heimliche Liebe
Roman von Helene Voigt.
15) (Nachdruck verboten.)
„Deine Hand van der Hvylen, daß Du nicht mit Nora sprichst — ehe ich wieder hier bin.«
„Nein, ich will sie nicht eher aufsuchen. Sage im Vorbeigehen, ich sei nach der Börse gegangen — mir Frau von Trahlow jetzt zusammenzutreffe» ist mir nicht möglich."
Sie reichten sich ernst und traurig die Hand, dann ging der Assestor hinaus, in tiefes Nachdenken versunken. Wer war wohl schlimmer daran, er oder Albrecht van der Hnylcv?
Zwischen beider Herzensglück halte sich die intrigante Frau gedrängt und zwar mit Erfolg; sollte ihr dunkles Werk gelingen?
Bon drüben herüber klang Sporengeklirr und SLbelrafseln, Hauptmann von Bieberstein trennte sich soeben von einigen Kameraden und kam auf Trahlow zu.
„Guten Tag, Herr Assessor," rief er lustig, „freue mich, Sie zu treffen. Ist Ihre Frau Mutter abgereist?"
„Sie will soeben zur Bahn fahren," er- wiederte Lothar einsilbig, ihm war der Mann zuwider.
„Ach so, da werde ich Sie bis zum Bahnhof begleiten."
„Sehr gütig. Ich gehe aber nach meiner Wohnung."
„Um so bester. Ich möchte so wie so mit Ihnen über eine Angelegenheit verhandeln, die — etwas delikater Natur ist und von Frau von Trahlow angeregt wurde."
Mißtrauisch blickte der Assessor auf den Hauptmaiin, welcher seinen Arm genommen hatte und eine Cigarette rauchte.
„Was könnte das wohl sein, Herr von Bieberstein, ich habe wirklich keine Ahnung."
„Hm, ich weiß i» der That nicht recht, wie die Sache einkleiden , lieber Trahlow I Ist Ihre Frau Schwester glücklich?"
Die Frage kam so Völlig unerwartet und war sehr eigentümlich, daß Lothar unwillkürlich stehen blieb. „Wie meinen Sie das, Herr Havptmann?"
„Nun, wie ich sage. Lbi Frau van der Huylen mit Ihrem Gemahl glücklich? Es War ja damals eine vollständige Vernunfts- Heirat und Ihre Frau Mutter versicherte mir" —
„WaS hat sie gesagt?" rief der Assessor so heftig, daß die Reihe des Erstaunens nun an Bieberstein war.
— „Daß beide Gatten kühl und gleichgültig nebeneinander hinleben und No — die junge Frau nichts heißer wünschte, als die lästigen Fesseln abstreifen zu dürfen," fuhr er fort, „sie thut mir unbeschreiblich leid."
Ah, mein Herr Hauptmann, es ist wohl sehr gütig, daß Sie solch lebhaftes Interesse an den Meinigen nahmen, doch versichere ich Sie, daß eS vollständig überflüssig ist. Mein Schwager liebt seine Gattin, trotz der von Ihnen betonten „Koavcnienzehe" und trägt sie auf den Händen und auch meine Schwester erwidert diese Gefühle."
„Aber Frau von Trahlow hat mir betont" —
„Mein Herr von Bieberstein, wenn ich bei der Wahrheit bleiben soll, so kann ich Ihnen nur mein Ehrenwort geben, daß dem
so ist, alles andre, waS man Ihnen sagte, ist böswillige Verleumdung."
„Herr Ass stör, Sie ziehen die Worte Ihrer Frau Mutter in Zweifel?"
„Allerdings — nähere Auseinandersetzung bitte ich, mir zu erlassen."
„Haha ! Sie wissen wohl nicht, daß ich Frau von Trahlow b>ss r kenne, als sie es thun."
Der Ast. stör machte sich von Biebersteins Arme los und trat zurück: „Wie meinen Sie das, mein Herr?"
„Es ist eine lange Geschichte," lachte der Osfizier spöttisch, „und ich fürchte der Januar, abend wird uns auf die Dauer zu kalt. Treten wir in dieses Restaurant bei einem Glase Bier plaudert es sich angenehmer."
Wie im Traume folgte Lothar dem Voranschreitenden; ein Alp lag auf seiner Brust, er wußte, daß er jetzt etwas entsetzliches erfahren würde. Das Restaurant war nicht sehr besucht, aber eine dunstige Atmosphäre herrschte drinnen, durchzogen von Biergeruch und bläulichen Rauchwolken; Bieberstein mußte hier genau bekannt sein, er winkte der K-llncrin g'üßend, schritt dann zu dem entferntesten Tische und zog sich einen Stuhl vor.
„Hier sind wir ganz ungehört, bester Assessor, wollen Sie Kulmbacher oder Pilsener Bier?"
„WaS sie wollen, Havptmann," entgegnet« jener finster, „nur spannen Sie mich nicht so auf die Folter."
Aber erst als die lächelnde Hebe ihnen die Biergläser gebracht und sich zurückgezogen hatte, begann Bieberstein zu reden: „Lieber Trahlow, will mich nicht mit abgeschmackten Entschuldigungen aufhalten, will auch keineswegs mich best-r machen, als ich bin, denn meine heutigen Enthüllungen sind ein Akt der Rache an jener Frau, deren Lügen mich ein zweites Mal betrogen. Früher bewarb ich mich lebhaft um Fräulein Nora, die auch mir nicht abgeneigt schien; ihre Mutter teilte mir flüchtig mit, sie werde einst sehr reich sein, und da ich, wie ja ein jeder Offizier, auch mit der Pccunia rechnen muß, so schien sich alles glatt abzuwickrln."
