Heimliche Liebe
Roman von Helene Voigt.
17) (Nachdruck verboten.)
Albrechl van der Huylen war in den Klub gegangen; daheim litt es ihn nicht und er wollte doch sein Lothar gegebenes Versprechen, nicht eher mit Nora zu reden, ehe er letzteren wiedergesehen, nicht brechen. Er fand einen Partner zum Schach und gerade dieses Spiel lenkte am vorteilhaftesten seine Gedanken ab, sodaß er selbst erstaunte, als er beim Verlassen des Lokals bemerkte, daß es inzwischen elf Uhr geworden.
Zu seinem lebhaftesten Erstaunen hielt vor dem alten Senatorenhausr der Wagen des alten Hausarztes; sollte jemand krank geworden sein — doch nicht Nora selbst? In fieberhafter Eile flog er die Treppe hinauf, der Doktor kam ihm aus einem der Fremdenzimmer entgegen, den Finger auf den Mund gelegt, zum Z-ichen der Vorsicht.
„Ah, Herr Senator — welch' bedauerlicher Zwischenfall — schweres Nervmfieber jedenfalls."
„Aber, Herr Geheimrat, ich komme soeben aus dem Klub und weiß von nichts. Meine Frau ist doch nicht —"
„Bewahre, bewahre, Herr van der Huylen Ihr Herr Schwager liegt drinnen im wilden Fieber. Armer junger Mann, wollen das Beste hoffen! Komme morgen früh wieder."
Leichenblaß, die Augen voll Thränen trat Nora auf ihren Gatten zu und unwillkürlich legte er leise den Arm auf ihre Schulter; jetzt durfte er ihr nichts sagen, was zwischen ihm und Frau von Trahlow verabredet worden, hier galt es zu trösten, auch wenn sein eigenes Herz blutete.
„Nora, armes Kind," flüsterte er zärtlich, „wie ist alles so rasch gekommen? Ist dem guten Lothar etwas schlimmes passiert, worüber er sich so erregt?"
Und wie damals im Augenblicke seligen Glückes, so jetzt beim tiefsten Leid sank das Köpfchen der jungen Frau an die Schulter des Gatten, ein dumpfes Aufschluchzen erschütterte ihren Körper, dann flüsterte sie kaum verständlich: „Ja, Albrecht, er ist sehr
— sehr unglücklich geworden — und ich mit ihm. Aber frage nicht — ich kann — ich darf eS Dir nicht sagen."
„So laß mich bei ihm wachen, Kind, Du mußt Dich auSruhen, Du bist so erschöpft."
„Nein Albrecht, laß mich um Gottes Barmherzigkeit willen — er spricht im Fieber
— Du darfst nicht zu ihm."
Traurig sah er in ihre schönen Augen, beinahe ehrfurchtsvoll strich er über ihr Haar, dann sagte er leise, innig: „Gott helfe Dir und mir, arme Nora! Das Leben ist eine schwere Prüfung für jeden Sterblichen und znm Glück sind wir nicht auf der Erde!"
Am folgenden Morgen ließ Frau van der Huylen den alten Winkler zu sich bitten. Lothar schlief, er war todesmatt, aber immer wieder schrak er empor und frug angstvoll: „Wo ist die Villa Blanka? Haben Sie schon entdeckt, daß man mit zerstochenen Karten spielt?"
Als der alte Buchhalter in'S Nebenzimmer trat, schloß Nora die Krankenstube, bot dem allen Manne traurig die Hand und sagte schmerzlich:
„Mein lieber Winkler, Sie sehen, wie
schnell daS Unglück schreitet: Wie hätte ich vor vierundzwanzig Stunden all' das Leib des heutigen Morgens geahnt."
„Gnädige Frau, auch mir thun Sie alle unaussprechlich Leid, besonders der arme Kranke. Er sprach mich gestern Abend an und ich meine schon im Fieber I"
2 . „Mein armer Bruder hat schwer zu tragen. Seine Ehrenhaftigkeit will ihm nicht erlauben, um Gertruds Hand noch fernerhin zu werben; — es ist — über unsere Familie — eine schwere Prüfung gekommen — vielleicht würden Sie jetzt gar nicht mehr erlauben, daß Ihre Tochter einen Mann heiratet, — besten — Mutter —"
Sie schwieg aufstöhnend und verhüllte daS Antlitz mildem feinen Battisttuche; auch Winkler war ergriffen, verstohlen trocknete er eine Thräne aus dem Auge, dann aber sagte er ernst: „Gnädige Frau, Sie dürfen nicht denken, daß ich nur in Hellen Tagen ein treuer Diener bin, in den trüben Tagen soll sich die Treue am besten bewähren, und der alte Winkler wiü'S auch so halten, der Astestor ist ein goldehrlicher, rechtschaffener Mann, dem kein Mensch etwas Böses nachsagt. Was — mit seiner Mutter vorging, kümmert mich und Gertrud wenig, kann auch auf seine eigene Ehre keinen Makel werfen Wenn ihn denn in den Tagen schwerer Prüfung meines Kindes Liebe trösten und beglücken kann — so sogen Sie ihm in Gottes Namen, daß sie von Stund an seine Braut ist uud nichts sie beide scheiden kann als der Tod."
