Knabe seinen eigenen Vater mit dem Messer übel zugerichtet, dürfte wohl zu den Selten­heiten gehören. Der Arbeiter Wüst in Stettin geriet mit seiner Frau in Streit. Sein 14 Jahre alter Sohn mochte wohl annehmen, daß der Vater zu Thätlichkeiten übergehen würde und griff, um dies zu verhindern, zu einem Messer, mit dem er dem Vater nicht weniger als neun Stiche beibrachte, die Rücken, Hals und Kopf trafen. Der V-rlehte wurde nach dem Krankenhause befördert.

Zu mitleidig. Die Gemeinde Brani bei Pavia besitzt einen sozialistischen Bürger­meister, Constando Bergamini, der im Pri­vatleben Brücken- und Wegbau-Jngenieur ist. Vor kurzem erfuhr der Bürgermeister, daß zwei Kinder Aepfel gestohlen hatten. Erließ die »Verbrecher* rufen und tadelte und ver­warnte sie. Die Staatsanwaltschaft hielt je- doch diese Strafe nicht für ausreichend und erhob Anklage gegen den Bürgermeister, der, nach irgend einem Paragraphen des italienischen Strafgesetzbuches, die jungen Apfeldiebe der Staatsanwaltschaft hätte zu» führen müssen. Der allzu mitleidige Bürger Meister wurde dieser Tage Ihaisächlich zu 300 Lire Geldstrafe verurteilt und für die Dauer

eines ZahreS für unfähig erklärt, öffentliche Aemter zu bekleiden. Gegen dieses merk­würdige Urteil Hot Bergamini natürlich Be­rufung eingelegt; er wird in der zweiten Instanz von dem Abgev'dneten Professor Ferri verteidigt werden.

Bukarest, 7. Skpt. Die Entdeckung einer Verschwörung gegen das Leben des Königs Alexander von Serbien hat der Bukarester Untersuchungsrichter FloreScu gemacht. Die Mitglieder dieser Verschwörung soll Sarasow, Bogsanow, Bosnyakow, Jkonomow und Tri- fanow sein. Die beiden letzteren haben be­reits den Plan eingestanden, den Seiben- könig gleichzeitig mit dem König von Ru­mänien spätestens im September ermorden zu wollen. Dann sollte das Rcvolutions- Komite ganz frei die Aktion zur Befreiung MacedonienS beginnen können.

Glasgow, 8. Sept. (Reuter.) Heute wurden zwei neue Pestfäüe festgestellt. Die Zahl der Pestkranken im Hospital beträgt jetzt 14. Pestverdächtig sind zwei Personen, während 109 unter Beobachtung stehen.

Pretoria, 8. Sept. Dem Reutcrschen Bureau wird gemeldet, Dewet habe sich mit Thervn in der Nähe von Johannesburg ver­

einigt. Eie hätten zusammen 1800 Mann und hielten die höheren Hügel im Süden von Johannesburg besetzt. Eine beträchtliche englische Streitmacht sei zur Verfolgung des Feindes aufgebiocben. Die Buren hätten keine Geschütze.

Kapstadt, 10. Sept. (Reutcrmeldung vom 9. Sept.) Buller hat heute früh den Mauchbrrg etwa 10 Meilen östlich von Lyden- burg überschritten und ist wieder auf den Feind gestoßen. Seine Geschütze werden bis nach Lydenburg gehört. Lord Methuen mar­schiert von Mafeking nach Lightenburg, ohne auf bedeutenden Widerstand zu stoßen.

Wenn der norwegische Schiffskapitän Peter Jvhonnsen im Atlantischen Ozean er­trinken sollte, so wird er seinen Tod selbst verschuldet haben. Er ist nämlich von Gib« raltar in einem nur 29 Fuß langen offenen Boot ausgefahren, nur von seinem zwölf­jährigen Sohn begleitet, um über den Ozean nach Amerika zu segeln. Er hat auf seiner Nußschale die britische Flagge gehißt, an- sch'inend weil der nüchterne norwegische Ver­stand dem englischen Epern gewichen ist. Um dcn halbverrückten Kapitän ist es nicht schade, aber um d,n armen Buben.

Keimliche Liebe

Roman von Helene Voigt.

2) (Nachdruck verboten.)

Der Zug hielt, aus einem Salonwagen erster Klasse stieg eine Dame in elegantem Etaubmantel unk schlug den blauen Schleier zurück, sobaß ein scharfgcschnitteneS, früher vielleicht schönes Gesicht sichtbar wurde.

»Ah, meine lieben Kinder!" rief die Dame lebhaft.Wie freundlich, daß ihr selbst kommt, nur Albrecht scheint die unan­genehme Pflicht von sich geschüttelt zu haben; o, liebste Nora, entschuldig« >hn nicht erst, rin Kaufmann hat immer im Geschäfte zu thun, ich nehme eS ihm nicht übel."

Aber die Worte hatten doch die junge Frau scharf verletzt, und sie küßte ziemlich steif die Hand der Mutter, während Lothar das G päck zu besorgen eilte. Frau von Trahlow kam von Wiesbaden, wo sie sich seit der Verheiratung ihrer Tochter nieder­gelassen hatte. Sie hatte viel zu erzählen, und sie schien NoraS Schweigen kaum zu bemerken.

AIS der elegante Wagen vor dem Senato­ren Hause hielt, stand van der Huylen aus der Freitreppe, begrüßte seine Schwiegermutter höflich und führte sie sogleich in das für sie hergerichtete Zimmer, wohin Nora ihr folgte, nachdem sie Lothar zugerufen zum Kaffee zu bleiben.