„Insofern ja," unterbrach ihn Lothar düster, „als Sie meine Schwester in den Mund der Leute brachten; ihr Herz blieb glücklicherweise noch unberührt, nur ihrer Eitelkeit schmeichelte die Huldigung eines so gewandten Kavaliers."
„Lk biso, als ich dann erfuhr, die junge Dame habe kein Vermögen z» erwarten, geriet ich in Verzweiflung, eilte zu deren Mutter und machte ihr bittere Vorwürfe, mich so schwer getäuscht zu haben; hohnlachend, achselzuckend antwortete sie mir, Nora sei so gut wie verlobt an einen reichen Kaufherrn — ich könne ja, sobald sie verheiratet sei, meine Kourmachereien fortsetzen."
Trahlow biß sich auf die Lippen, das hatte seine Mutter jenem Eienden zu sogen gewagt! Und er mußte hier sitzen und denselben anhören, um vielleicht noch viel schlimmere Sachen zu erfahren I
„Aber ich will nicht zu sehr Detail malen," fuhr Bieberstein sarkastisch fort, „mein eigenes Thun und Lassen kommt hier nicht in Betracht; sie wissen, daß ich im Herbste, ehe mein Kommando begann, einen mehrwöchentlichen Urlaub antrat. Ich ging nach Wiesbaden und knüpfe an meine dor
tigen Erlebnisse an, welche Sie, Herr Astestor, interessieren dürften."
Das höhnische Lächeln, der stechende Blick des Haupimanns trafen den jungen Mann wie Keuienschiäge, alles Blut schoß ihm in's Antlitz, sein Atem stockte, aber er vermochte kein Wort hervorzubringm.
„Ich traf natürlich in Wiesbaden viele Kameraden, die teils die Kur brauchten, teils sich nur amüsierten, waS wollten wir den ganzen Tag beginnen, es war mitunter recht langweilig.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes. *
— Im Genfer Gerichtsgebäude erzählten sich gestern nach dem „Bund" die Advokaten folgendes Geschichtchen. Ein Zeitungsverkäufer — nennen wir ihn Z. — hatte vor einigen Monaten seine Frau in der Gesellschaft eines jungen Italiener gesunden. Er klagte auf Scheidung und daS Ztvilgericht hat ihm vor einigen Tagen Recht gegeben. Als Z, seine Wohnung wieder betrat, fand er seine reuig», aber nunmehr geschiedene Frau. T'cf bewegt sagt er zu seiner ehemaligen Ehehälfte: „Meine Frau kannst du nicht mehr sein, aber wenn ou bei mir als Dienstbote bleiben willst, so will ich dich behalten." Die Frau sagte nicht nein. Darf der Italiener jetzt aber auch wieder kommen?" — «3°, gewiß, ich habe nichts mehr dagegen, wir sind ja geschieden," crwiedcrte der gutmütige Mann.
— Excentrische Festlichkeit. Als neuestes, epochemachendes Ereignis dürfte in den amerikanischen Milliardärskreisen ein Herbstball gelten, den Mrs. Stuyvesandt Fish dieser Tage auf ihrem Landsitze zu Newport, Rhode Island, ihren Intimen gegeben hat. Auf den Einladungskarten war der Vermerk enthalten, daß es dem Charakter des geplanten Festes angemessen sein würde, wenn sämtliche Geladenen in Bauerntracht erscheinen und ein beliebiges Erzeugnis ihrer Farm als Angebinde für die Wirtin mitbringen würden. DaS Resultat dieses Arrangements ging denn auch über alle gehegten Erwartungen noch weit hinaus: die „Phantaste- baucrn" erschienen mit Enten, Gänsen, Kücken, Truthühnern und sogar mit Saugferkelchen unter den Armen und schneeigen Lämmchen an seidener Leine und wenn es einem der Tierchen gelang, seinen Fesseln zu entschlüpfen, so trug ein solches Intermezzo nicht wenig zur allgemeinen Erheiterung bei.
— Ein weiser Mann. Jüngst starb zu Manila In hohem Alter ein Domiikaner- Pater, den einige Zeit vor seinem Tode seine Gemeindemiiglieder gebeten hatten, er möchte seine Eindrücke und Beobachtungen über den Charakter und die Sitten der Filipinos schriftlich niederlegen. Der Pater willfahrte der Bitte unter der Bedingung, baß sein Manuskript bis nach seinem Tode in seinem Schreibtisch verschlossen bleibe. So geschah es, aber schreibt die „Jndspedance Beige", man fand nichts als ein Bündel von ungefähr 100 Blättern unbeschriebenes Papier. Auf dem ersten Blatte stand der Titel: „Charakter, Gewohnheiten und Sitten der Filipinos" und auf der letzten Seite konnte man die Worte lesen: „Dies ist nach vierzigjährigem Studium alles, was ich von den Eingeborenen der Philipinen weiß."
jlkbaktioy, Dirrck und Verlag von Brrnh. Hosmsun in Mldbad,