Die Unruhe« i« China.

Jokohama, 31. Aug. Generalleutnant Jmoguchi telegraphiert au- Peking: In einer am letzten Samstag stattgehabten Be­ratung der fremden Gesandten und der Trup- penbefehlshabcr wnrde beschlossen, daß di« Thore der kaiserlichen Stadt bewacht werden sollen und zwar die südlichen von den Ame­rikanern, die anderen von den Japanern; ferner wurde beschlossen, die Einnahme von Peking am 28. ds. durch den Marsch der Verbündeten Truppen feierlich zu begehen. Viele Eunuchen kamen aus dem Palast her« aus, um sich zu ergeben. Die Insassen des Palastes erhielten die Versicherung, daß sie rücksichtsvoll behandelt würden.

London, 31. Aug.Daily Chronicle" meldet aus Hongkong vom 30. ds.: Die Hälfte der chinesischen Bevölkerung von Amoy hat die Statt verlassen, in welcher eine Panik ausgebrochen ist. Die Stadt ist gänzlich ver­lassen , der Handel steht still. Diebe sind eifrig daran, Beute zu machen.

Washington, 3l. Aug. Den ameri- kinischen Vertretern >m AnSlarde sind In­struktionen überjanrt worden, wonach die Vereinigten Staaten bereit sind, ihre Trup­pen aus Peking zurückzuztehen und dem kai­serlichen Hos zu gestatten, nach Peking zu- rückzukehren, um Frtedcnsverhandlungen ein­leiten zu können. ES heißt, eine russische Note, auf welche sich diese Instruktionen gründen, verlange, daß die Kaiserinwitwe und der Kaiser Sicherheit dafür gebe, daß die chinesische Regierung bereit sei» die Ausbreit­ung der U nuhen und die Wiederkehr solcher Vorkommnisse, wie die jetzigen, zu verhindern.

Washington, 31. Aug. Reutermeldung. Die amerikanische Regierung setzt ihre Ver­treter davon in Kenntnis, daß sie von dem russischen Geschäftsträger eine Note erhielt, welche daraus hinweist, daß die Admirale beschlossen hätten, Li Hung-Tschang zu ver­hindern, sich mit der chinesischen Behörde in Vermeidung zu s tzen, so lange sic den di­plomatischen Corps in Peking noch keinerlei Instruktion erteilt hätten, und welche die Ueberraschung Rußlands über diese Maß­nahme zum Ausdruck bringt. Amerika stimme mit der Ansicht Rußlands überein und mache mit allem Nachdruck geltend, daß Li-Hung- Tschang der einzige Vertreter der chinesischen Regierung sei, der zu erreichen wäre, und daß er deshalb vollständige Freiheit haben müsse, sich mit seiner Regierung und mit den Kommandeuren der chinesischen Truppen in Verbindung zu setzen. Die amerikanischen Vertreter in China seien in diesem Sinne instruiert, die amerikanischen Vertreter aber in Europa seien angewiesen, sich über die Anschauungen der Regierung-n bei denen sie beglaubigt sind, zu vergewissern.

Berlin, 1. Skpt. Der Admiral des zweiten Kreuzergeschwaders meldet: Von Ka­pitän Pohl kommt folgende Nachricht. Am 19. August besetzten die deutschen Truppen einen Tempel im nordwestlichen Teile von Peking. Nachts wird innerhalb und außer­halb der chinesischen Stadt noch häufig ge­schossen. Die Proklamation der Admirale gegen die Plünderung hatte vollen Erfolg. Am 21. August traf Kapitänleutnant Hecht von derHertha" mit 94 Mann ein. 50 Ktlomet-r entfernt von Peking sollen 20 000 chinesische Truppen stehen, eine Erkundigung ergab, daß bis auf 25 Kilometer alles frei ist. Am 22. August besetzten wir ein Thor

im Nordwesten der chinesischen Stadt. Der Gesundheitszustand der Truppen ist gut.

Rundschau.

Ludwlgsburg, 30. Aug. Bei der Station Kornwestheim ereignete sich am Montag Abend ein schwerer Unfall. Ein badischer Schaffner des in Stuttgart 10 Uhr 33 Min. eintrcf- fenden Pariser Schnellzugs öffnete während der Fahrt an einem französischen Koupä- wagen die Thüre, diese stieß infolge ihrer Breite an einen der Signalmaste, wurde los- gerissen und schleuderte auch den Schaffner vom Laufsteg hinab. Erst in Stuttgart wurde man infolge Fehlens der Thüre auf­merksam und auf telegraphisch angeordnete Nachforschung wurde der Schaffner gesucht und mit schweren inneren Verletzungen auch bald oufgefunden. Er wurde nach Stuttgart in das Katharinenhvspital verbracht.

Söflingen, 30. Aug. Ein schreckliches Verbrechen versetzt lautUlmer Ztg." die ganze Einwohnerschaf in ungeheure Aufreg- ung. Das 5jährige Töchterlein des Tag- «öhnerS Paul Baumgartner von hier war vorgestern abend halb 7 Uhr spurlos ver­schwunden und alle Nachforschungen der Eltern, Verwandten, des Landjägerkorps und der Polizei waren während der Nacht ver­geblich. Stattonskommandant Huber von Ulm, langjähriger Landjäger hier» dem die rasche Entdeckung zu danken ist, lenkte die Aufmerk­samkeit auf den wegen Sittlichkeitsverbrechen schon einmal mit Gefängnis und langjährigem Ehrverlust bestraften und voriges Jahr erst aus dem Zuchthaus entlafsenenen Ernst An- drä und schritt ohne Zögern zu dessen Ver­haftung. Nach genauer Durchsuchung des Hauses fand man die Leiche des armen Kindes in einen Sack gewickelt im Holzstall deS Hauses deS Verbrechers, hinter Kartoffel­säcken versteckt. Derselbe, der anfangs seine unmenschliche Thal leugnete, gestand dieselbe schließlich angesichts deS vorliegenden BeweiS- materials. Es handelt sich um ein scheuß­liches Sittlichkeitsverbrechen mit Mord. Unter­dessen hatte sich vor dem Rathaus eine große Menschenmenge gesammelt, die gegen den Verbrecher eine drohende Haltung einnahm, so daß derselbe nur mit Mühe der Bolks- justiz entzogen und unter starker Bedeckung per Wagen an das Amtsgerichtgesängnis Ulm eingeliefert werden konnte.