„Treuer Mann," rief die Senatorin lebhaft , und reichte ihm die weiße, schlanke Hand, die er ehrlich drückte, „ich wußte es ja, daß Sie meinen armen Bruder nicht noch elender machen würden. Tausend Dank dafür und nun roch eine persönliche Bitte, an deren Erfüllung — gleichfalls viel hängt
Sie zog aus der Tasche ihres Gewandes einen Brief und reichte denselben dem Buchhalter.
„Würden Sie dies Schreiben in einen Briefkasten befördern?" frug sie unsicher, als fühle sie sich bei einem Unrecht ertappt, „es muß noch heute ankommen, sonst geschieht ein großes Unglück."
Ein Schatten flog über des Alten Gesicht, er sah die Adresse: „An Herrn Hauptmann von Bieberstein" und vernahm im Geiste abermals Frau von Trahlows Stimme: „Wenn meine Tochter gewollt, konnte sie Freifrau von Bieberstein werden, doch sie brachte ihrer Kindesliebe das Opfer — einen simplen Kaufmann zu heiraten!"
Was sollte das bedeuten? Stand Frau Nora hinter des Mannes Rücken in Verbindung mit jenem ehemaligen Bewunderer? Konnte sie denselben heute wirklich noch bevorzugen? Aber er hatte kein Recht zu fragen, er mußte gehorchen, denn er war nur der Diener — und er that eS mit schwerem Herzen. Wie Feuer brannte der Brief in seiner Hand, als er die Treppe binab stieg, um in'S Kontor zu gehen, da plötzlich öffnete sich die Thür deS Chefs und er selbst trat heraus.
„Was haben Sie da für einen Brief, bester Winkler? Sie suchten mich gewiß oben?"
„Nein, — die gnädige Frau —"
„WaS wollte meine Frau? Geht eS Herrn von Trahlow schlechter?"
«Ich glaube nicht — ich sollte nur — den Brief besorgen."
„Geben Sie her, Winkfi'-, ich gehe aus und kann die Bestellung machen."
Winkler zögerte sekundenlang, dann, als sein Chef ihn erstaunt und mißtrauisch on- sah, reichte er daS elegante Couvert hin. Vollständig unbefangen ergriff eS van der Huylen und warf einen Blick auf die Adresse „da wich mit einem Male alles Blut aus seinem Gesicht, er wankte und mußte sich am Thürpfosten halten, nm nicht zu sinken. — (Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Seinen schlechten Witz mußte ein vorlauter, nicht gerade geistreicher Berliner Geschäftsreisender dieser Tage zu seinem Erstaunen noch bezahlen. Er kam zu Beuchen in eine Konditorei und verlangte mit lauter Stimme, so daß die Gäste es hören mußten, einen — sauren Hering mit Schlagsahne. Als der Kellner ihn verdutzt ansah, wiederholte er den Auftrag: „Hören Sie denn nicht? Einen sauren Hering mit Schlagsahne sollen Sie mir bringen; aber etwas plötzlich." Der Kellner verschwand stillschweigend, nach kurzer Zeit kehrte er wieder und brachte dem Gast, der sich bis dahin im Bewußtsein eines geistreichen Witzes stolz umgesehen hatte und neugierig der Dinge wartete, die nun erfolgen werden, den verlangten sauren Häring, hübsch mit Zwiebeln garniert und reichlich mit Schlagsahne begossen. Nun war der Berliner verblüfft. Noch mehr aber ärgerte er sich über seine Niederlage, als er unter dem Hohngelächter der Gäste für den sauren Härung mit Schlagsahne noch 75 --f zahlen mußte.
— Ein schlechter Scherz. In Bourg- Saint-Andvol unweit Privas wettete ein Fleischer, daß ec mit dem Eigentümer einer dortigen Jahrmarkt-Menagerie in den Zwinger des Löwen dringen, eine Partie Karten spielen und eine Flasche Champagner leeren wolle. Gesagt, gethan. Nachdem der Bändiger und der Fleischer in der Nähe drr drei Löwen gespielt und getrunken hatten, stimmte der letztere noch ein Lied an. Er hätte seine Wette gewonnen, wenn er nicht so unvorsichtig gewesen wäre, einem der Löwen eine Chawpagnerflasche unter die Nase zu halten. Nun fiel die Bestie über ihn her, warf ihn zu Boden und richtete ihn so übel zu, daß der Bändiger ihn nur mit Mühe aus mehreren Wunden blutend befreien konnte.
(Ein vorzüglicher Stoff.) Das ist aber doch unerhört. Kaum vier Wochen trage ich diesen Anzug, und schon ist die Farbe ganz verschossen, sodaß er vollständig graugelb auSschaut." — Kleiderhändler: „Gott über de Welt, was machen Se for e Ge- seiereS! Werden de Leite glauben, Gehaben jetzt e fainen Khaki-Anzug und wollen gehen nach China I"
(Ein ehrlicher Finder.) „Angeklagter, warum haben Sic denn das Portemonai mit den 23 Mark Inhalt, welches Sie am Abend gefunden, nicht sogleich auf der Polizeiwache abgegeben?" „ES war schon zu spät, Herr Assessor I „Nun, warum gaben Eie es denn da nicht am folgenden Tage ab?" „Ja, da war nix mehr d'rinn Herr Assessor I"
Brdaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmauu in Wildbad.