Heimliche Liebe
Roman von Helene Voigt.
8) (Nachdruck verboten.)
Die schöne, junge Senatorin ein gefeiertes Lieblingskind der ganzen Gesellschaft, ward sogleich von allen Seiten umringt, angesprochen, angerufen und hatte nur fortwährend zu thun, all diese Worte zu erwiedern; freilich war es ihren Augen nicht entgangen, daß dort hinten an der Würfelbnde Havpt- mann von Biebersteins Gestalt auftauchte und sein flammender Blick auch sie bemerkte. So war er wieder zurück! Die junge Frau fühlte wie sich ein Alp auf ihre Brust legte, die letzten beiden Monate, wo der elegante Offizier zu einem Kommando nach Wesel berufen gewesen, erschienen ihr unglaublich rasch vergangen, jetzt kehrte die alte Angst vor seiner Aufdringlichkeit, und Albrechts schrecklicher Eifersucht zurück in ihr Gemüt?
O, wenn ihr Gatte doch hier wäre, wenn sie an seinen Arm flüchten könnte, denn Lothar war zu sehr mit Gertrud beschäftigt, um für sie ein Schutz zu sein.
So suchte sie denn hastig die verschiedensten ihr völlig gleichgültigen Bekannten aus, betrachtete die Sachen an den verschiedenen Tischen und begann überrall lebhafte Unterhaltungen, nur mit dem einen heißen Wunsch in der Seele: „Wäre doch Albrecht hier."
Lothar und seine Begleiterin suchten wiederum die leersten Tische im Saale auf, um ein ungestörtes Wort miteinander reden zu können: ihre Herzen waren so voll, sie sahen niemand als nur sich allein.
„Und ste haben wirklich mitunter an mich gedacht, Fräulein Gertrud?" frug Trah- low leise, während er einen Kupferstich in die Höhe hob, scheinbar, um ihn besser betrachten zu können.
„Ja," hauchte ste befangen, „sehr—oft — besonders am Abend —"
„Werden Sie mir glauben, wenn ich Ihnen sage, daß ich Sie selbst im Traume so lebhaft vor mir sah wie eben jetzt?"
„Oh Herr von Trahlow —"
„Gertrud, daß ich Sie liebe, müssen Sie längst wissen, schon vor meiner Abreise las ich in Ihren Augen, daß auch ich Ihnen nicht gleichgültig sei — oder hätte ich mich getäuscht?"
Das junge Mädchen beugte sich tiefer über das Blatt in ihrer Hand, dunkle Glut färbte ihr Gestchtchm, aber ste antwortete nicht, nur der Atem kam unruhig aus ihrer Brust.
„Gertrud, haben Sie kein Wort — keinen Blick für mich?"
Sie kämpfte noch einen Augenblick, dann schaute ste zu ihm auf, wortlos zwar aber voll inniger Liebe — und es genügte ihm I Leidenschaftlich preßte er die kleine Hand in die scinigen, dann trat er einen Schritt zurück, um anderen Personen Platz zu machen.
„Ach, lieber Trahlow, finde ich Sie hier. Wie freue ich mich, bin erst gestern Abend von meinem Kommando zurückgekehrt und habe noch nicht die nötigen Besuche machen können. Aber es freut mich, daß ich die alten Bekannten wohl auf treffe. Ihre Frau Schwester ist auch hier?"
„Ja, Herr, von Bieberstein. Ich bin auch erst gestern von meinem Kommissiorium wieder gekommen, welches mich längere Zeit in der Residenz fest hielt."
„EI, sehen Sie, so wird wohl die feste Stellung bald hinterdrein kommen."
„Ich hoffe es, Herr Hauptmann I Ergebener Diener, gnädige Frau, wie geht es Ihnen?"
Gertrud Winkler war langsam weiterge- schritten bis zu Nora, welche in nervöser Unruhe ihren Arm ergriff und ihr zuraunte: „Haben Sie genug gesehen, Kleine, ich möchte nach Hause gehen, denn mein Mann kommt doch nicht."
Sie waren glücklich bis an den Ausweg gelangt, Lothar holte sie ein, aber da plötzlich stand auch Hanptmann von Bieberstein vor den Dawen und rief, sich verbeugend: „Meine gnädige Frau I Wie freue ich mich, Sie nun doch noch begrüßen zu können, ich glaubte schon, es werde mir nicht mehr gelingen."
Frau van der Huylen schien wie versteinert in Unnahbarkeit, ste neigte kühl das schöne Haupt und sagte ruhig: „Ich sah Sie allerdings schon vorhin im Saale und war erstaunt, daß Ihr Kommando bereits abgelaufen sei; cs können doch unmöglich schon so lange Wochen sein, seit ich Sie zuletzt sah. Mir ist die Zeit sehr rasch vergangen."