Gmünd, 31. Aug. Das Anrecht aus Gottes frische freie Luft soll sich niemand rauben lassen. So dachten auch einige reso­lute Gmünberinnen. Vergangene Woche be­fahl in einer hiesigen Silberwarenfabrik ein erster Arbeiter wiederholt, die Fenster zu schließen, was seitens der Arbeiter auch ge­schah , dagegen von den Arbeiterinnen ver­weigert wurde. Der Vorarbeiter ließ des­halb abends durch den Maschinisten die Fenster zuschrauben, wodurch ein Lüften un­möglich wurde. Am andern Morgen war es natürlich in diesem Raume so schwül und dämpfig, daß ein Aushalten unmöglich war, weshalb nach einer Stunde sämtliche Mäd­chen sich wieder ankleideten, um die Arbeit zu verlassen. Der Arbeitgeber welcher in diesem Augenblicke eintrat und den Sachver­halt erfuhr, war glücklicherweise vernünftiger als sein Werkmeister und ließ die Fenster wieder öffnen.

Calw, 20. Aug. Gestern wurde von Waldarbeitern im Thäleßbach oberhalb Hir­sau, links vom Tunnrleingang ein Erhängter

augefunden. Der Körper desselben, der nur noch ein Skelett darstellt, hatte sich bereit- vom Kopfe getrennt und ist darauf zu schließen, daß die That deS Selbstmords schon vor ca.

2 Jahren begangen wurde. Bei den Kleidern wovon Rock und Weste bei Seite lagen, and man eine Urkette, sowie ein Portemonaie,

1 Sousstück enthaltend. Merkwürdigerweise ehlt am Körper ein Arm.

Nagold, 28. Aug. Eine aufregende Scene spielte sich in den letzten Tagen auf dem hiesigen Bahnhof ab. Ein Stier, der verladen werden sollte, riß einem Händler aus und stürzte sich wie toll die Böschung -inab, bis er endlich in den Eeminarküchen- garten einbrach. Da niemand sich an das Tier heranwagte, so machte auf Wunsch des Händlers ein zufällig anwesender Landjäger mit wohlgeziltem Schuß dem Leben des Tiere- ein Ende.

Freudenstadt, 28. Aug. Seit mehreren Jahren wird der Plan einer schmalspurigen Eisenbahn von Pfalzgrafenweiler nach Freu­denstadt eifrig betrieben. Bei der jüngst hier gehaltenen Etsenbahnversammlung einigten sich die Vertreter der beteiligten Gemeinde« vor- behältlich der Zustimmung ihrer bürgerlichen Kollegien dahin, außer dem früher schon un­entgeltlich zur Verfügung gestellten Gelände noch einen Bargeldbeitrag von 100 000 ^ zu leisten.

Ulm, 29. Aug. Auf eine Anfrage de» Ulmer TagblattS" bei dem Schultheißenamt Steinheim, OA. Heidenheim, erhielt eS be­tätigt, daß sich dort ein Veteran von 1870171, Inhaber des eisernen Kreuzes, befinde, der eit Jahresfrist infolge schweren Siechtum- arbeitsunfähig sei; gesetzeSmäßig könne er eine Rente als Veteran nicht bewilligt er­halten, da er aus der Arbeiterversich-rungS- kasse monatlich 12 85 täglich also

43 erhalte. Die- aber für eine Familie mit 6 Personen. DaöTagblatt" veran­staltet nun eine Sammlung; hoffentlich aber findet sich ein Abgeordneter, der diesen Fall im Reichstag zur Sprache bringt und ent­sprechende Anträge zur Ausfüllung jener Lücke deS Ges-tzeS stellt. Von nationalliberaler Seit« aus ist ja wiederholt im Reichstag für die Veteranen engetreten worden.

Vom Bezirk Biberach, 30. Aug. Ein Schneiderlein in unserem Oberamt scheint sein Gebetbuch nicht gar zu stark aus und abzunützen; denn folgende Thatsoche beweist dies. Unser Nadelheld gab seinem Nachbars vor etwa 4 Jahren den Auftrag, ihm vom Krumbacher Markte ein KiechenbauloS mit- zubringen, welchem Ersuchen auch bereitwilligst nachgekommen wurde. Als die Ziehung vor­bei war, sollte die Ziehungsliste durchgesehen werden, allein das Los fand sich nirgends vor. Jetzt, vor 8 Tagen, als der Sohn deS ^ Schneiders Hochzeit machte, und letzterer auch in die Hochzeitskirche mußte, fand er das Los im Gebetbuch vor. Er frug sogleich bei zuständiger Stelle an und erhielt die Ant­wort, daß das Los mit einem hohen Gewinn herausgekommen, nach den Statuten aber bereits verfallen sei und also nichts mehr gemacht werden könne. Der Meister ist aber über das Gebetbuch,daS doch ganz allein schuldig sei", arg verschnupft.

Friedrichshasen, 30. Aug. Ihre Mast der König und die Königin statten heute den großherzoglich badischen Herrschaften auf Schloß Mainau einen Besuch ab. Da- Hoflager wird am 19. September zunächst