Erlöst.
Kriminal-Novelle von Earl Cassau.
1) (Nachdruck verboten.)
Auf den herrschaftlichen Aeckern deS Gutes Bütow war man mit dem KartoffelauSroden beschäftigt. In langen Reihen saßen da Frauen, Mädchen und Männer, eifrig bemüht, die gelblichweißen Knollen dem Schoße der Erde zu entnehmen. In der Ferne sah man die Dächer des GutSgebäudes und des Dorfes, dicht an der Arbeitsstelle aber führte die Landstraße vorbei und der Ortschaft zu. Hinter der ArbeitSreihe stand der Verwalter Bruns, neben ihm hantierten zwei robuste Männer, welche die Karste führten und die Kartoffelfelder damit aufhieben. Der eine dieser Männer hatte schon weißes Haar: ihm ging die Arbeit nicht so glatt von der Hand.
„Na, Meißner," sagte Bruns, eine derb- knotige Gestalt, wie man sie in Nieder sachsen öfter steht, „nur nicht so hitzig; ruhen Sie sich ein wenig aus, die ungewohnte Arbeit greift an!"
„Pah," entgegne» der Angeredete, „Sie denken wohl, die Gefängnisluft hätte meine Kräfte gebrochen? Nein, Herr, nur der Kummer hat mich so weiß gemacht."
„Na, wie Sir wollen, Meißner," meinte Bruns. „Der gnädige Herr verlangt für den Tagelohn nicht, daß man sich jzu Tode arbeitet."
Die Leute in der Reihe steckten die Köpfe zusammen.
„Nun hecheln sie mich durch," lächelte Meißner gegen feinen Nebenmann HarmS. „Kann nicht Jeder Unglück haben?"
„Versteht sich," murmelte der Tagelöhner Harms. „Nimm'S Dir nicht zu Herzen."
„Soll ich doch wohl," brummte Meißner. „Wenn ich nur wüßte, welcher Schuft mich dem Gerichte angez'igt. Aber bei der un- vermutlichen Haussuchung fanden Sie die Büchse, und ein Jahr war das Wenigste, was mir die Richter zudiktiere» konnten. Als ich dann zurückkchrte, ist meine Annadört, das schöne, gesunde Mädchen, das einzige Vermächtnis meiner seligen Trin-Lise, ver- schwunden."
„Ich stand ihr redlich als Nachbar bei," erwiderte Harms. „Aber eines Tages brachte sie mir den Schlüssel zu Deinem Hause und sagte:
„Sie schauen wohl mal nach der Kate, während ich fort bin?"
„Ehe ich antwortete und fragen konnte: „Wohin?" war sie längst davon."
„Und ist bis heute nicht wieder gekommen," seufzte Meißner dumpf.
Bruns hatte das Gespräch gehört, deshalb wandte sich Meißner zu ihm:
„Sehen Sie, Herr Bruns, das ist der Kummer, der mein Haar gelichtet und gebleicht hat."
„Das ist zu denken, gab der Verwalter gutmütig zurück.
Der Landbriifträger, der zum Dorfe wollte, unterbrach das Gespräch.
„Ist hier ein Tagelöhner," fragte erden Verwalter, „der Fritz Meißner heißt?"
„Ja. ich," rief Meißner zitternd.
„Hier ist ein Brief für Sie," sagte der Lote und reichte ihm das Schreiben. „Für das Gut heute nichts, Herr Verwalter, Adieu!"
Er machte Kehrt, Bruns aber sagte zu Meißner:
„Wenn Sie sich der Leute wegen beherrschen können, lesen Sie ihren Brief nur, ich ahne schon, daß Sie darin Gewißheit er- halten."
«Ja, ja!"
Er drehte sich herum u»d las:
„Stralsund, den 2. Oktober 1891.
Lieber Vater!
Wenn mir nicht der Arzt gesagt hätte, daß ich nur noch kurze Zeit zu leben hätte, würde ich gar nicht gewagt haben, an Dich zu schreiben, aber der Tod löscht alle Schuld aus! Kannst Du mir vergeben? Da ich aber nicht weiß, ob Du mich noch am Leben triffst, so sollst Du doch wissen, wer an all' meinem Unglück Schuld hat. Das ist der Inspektor Ekkard, der mich Verblendete in diesen Jammer gestürzt. Meine Wohnung erfährst Du auf dem Meldeamt.
Deine unglückliche Tochter Annadört."
Der Bricfleser stand unbeweglich da, dann steckte er den Brief ein und schlug die schwieligen Hände vor'S Gesicht. So stand er eine Weile seufzend da, dann wandte er sich nach Bruns um:
„ES geht nicht Herr Verwalter. Wollen Sie mich beurlauben?"
DrunS zuckte die Achseln:
„Das darf ich nicht, Meißner, weil es eine so eilige Zeit ist. Wenden Sie sich an Herrn Inspektor Ekkard oder an den gnädigen Herrn selbst."
„An Ekkard nicht," murmelte Meißner, „Aber Gott sei Dank, da kommt der junge Herr."
Ein Reiter sauste über da« Feld, gerade auf die Leute zu.