Erschöpft ließ sich Frau von Trahlow in einen Fauteuil gleiten und rieb die Stirn mit kölnischem Wasser, während ihre Tochter mit dem Stubemädchen den Koffer öffnete und das Nötigste auszupacken begann.

»Dem Himmel sei Dank, daß ich endlich angelangt bin," seufzte sie schmachtend,nein, dieses Eisenbahnfähren bringt mich fast um, cS ist zu anstrengend, ich hätte unterwegs einen Aufenthalt machen sollen."

Du kannst Dich bei uns wenigstens ganz nach Deinem Belieben auSruhen, Mama, meinte Nora freundlich,hier im alten Se- natorenhause giebt eS genug Ruhe und auch unser Garten ladet dazu ein."

Du hast Dich wohl sehr gut mit Deinem

Kaufmann eingelebt, Kind?" frug die Mut­ter spöttisch und hielt das Riechfläschchen an die Nase,nun, um so bester für Dich, wenn Du den verlorenen Namen nicht be­reust."

Liebe Mama," sagte die junge Frau und richtete sich hoch auf,Papas Wunsch hat mir meinen Mann erwählt und somit steht eS mir nicht zu, das Geschehene zu be­klagen , auch wenn ich Ursache dazu hätte, was keineswegs der Fall ist I Aber Du wirst einsehen, daß ich recht habe, wenn ich Dich bitte, nicht mehr so abfällig über van der Huylen zu urteilen, der mich aus einem armen Mädchen zu einer reichen Frau machte."

»Ah so," lachte Frau von Trahlow scharf,am Golde hängt, nach Golde drängt doch alles der Welt Lauf, ich hätte cS mir denken können I"

Verletzt schwieg die junge Frau, nimmer­mehr hätte sie der Mutter erklären mögen: Es ist ja Liebe zu Albrecht, die ich fühle, einzig und allein Liebe." Und nun schlug sie den falschen Weg ein und wollte sich selbst einreden, eS sei nur Dankbarkeit I

Ich hatte freilich eine andere Zukunft für Dich erwartet, Nora," fuhr die Mutter fort,Deine Schönheit, Deine gesellschaft­lichen Talente berechtigten Dich zu einer her­vorragenden Stellung und nun bist Du be­graben, eingeschlossen hier in dem. düstren alten Hause unter trocknen Kauflcuten in bürgerlicher Atmosphäre. Puh, mir graut vor einem solchen Leben."

Ich habe mich noch keine einzige Stunde in meines Mannes Hause elend gefühlt," erwie- derte Frau van der Huylen heftig,bitte, liebe Mama, mäßige Dich, wenn Du von meinem Hause und meinem Manne sprichst. Als er bei meiner Verheiratung das Gcld zur Aussteuer gab, war eS Dir ja ganz recht und heute nennst Du ihn einen Krämer."

Liebe Nora," sagte Frau von Trahlow und erhob sich majestätisch,ich sehe, daß Du wenigstens die Allüren einer Frau an­genommen hast, ob im Glück oder mit leerem Herzen weiß ich freilich nicht doch genug, wir wollen und nicht streiten, ich räume das

Feld und werde mich bewühcn, Deinen treuen Gemahl ebenfalls zu lieben, wie Du es thust."

Dunkle Glut flammte in dem Gesichte der jungen Frau auf, sie richtete sich empor, ließ Koffer und Kisten stehen und sagte ruhig: Nun denn, Mamachen , Albrecht und ich erwarten Dich drüben zum Kaffee, Lothar ist auch noch dageblieben; also auf Wieder­sehen !"

Kopfschüttelnd schaute die hochmütige Frau hinter der davon Eilenden drein, dann sagte sie ganz leise vor sich hin:Sie liebt ihn, diese Thörin, und sein Krämerstolz wird sich' mächtig blähen darüber; er ist freilich von ganz stattlichem Aeußeren, und wenn er ein echtes, uraltes AdelSwappen besäße, könnte ich ganz einverstanden sein."

Der Kaffectisch war sehr behaglich in dem alldeutschen Erker des Eßzimmer her- gerichtet, und die scheidende Abendsonne warf ihre letzten Strahlen durch die purpurfarbenen Butzenscheiben, daß Noras zartes Gesicht über und über davon erglühte. Albrecht, der ihr gegenüber saß, eine echte Havanna in der Hand, beobachtete verstohlen seine lieb­liche Frau und nur mit Aufbietung aller Selbstbeherrschung vermochte er eS über sich, nicht zu ihr hinzueilen und sie in die Arme zu schließen. Die Schwiegermutter hätte jetzt kommen können. Und sie kam, das reh­farbene Rnseklcid schleppte hinter ihr drein, die Armbänder klirrten an dem Handgelenke und lächelnd nickte sie den drei Personen zu, welche ihr entgegentraten.

Welch' trauliches Plätzchen," rief sie offenbar in allerbester Laune.Bester Alb­recht, Ihr Haus ist wirklich ganz reizend, und der hübsche Garten wird mir sehr wohl thun, denn ich liebe die freie Natur."

Unwillkürlich fielen der jungen Frau, welche den Kaffee elngoß, die bösen Worte der Mutter ein über daSdüstre alte Haus in bürgerlicher Atmosphäre" aber sie wollte nicht daran denken und sagte daher zu Lo­thar:Wir wollen der Mama alles genau zeigen, denn Albrecht hat selten Zeit und"

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad.