Aeimlrche Liebe
Roman von Helene Voigt.
10) (Nachdruck verboten.)
Es war Weihnachten geworden, allüberall rüstete Jung und Alt sich zu dem schönsten aller Feste, schon standen die grünen Tannen- bäume in den Stuben, die Kinder probierten WeihuachtSlieder und Kuchenduft zog durch das HauS.
Auch im alten van der Huylen'schen Se- natorenhause ging's lebhaft zu, trotz Frau von TrahlvwS indigniertem Kopfschütteln. Nora stand in der Küche, das liebliche Ge- stchtchen rot vor Eifer, eine weiße Schürze vorgebunden und hals der Köchin beim Backen der Weihnachtsstollen; ihr Herz pochte höher, als Albrecht im Vorübergehen ihr zugerufen hatte: »Ei so fleißig! Ich freue mich auf Deinen Stollen, liebe Nora!"
Ach, das Beisammensein mit der Mutter erkältete die Beziehungen des jungen Paares immer wieder von neuem und die junge Frau ertappte sich oftmals bei dem Wunsche: „wäre ich doch wieder allein mit ihm."
Frau von Trahlow kam, die lange Schleppe ihres Morgenrockes hochaufgenom» men, an die Küchenthür, schaute hinein und schüttelte mit verächtlich herabgezogenem Mundwinkel den Kopf.
„Himmel, liebes Kind, wie spießbürgerlich, sich selbst mit dem Backen zu befassen. Du scheinst hier nach und nach recht sonderbare Gewohnheiten anznnchmen."
„Ich bin auch eine bürgerliche Frau von Bremen geworden, Mama," lautete die gelassene Antwort, „und eine sehr stolze dazu, wie eS einer Senatorin zukommt. All die rcichgeschmückten van der Huylenfchen Frauen, deren Bilder droben tm Ahnensaale hängen, waren tüchtige Hauswirtinnen, und ich will ebenso werden wie sie."
Die Dame zuckte vornehm mit den Schultern und rauschte davon, vor der Köchin wollte sie keine lange Auseinandersetzung halten, doch fand sie es empörend, daß ihre einzige Tochter so ganz ihre altadelige Abstammung verleugnen und sich mit jenen Krämersrauen in eine Linie stellen konnte — Langsam ging sie hinüber in den Salon, wo man den Weihnachtsbaum ausgestellt hatte. —
Gertrud Winkler hatte sich die Vergünstigung ebeten, die Krippe zu Füßen der Tanne aufbauen zu dürfen, doch bat Nora zugleich, auch den ganzen AuSputz der Tanne zu übernehmen, da sie sonst keine Zeit finden werde. Daheim war das Bäumchen geschmückt, der Vater im Kontor und so kniete denn das junge Mädchen stillfelig am Boden, um die Krippe aufzusiellen.
ES waren wunderfeine Wachsfiguren, zierliche Bäume und hoch droben, in den obersten Tannenzweigen befestigt, schwebte der goldene Weihnachlsstern mit der köstlichen Verheißung: „Siehe, ich verkünde Euch große Freude, denn Euch ist heute der Heiland geboren." Dann begannn sie den mächtigen Baum mit Watte zierlich zu bestreuen und Silberfäden darüber fliegen zu lasten, damit eS aussehe, als sei wirklich eine Tanne mittten aus dem eisigen Winter hier herein versetzt. Hoch droben schwebte die Engelschar, feine Wachsfigürchen, die an schwankenden Fäden befestigt worden.
DaS junge Mädchen stand unwillkürlich
stille, als sie einige Zweige fertig geschmückt hatte und schaute mit gefalteten Händen auf ihr Werk; eine feierliche Regung kam über sie, ihr Auge ward feucht und die Lippen flüsterten leise: „Ich bin nicht wert all des Glückes, das mir beschicken ist I"
Langsam öffnete sich drüben die Thür, und Frau von Trahlow trat herein, die Lorgnette vor'S Auge haltend und mit mon- chalantem Blick das junge Mädchen musternd.
„Was thun Sie denn hier, meine Liebe?" frug sie hochmütig, „hat meine Tochter Sie beauftragt, den Baum zu putzen I Wer sind sie eigentlich?"
„Jawohl, gnädige Frau," lautete die höfliche Antwort, „ich bin Gertrud Winkler, mein Vater ist Buchhalter bei Herrn van der HuylenS."
„Ach, ich errinnere mich, deshalb zog meine Tochter Sie in ihre Umgebung. Ich hoffe, Sic werden sich dieses Vertrauens würdig erweisen."
Gertrud schaute etwas erstaunt die herablassende Dame an, Nora hatte sie völlig wie eine gleichgestellte Freundin behandelt und nun drückt sie Frau von Trahlow aus denselben Standpunkt wie etwa Köchin oder Kammermädchen herab.
„Ich bin sehr gern bei Frau van der Huylen," gab sie etwas kühl zurück, „eS ist eine selten liebenswürdige und taktvolle Dame, welche den gesellschaftlich unter ihr Stehenden niemals die Grenze merklich macht."
Ein unendlich hochmütiger Blick der Dame bewies, daß sie Gertruds Worte richtig verstanden, dann wandte sie sich wieder zur Thür und sagte^kühl: „Frau van der Huylen wird Ihre Arbeit dann besichtigen, liebes Kind, eilen Sie sich ein wenig, denn der Baum ist groß und die Zeit kurz."
Flammenden Auges schaute ihr das Mädchen nach. „Das ist Lothars Mutter," murmelte sie leidenschaftlich, „ihre Einwilligung zu unserer Verbindung verlangt mein Vater I Niemals, niemals wird sie dieselbe geben — sie kann mich, das bürgerliche Mädchen, nicht leiden und ich wiederum werde sie niemals lieben I O Gott, wie wird alles enden."
„Gut, mein Liebling, hoffen wir das beste," sagte etne wodlbekaunte, fröhliche Stimme und der Assessor trat hinter dem Tannenbaum hervor, wo er das vorherge- gangene Gespräch ebenfalls vernommen haben mußte, „laß den Mul nicht sinken, meine Gertrud, und das Gottvcrtrauen, vielleicht zünden wir überS Jahr den Christbaum schon im eigenen Heim an."
„Wolle Gott," hauchte sie, einen Moment den Kopf an seine Schulter lehnend, „aber
— ich glaube nicht an unser Glück, Lothar
— Ihre Mutter —"
Die Zornesader schwoll an seiner Stirn. „Sie soll eS nicht wagen, sich, wie bei Nora, zwischen mein Glück zu stellen."
„Frau von Trahlow kann mich nicht leiden."
„So wie sie Albrecht van der Huylen nicht mag. Laß mich handeln, meine Gertrud, unsere Liebe soll glücklich sein." —
Frau von Trahlow fand den heutigen Vormittag auffallend langwrilig und beschloß ein wenig spazieren zu gehen. In eleganter Winlertoilette verließ sie das Senatorenhaus und schritt hinüber nach den Parkwegen, die jetzt eine leichte Schneedecke zeigten. Eine
Weile mochte sie so weiter gegangen sein als sie plötzlich Hufschläge vernahm, und einen Offizier herongalvppieren sah; eS war Houptmann von Bieberstein, welcher als er sic erkannte, daS Tier zügelte und sogleich aus dem Sattel sprang.
„Ah, meine gnädige Frau," sagte er verbindlich , doch ein scharfer Psychologe hätte die Bosheit in seinem Blicke erkannt, „wie freue ich mich, Sie endlich einmal allein zu treffen! Ihre Frau Tochter befindet sich doch wohl?"
„Ich danke Ihnen, Herr Hauptmonn, Nora ist in praktische Weihnachtsvorbereit. ungen vertieft, sie bäckt mit ihrer Köchin Kuchen."
„Welch eine Freude, daß sie das schöne Fest hier verleben und nicht in Wiesbaden — in der Villa Blanko!"
Dir Dame verfärdte sich auffallend, un« gläubig schaute sie ihren Begleiter an, doch der zeichnete mit der Reitgerte Hieroglyphen in den Schnee.
„Ich glaube, Sie irren sich, Herr Hauptmann, meine Wohnung in Wiesbaden liegt" — —
„Gewiß, meine Gnädigste, ich weiß natürlich auch wo Sie wohnen, kenne überhaupt die sämtlichen Verhältnisse des schönen OrteS, öffentliche und geheime —"
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Ein braver Mann. Eine interessante Anzeige finden wir im „Kotzenauer Stadt- blatt"; sie lautet:
Noch nie dogewesen!
Da ich mich freiwillig auf die Trinkerliste gemeldet habe, was in Kotzenau bis jetzt noch nicht dogewesen ist, so teile ich den hiesigen Gastwirten und Destillateuren mit, daß ich von heute ab für Getränke, die mir verabreicht werden,
nichts mehr bezahle.
Otto Richter.
So ist's recht, Herr Otto Richter!
— Die Nonne als Schmugglerin. Das „Luzcrner Tagblatt" berichtet: „Seit einiger Zeit fiel es dem Personal auf der Zollstation in Genf auf, daß so viele Schwestern aus den Klöstern der Umgegend passierten. Am letzten Mittwoch nun gewahrte Frau Fournier, welche die weiblichen Passagiere zu visitieren hat, eine Nonne von etwas sonderbarer Gangart. Sie lud sie ein, in ihr besonderes Zimmer einzutreten, und fand da versteckt in ihren — lasten wir das ungesagt — eine Quantität Zigarren und Tabak bester Qualität. Die fromme Schmugglerin erklärte, die Ware sei für einen wohlthätigrn Zweck bestimmt, konnte aber diesen nicht angeben und mußte den Vorrat zurücklassen, sowie eine Strafe von 100 Franken erlegen."
— Originelle Aufforderung. Im „Oet- linger Amts- und Anzetgeblatt" findet sich folgendes Inserat: „Eine größere Gesellschaft von Damen sucht für nächsten SamStag nachmittag einen Herrn zur Begleitung bei einem Ausfluge. Schneidige Metzger, die flhr gern« unter besseren Familien verkehren, werden bevorzugt."
.-. (Auszeichnung.) Gast (dem wiederholt sehr hartes Fleisch vorgeseht wurde): „Wenn Sir so fortmachen, Herr Wirt, werden Sie gewiß noch zum Ehrenmitglied des Vereins der Zahnärzte ernannt!"
Redaktion, Druck und Verlag von ver nh. Hosmann in Wildbad.