegen nach Italien brachten und bet dem gefährlichen Gange ihr Leben ein- büßen müßten.
— Ein hübsches Kleinbahn.
Idyll, daS die berühmte Sammlung der »Kleinbahnscherze" um einen kostbaren Schatz bereichert, hat sich kürzlich auf der Rotthaler Bahn ereignet. Der Lokalzug, der um 7 Uhr 3 Min. abends von Passau abgcht, kam bis auf die Ausmändung des Neuburger Waldes, wo dann der Zug plötzlich stehen blieb. Man forschte nach der Ursache und fand, daß in der Maschine kein Wasser war, folglich auch diese zu wenig Dampf hatte. Was thun? Man ließ den Zug wieder rückwärts nach Neustadt gehen, denn dazu brauchte man keinen Dampf, da es immer thalabwärts geht. In Neustift wurde gehalten, die Passagiere stiegen aus den Wagen, ein Herr begann sofort am Pumpbrunnen Wasser zu schöpfen und nun wurde mit Krügen, Gläsern, Kannen und Kübeln Wasser getragen und damit die Maschine gespeist, dann heizte man frisch und mit einer Verspätung von zwei Stunden kamen die Passagiere an ihr Ziel.
Kiel, 20. Dez. Die aus China zurückgekehrten Marinemannschaften haben, soweit sie nicht zur Entlastung kamen, heute den ihnen bewilligten 45lägigen Weihnachtsurlaub angelreten.
Und Frieden aus Erden.
Weinnachts-Erzählung von Heleue Voigt. 4) (Nachdruck verboten.)
Aber als der brave Doktor sich umwandte war der Platz leer, an dem noch soeben Julie gestanden und nur Möller trat näher.
„Ich danke Ihnen, Herr Doktor," stammelte er bewegt, ,,o wie soll ich Ihnen aus- drücken was ich empfinde!"
„Nein," w-hrte der alte Mann ergriffen, „mir sollen Sie nicht danken, nur Jenem dort droben, denn ohne seine Gnade ständen Sie jetzt an einer Leiche."
Ais der Arzt sich entfernt, betrat geräuschlos, als fei nichts vorgefallen, Fräulein Julie das Krankenzimmer von neuem, um ihren gewohnten Platz einzunchmen, Möller trat ihr mit strahlendem Antlitz entgegen.
»Ihnen, Ihnen danke ich alles, was ich Hobe, all mein Glück und meinen Reichtum, o — ich werde es nie, nie vergessen."
Und im Uebermaß der Freude kniete er nieder vor ihr und küßte den Saum ihres Gewandes. Aber befangen und errötend trat das schöne Mädchen zurück.
„Nicht doch, Herr Möller, ich habe gar kein Verdienst an Manuels Rettung," wehrte sie bescheiden, „ich that meine Pflicht und zwar um so lieber, weil mir der Knabe, seit ich ihn kennen gelernt, anS Herz gewachsen war."
»Tante Julie," klang ein schwaches Stimmchen vom Belte herüber und beide eilten zu dem eben erwachten Kinde, welches lächelnd dalag.
„Mein Liebling," rief Julie entzückt, „bist Du wach geworden und willst etwas trinken? Ein Schlückchen Wein und etwas Suppe?"
„Bin ich wieder gesund? Und wo ist Papa?" fragte der Kleine, der den Vater nicht gesehen, weil dieser auf ein Zeichen Juliens zurückgetretm war.
„Hier ist Papa," jubelte Möller, sich über seinen Liebling beugend, „und wenn Du gesund bist, wollen wir gleich forlreifrn,
nach Hause, wy es nicht mehr so kalt ist."
„Ja, aber Tante Julie muß mitkommen," bat Manuel zärtlich, „sie ist so gut und lieb und — ich habe doch zu Hause keine Mutter, wie hier Otto und Lieschen."
Richard Möller blickte eigentümlich bewegt und feierlich zu dem jungen Mädchen hin, die jetzt lächelnd mit einem Täßchen Suppe zu dem kleinen Patienten-trat.
