KeimLiche Liebe
Roman von Helene Voigt.
7) (Nachdruck verboten.)
„Ich freue mich unbeschreiblich darauf/ meinte das junge Mädchen strahlend, „die gnädige Frau hat schon im letzten Jahre alles so allerliebst aufgebaut und dies Jahr soll eS ebenso sein -
„Kommt denn Frau von Trahlow wieder her?"
„Ich glaube und möchte eigentlich fast sagen leider, denn Herr van der Huylen ist in der Zeit gänzlich verändert, daß es einem leid thun kann."
„Ja, ja, den Sommer, als sie die acht Wochen da war, gab's auch nichts wie Zank und Unfriede und die junge gnädige Frau lebte erst wieder auf, nachdem die Mama abgereist."
„Ich kann sie nicht leiden," murmelte das Mädchen stockend, „wenn sie einen an. steht mit den stechenden Augen oder wenn sie so scharf auflacht, dann weiß man es genau, daß sie es nicht gut meint."
„Ja, ja, sic hat Sohn und Tochter gut am Zügel, keines von den beiden wagt der Mutter entgegenzuhandeln."
„Sie lebt, glaublich, sonst in Wiesbaden und mich geht cs auch nichts an, doch habe ich mir oft gedacht, wenn sie erzählt, daß ihre Tochter des Geldes wegen heiraten mußte, wie es dann kommt, daß sie selbst in Begleitung einer Jungfer und mit höchstem Luxus umherreist, die elegantesten Toilettten trägt uud das Geld nur so ausstreut."
„Hast recht, Gertrud," nickte der alte Mann, „das ist auch mein Gedanke gewesen, aber solch vornehmen Leuten gegenüber darf man nichts sagen» und die Dame steht mir ganz so aus, als ob sie zweimal erst sür sich und dann für die Kinder sorgte."
„Ich meine, ihre Kinder lieben sie auch nicht."
„Magst wieder Recht haben, Kind," sprach der alte seufzend und faltete das Zeit- ungblatt zusammen, „denn Sohn und Tochter sind kreuzbrave, liebe Menschen, denen man viel Glück wünschen möchte. Sie Habens noch nicht erlangt, trotz Geld, Name und Stellung, aber später erringen sie eS gewiß noch, denn Gott ist gerecht."
„Ich habe die gnädige Frau sehr lieb," flüsterte Gertrud träumerisch, ihre Gedanken schweiften zu dem Geliebten, sie meinte ihn ebenso gut mit den Worten.
„Ja, sie ist eine liebe, prächtige Frau, der nur eins noch fehlt, das Vertrauen in ihren Mann; er könnte nicht anders sein, als er ist und er liebt sie, aber freilich, wenn er immer hören muß, daß man ihn, den bürgerlichen Kaufmann» nur des Geldes halber wählte, so kann man sich denken, wie das empfindlich weh thut."
„Die gnädige Frau sagt es gewiß nicht, Vater."
„Nein, aber sie spricht ihm nur von Dankbarkeit, die sie gegen ihn empfindet und auch das genügt meinem lieben Herrn Senator nicht."
„Aber der Herr Assessor steht sich mit seinem Schwager gut?"
„Jawohl, sehr gut, ich denke manchmal eS würde ihm gelingen, die Schwester etwas zu ändern, doch will er nicht die Kastanien
aus dem Feuer holen, ist auch wohl mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt."
Gertrud ward purpurrot und beugte sich tiefer auf ihre Kärtchcn herab, der Bater sah es wohl, sein Gesicht ward trübe, aber er sagte nichts. Lothar von Trahlow war seit beinah acht Wochen in der R-sidenz, um ein ihm übertragenes Notariat zu vertreten, darauf hin hoffte er auch bald eine neue Anstellung zu erhalten. Van der Huylen hatte dem treuen Diener mit Handschlag versichert, Lothar werde allein Gertrud heiraten, daß derselbe es nun auch glaubte, denn der Chef war die Wahrhaftigkeit selber. —
Draußen klingelte eS an der Entreethüre und Gerdrud ging nachzusehcn, wer wohl käme, denn es war beinahe ö Uhr; gleich darauf hörte der Vater einen heiteren Ausruf und die Worte: „Ich komme, um sie in den Bazar abzuholen, liebe Gertrud, machen Sie sich zurecht l"
ES war Frau van der Huylen, frisch, rosig und lieblich wie immer trat sie in das Zimmer, drückte Herrn Winkler freundlich auf seinen Stuhl zurück und erklärte ihm ebenfalls den Grund ihres Kommens.
„Sie haben doch nichts dagegen?" frug sie lächelnd, „mein Mann kommt vielleicht nach und ich möchte nicht allein in die Weih- nachtSausstellung gehen, so holte ich mir Ihre Gertrud."
„Sie sind so freundlich, liebe gnädige Frau."
„Aber ich bitte Sie, Herr Winkler! Denken sie nur, Herr Winkler, welche Freude wir heute erlebten, Lothar kam unerwartet zurück, mit der Aussicht, schon eine Amtsrichterstelle zu erhalten."
„Ei, da kann ich Ihnen gratulieren, gnädige Frau, der Herr Ast-stor ist ein rechtschaffener, tüchtiger junger Mann, der im Leben schon forlkommen wird."