Das war Herr Benno von Bütow, eine schlanke, biegsame Gestalt, die prächtig zu Pferde saß. DaS Gesicht war edel und gutmütig.
„Alles wohlauf," fragte er Bruns.
„Ja, gnädiger Herr."
„Lohnen die Kartoffeln?"
„Sehr!"
„Freut mich, Adieu I"
Jeßt trat Meißner vor und bat um Gehör.
„Reden Sie," entschied Herr Benno.
Meißner erzählte kurz und bündig und schloß:
„Der Inspektor Ekkard mag sich in Acht nehmen, wenn ich erst alles weiß!"
„Nur nichts Unüberlegte«, Meißner. Natürlich haben Sie Urlaub, ich vertret'S bei Papa. Wollen Sie auch Reisegeld?"
„Ich danke, gnädiger Herr."
„Nun, dann vorwärts zur Reise. Mit Gott!"
Sein Pferd brauste dahin, Meißner aber schritt eilig dem Dorfe zu.
Unterwegs traf er den Gendarmen Liepe.
„Tag, Meißner, hat'S Gewehr jetzt Ruhe?
Ja!" '
„Machen sich auch sonst unglücklich!"
„Ja, Herr Wachtmeister!"
Damit enteilte er, um sich reisefertig zu machen.
Herr Benno von Bütow hatte Inzwischen den Krähenkamp erreicht, wo er die Arbeit revidierte, welche Herr Inspektor Ekkard, ein sehr hübscher, blonder Herr vornehmen ließ.
Der junge Herr winkte ihn zu sich heran:
„WaS haben Sie mit Meißner vorgehabt? fragte er. „Der Mann ist ja in voller Rage?"
„Der ist toll!" entgegnete Ekkard spitz. „Ein Zuchthäusler."
Benno von Bütow zuckte die Achseln:
„Auch der Niedrige will sein Recht haben, Ekkard. Nehmen Sie sich in acht!"
Damit sprengte er davon, GenSdarm Liepe hörte nur noch die letzten Worte.
„Eia Zank?" fragte er vertraulich.
Ekkard lachte und sagte:
„Es ist eben der junge — Herr und denkt, er kann alles sagen!"
Damit wandte er sich den Arbeitern zu, rin Zeichen, daß Liepe gehen sollte.
„Nicht gut gelaunt," brummte er und ging weiter. (Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Die Gewohnheit im Haushalt bringt es mit sich, daß man fast allgemein zum Kaffee einen Zusatz nimmt. Unter den vielen angtpriesenen Ersatz- und Zusatzmitteln nimmt Kathreiner's Malzkaffee infolge seiner absoluscn Reinheit, seines kaffee-ähnlichen Geschmackes und seiner Bekömmlichkeit weitaus den ersten Platz ein, Kathreiner's Malzkaffe ist auch etwas gnnz anderes als alle anderen Zusätze, weil er thatsächlich jeden Kaffee verbessert.
.-. Der diesjährige „Neue" scheint, wie das RegenSb. Morgenbl." schreibt, ein drolliger Geselle zu sein. Kaum hat er sein geistiges Temparamcnt angenommen, so fängt er schon an, seine Posten zu treiben. Am letzten Sonntag Morgen sagte eine Bäuerin zu ihrer Magd: „Heute kochst Du zu Mittag, Therese, diesmal gehe ich in die Kirche." Schon hatte die Bäurein das Buch in der Hand, als ihr plötzlich einfiel, daß sie noch keinen Speck für das Mittagessen gerichtet habe, holte solchen und machte sich dann auf den Weg. Auf dem Kirchweg wurde sie von einer Freundin angeredet mit den Worten: „Du willst heute wohl weit wallfarhrten
gehen, D.bäuerin, weil Du ein so
großes Stück — Speck — mitnimmst?" — „Jessas Maria, jetzt Hab' ich jo 'S Buch in'S Kraut gesteckt! Sag' nur niemand nichts, sonst komm i jo en Kalender!" Die Mariann hat zwar geschwiegen, aber der ver . . . Zeitungskorrespondent hat eS doch erfahren.
(Kindermund.) Canon Robinson er. zählt in seinem neuen Buch über Nigerien eine gelungene Geschichte. Vor kurzem wurde den Schülern der St. Mary Redcliffe-Schule in Bristol aufgegeben, einen Aufsatz über eine britische Kolonie zu schreiben. Ein hoffnungsvoller junger Imperialist, der offenbar seine Pappenheimer kennt, schrieb: „Afrika ist eine britische Kolonie. Ich will euch erzählen, wie England seine Kolonien macht. Zuerst nimmt es einen Missionar; wenn der Missionar einen besonders schönen und fruchtbaren Strich Landes gefunden hat, dann versammelt er alle Leute um sich und sagt: „Laßt uns beten I", und wenn alle Augen geschloffen sind, geht die britische Flagge hinauf."
.-. (Hausfrau: „Also Ihr Bruder war's, der Sie vorhin besuchte; lieben Sie ihn auch wie ein« rechte Schwester?" Dienstmädchen: „O, Madam, noch viel mehr!"
Hedattt-U, Druck und Verlag von Beruh. Hosmauu tu Wtldbab.