Er lächelte sarkastisch und ging ruhig an ihrer Seite, als Gertrud und Lothar etwas zurück blieben:
„Gnädige Frau, weshalb strafen Sie mich so grausam, indem Sie mir sagen, Sie hätten mich nie vermißt."
„Es ist die Wahrheit, Herr von Bieberstein. Ferner stehende Bekannte vermißt man nicht oft im Strudel der Welt."
„Und gehöre ich denn zu den „ferner stehenden Bekannten", gnädige Frau? Ich denke, es gab eine Zeit, wo wir beide anders fühlten."
Lassen Sie die Vergangenheit ruhen, Herr von Bieberstein," unterbrach die junge Frau ihn schroff, „ste ist für mich völlig tot und wird nicht mehr auflebcn, das können Sie versichert sein."
„Nora, wenn Sic wüßten, daß Ihre Worte meine Seele wie Geißelhtcbe verwunden —"
„Herr Hauptmann, muß ich Ihnen denn immer die Stellung markieren, die Sie einer verheirateten Frau gegenüber einzunehmen haben ?"
„Meine gnädige Frau, Sie haben zu befehlen," erwiederte er spöttisch, „freilich bewundere ich die konsequente Selbstbeherrschung womit Sie die Maske einer — liebenden Gattin festhalten, denn ich weiß durch Ihre Frau Mutter, — daß Ihr Herz anders denkt, als Ihr Mund spricht."
„Meine Mutter! Großer Gott, Herr Hauptmann, was wollen Sic damit sagen»"
Nora war tief erblaßt, ste zitterte wie Espenlaub und bemerkte nicht, daß ihr eine hohe, dunkle Gestalt entgegenkam; als plötzlich ihres Gatten ernste Stimme ihr Ohr traf, entrang sich ihrer Brust ein halb schluchzender Ausruf und ste streckte ihm beide Arme entgegen.
„Wie gut, Albrecht, daß Du kommst," rief ste tonlos, „ich habe Dich schon lange erwartet."
Van der Huylen fühlte wohl, wie die kleine Hand zitterte, welche sich auf seinen Arm lehnte, er hörte die angstvolle Stimme, aber dennoch flüsterte der Dämon der Eifer
sucht in seiner Seele ihm zu; „Sie haben Dich getroffen und erschrocken über Dein Kommen. Sie liebt ihn, denn er ist ihr ebenbürtig — und Du bist nur ein bürgerlicher Kaufmann, dem das hochgeborne Fräulein ihren Jugendtraum opferte, weil er Gold besaß!«
Auffallend kühl war denn auch die Stimme, als er antwortete, er sah nicht den bittenden Blick seines jungen WeibeS, wollte nicht bemerken, wie ste sich an ihn anklammerte — es war ja alles nur Maske und Vorstellung und das Glück, welches ihm in den letzten Wochen aus der Tiefe der Rehaugen entgegengelcuchtet, sank zurück in unerreichbare Fernen.
(Fortsetzung folgt.)
Zu seiner kleinen Werkstatt fast.
In seiner kleinen Werkstatt saß Noch fleißig Meister Klaus,
Und leise hallt sein Hammerschlag Durchs abendstille Haus.
Im Erker sitzt das Mütterlein Im weißen Haar und spinnt,
Auf ihre nimmermüde Hand Manch' heiße Thräne rinnt.
Sie denkt des Sohnes in der Fern';
O, daß ihn Gott behüt',
Wenn er so froh und wohlgemut Hinaus zum Kampfe zieht.
Zu seinem Bild dort an der Wand Stiehlt sich ein Sonnenschein.
Da pocht' eS leise an die Thür,
Ein Bote tritt herein.
Der alte rückt die Brill' zurecht:
Von meinem Sohn ein Brief,
Den nach dem fernen Meeresstrand Zum Schutz sein Kaiser rief?
„Grüß' Gott, Herr Meister, 's ist nicht'S
Guts,
Was ich Euch sagen muß:
Der Michel, der liegt tot im Feld Dort an dem Peihofluß I
Bei Tientsin dort focht er mir Im heißen Feuerbrand,
Und dort starb er den schönsten Tod — Den Tod für's Vaterland."
„Mein Jung, mein Jung, mein lieber Jung",
Die Alte weint und schreit,
„Mein stolzer Jung, mein Kind ist tot, Mir bricht das Herz vor Leid I"
„Sei still mein Weib, sei still, sei still —" Er bebend zu ihr spricht.
„Der Michel starb für Deutschland Ehr' Als Opfer seiner Pflicht.
Und ruht er auch im fremden Land,
So fern den ew'gen Schlaf,
In unserm Herzen lebt er fort,
Der Michel der war brav.
Wenn alles uns verloren geht,
So ist's mit Gottes Will' I Mein Michel starb für's Vaterland;
Halt still, mein Weib, halt still."
Merks.
Wenn man reich ist, hat man Verwandte aller Grade, den Armen kennt niemand.
Sirdaktion, Druck und Bcrla« von Bernh. Hofmann in Wittbad.