„Rege Dich jetzt damit nicht auf, mein Liebling," sagte sie heiter, „ich bin ja noch bei Dir und — Du sollst auch noch einmal den Christbaum brennen sehen."
„Ja, ach ja, Tante Julie, — Du bist sehr gut." Vor Möllers Geiste stand diese liebliche Frauengestalt, die ihm gleich zuerst wie aus der Vergangenheit zugewinkt; auch er dachte dasselbe wie sein Kind, daß es nämlich daheim öde und düster sein müsse ohne sie. Und abermals stieg der Wunsch, die Sehnsucht in ihm auf, sie an sein Herz zu nehmen, als fein Weib — aber wer konnte wissen, ob das Schicksal ihm noch soviel Glück aufbewahrt haben würde I —
Noch eine Reihe von Tagen verging, ehe der kleine Manuel daS Bett verlassen und wieder allein umhcrgehm konnte. Als er aber zum ersten Male an Juliens Hand, begleitet von seinem Vater spazieren gegangen war und heimkehrte, da nahm letzterer das junge Mädchen an der Hand nnd sagte lächelnd zu dem Knaben: „Was meinst Du, Manuel, soll Tante Julie als Deine Mama mit uns nach Cuba gehen? Da bleibt sie dann immer bei Dir und geht gar nicht mehr fort."
Da jubelte der Kleine hell auf und schlang beide Aermchen um das schöne Paar, die Hand in Hand nebeneinander standen.
„Ja loch, Mama, liebe gute schöne Mama, Du sollst immer bei mir bleiben — und ich will Dich lieb haben wie den Popa, denn sie sagen, daß ich ohne Dich gestorben wäre,"
„Meine Julie, mein teures Mädchen," flüsterte Möller, „ich habe vor Jahren um Deine Schwester geworben, denn schon damals liebte ich in ihr Dein Bild — kein
anderes ist seitdem in meine Seele gekommen. Willst Du mich lieben — wie ich Dich — bis daß der Tod uns scheidet?"
„Ja, mein Richard," nickte sie erschüttert, „und Deines Kindes Wohl soll unsere schönste, erste Pflicht sein!'
Und nochmals nach all den schweren Tagen flammte der Christbaum im Belling- schcn Hause auf — schöner, strahlender als zuerst, denn er beleuchtete ein Glück und tief bewegte Menschenherzen.
„Das war das schönste Fest, das ich erlebt," meinte HanS Belling und fuhr sich mit der Hand über die Augen, „will'S Gott, feiern wir einmal später ein solches bei Euch in Cuba."
Und darauf klangen hell und fröhlich die Gläser aneinander, während ein leises Rauschen durchs Zimmer ging:'
„Ung Frieden auf Erden."
— Ende. —
Ueber 1700 fallsüchtige Kranke und eine nicht viel kleinere Zahl anderer armer Weihnachtsgäste: Geisteskranke, Schwindsüchtige, Blöde, Heimatlose, Alte, Sieche und sehr viele kleine kranke oder verwaiste Kindlein in unseren Anstalten Bethel, Sarepta, Nazareth und Wilhelmsdorf, die meist Niemand haben, der ihrer zu Weihnachten in Liebe gedenkt, hoffen auch in diesem Jahre auf eine Weihnachtsfreude.
Zu unseren bisherigen Anstalten der Bamh-rzigkeit kommen in diesem Jahre noch die beiden Häuser „Freistatt" und „Moorstatt" im Wietingsmoor für gefährdete Jünglinge und schiffbrüchige Männer aller Art hinzu, denen Wilhelmsdorf keine genügende Arbeit mehr bieten konnte.
Jede kleinste Gabe in Geld oder in natura nimmt mit innigem Dank entgegen.
Bethel, bei Bielefeld, Weihnachten 1900.
F. v. Bodelschwingh,
Pastor.
«S- Hiezu eine Beilage. "Nk
Redaktion, Druck und Verlag von Brrnh. Hofmann in Wildbad.