„Sie wissen dock ebenfalls, Herr Winkler, welch' herzliche Wünsche mein Bruder an diese Anstellung knüpft?" mit herzlichem Lächeln reichte sie ihm die Hand, die er treuherzig in der seinen drückte.
„Ach, gnädige Frau, ich weiß es freilich und möchte auch meinem einzigen Kinde das Glück seiner Liebe gönnen, aber wenn der Herr Assessor auch noch ehrliche Absicht hegen sollte, so muß er doch die mütterliche Erlaubnis zu der Ehe besitzen, sonst — geht es nicht I Ich kenne die gnädige Frau von Trahlow ziemlich gut."
Es war gut, daß die entretende Gertrud dem etwas peinlich werdenden Gespräch ein Ende machte, Nora erwiderte nur schweigend den Blick uud Händedruck des Alten, dann wandte sie sich zu dem jungen Mädchen: „Kommen -Sie, Gertrudchen, nicht wahr, Sie erlauben, daß ich Ihnen ein kleines Andenken an den Bazar aussuche?"
Erst auf der Treppe ließ Frau van der Huylen einfließen, daß ihr Bruder gekommen sei, wohl merkte sie, wie Gertrud verstohlen die Hand aufs Herz preßte, wie ihr Blick selig lächelnd gen Himmel flog, aber sie bewahrte ihre Diplomatie und zog ihre Begleiterin eilig mit fort.
Am Eingänge des Regierungsgebäudes, in welchem der Bazar abgehalten wurde, stand eine hohe Männergestalt in den Mantel gehüllt; beim Näherkommrn der Damen trat Lothar, denn er war es, ihnen wortlos entgegen
und ergriff die Hände der Geliebten, die sie ihm am ganzen Körper zitternd, überließ.
Nora schritt nach einem scheinbar unbefangenen: „Ach, Bruder Lothar, da bist Du ja I" voran und ließ dem jungen Paare Zeit,, sich zu fasten; drin im Saale war es ihnen denn auch gelungen, und sie schritten, stumm allerdings vor Bewegung, aber sonst unauffällig neben einander her.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Bon der Schlauheit eines Wirtes spricht folgende heitere kleine Geschichte. Ein Radfahrer-Verein, der Manches zur Verbesserung der Wegeverhältniffe in der Lüneburger Heide bcigetragen hatte, wollte an einer abschüssigen Stelle eine Warnungstafel anbringen losten. Der Fahrwart übersandte die Tafel zur Aufstellung an den Besitzer des Wirtshauses, das am Fuße des betreffenden Hügels liegt. Als er nach einiger Zeit die Strecke abfuhr, um sich von der Aufstellung der Tafel zu überzeugen, sand er sie nicht vor. Er fuhr nun ins Wirtshaus und stellte den Mann zur Rede: „Segg mal, Jochen, hest Du de Tafel denn ntch kregen?* „Ja, det hew ick." „Worüm hest Du se denn nich opstellt?" „Dat hew ick ook dahn, dor steiht se ja." Und richtig, draußen vor dem Hause, unmittelbar am Wege, stand die Warnungstafel mit der Inschrift: „Vorsicht, Radfabrer Absteigen!"
— Der HauSthorschlüssel des Lehrers.
Aus Leuischach in Böhmen wird eine ergötzliche Geschichte gemeldet: Der dortige OriS- schulrat hielt eine außerordentliche Sitzung ab, um zu beschließen, ob man dem Ansuchen des im Schulhause wohnenden Lehrers um AuSfolgung eines HauSthorschlüstelS willfahren dürfe. Der Herr Dechant wies darauf hin, daß ein Hauihorschlüstel eine Gefahr für junge Leute sei, und daß nicht ein- mal seine Herren Kavläne einen solchen hätten. Der Herr Oberlehrer teilte diese Ansicht, während der Bürgermeister und zwei andrre Mitglieder deS OrtsschulratS sür die Bewilligung waren. Sie blieben jedoch bei der Abstimmung in der Minderheit, denn mit sieben gegen drei Stimmen erkannte der OrtSschulrat, der HauSthorschlüssel sei eine Gefahr für den Lehrer. Daraufhin erklärten der Bürgermeister und seine beiden Anhänger ihren Austritt aus dem OrtSschulrat, indem sie gleichzeitig ihrem Bedauern Ausdruck gaben, daß man den Lehrern so wenig Vertrauen entgegenbringe.
.-. (Die erkannten Parvenüs.) Madame (zu einem stellesuchenden Dienstmädchen): „Haben Sie schon in feineren Häusern gedient?" — Dienstmädchen: „O ja, Madame, von mir können Sie was lernen."
.-. sJu der Verlegenheit.) Regierungspräsident (beim Besuch eines kleinen Land- städchens zum Feuerwehr-Kommandanten:) „Nun übt Ihr Verein auch recht fleißig?" — Kommandant: ,,O ja, Exzellenz, — eS brennt nur a' bisst z' wenig!"
.'. (Im Gerichtssaal.) Richter: „Sie geben also zu, in das Komptoir des Stellenvermittlers Meier nächtlich eingebrochen zu haben?" — Angeklagter: „Jawohl, Herr Richter, das geb ich zu, ich wollte mir aber bloß mol seine Vakanz-nliste durchlesen, weil ich nämlich Arbeit suche."
htrdakitou, Druck und Verlag von Beruh. Hofmau» tu Wildbad.