Zum 2. September 1900

Deißig Jahre sind gegangen In das Meer der Ewigkeit Seit Napoleon ward gefangen Dort bei Sedan in dem Streit.

Manch ein Teutos Sohn im Ringen Fiel im Kampf als tapfrer Held Mußte mit dem Herzblut düngen Dort die Erde in dem Feld.

Friedensfeier laßt uns halten Heute nun mit unsrem Feind Und zu unserem Gott dem Alten Beten, daß er uns vereint.

Denn zur Stunde, Deutsche, Franken Kämpfen ferne übrem Meer Alle eins in dem Gedanken Streiten dort für Recht und Ehr.

Auch manch einer von den Franken Fand den Tod in jener Schlacht Allen die dort niedersanken Denen sei heut still gedacht.

Nicht im Jubel nicht im Rühmen Nicht bei frohem Festgelag (Dieses würde sich nicht ziemen) Woll'n wir feiern diesen Tag.

Darum legt das Ehrenzeichen Das der freie Wald uns gab,

Einen Blätterkranz von Eichen Beiden Toten auf ihr Grab.

Schlafet wohl ihr tapfre Helden

Die die Erde friedlich deckt

Bis der Feldherr aller Welten

Euch zum Appell wieder weckt ! Holzhauer.

Die Unruhe« i« China.

Ueber die Einnahme von Peking werden noch fortgesetzt Einzelheiten von Ver­tretern der einen oder andern der verbündeten Mächte gemeldet, während es bis heule an einer zusammenhängenden Schilderung fehlt.

Paris, 28. Aug. Ein heute eingetrvfsenes Telegramm Ptchvn'S aus Peking vom 19. ds. besagt: Die verbündeten Truppen zogen am 14. dS. (? am 15. Red ) in Peking ein und setzten die Operationen die folgenden Tage hindurch fort. Sie beschossen die kaiserliche Stadt und einige Pavillon des Palastes, aus dem die chinesischen Soldaten auf sie geschossen hatten. Der Peitang (Sitz des apostolischen Vikars) wurde entsetzt. General Frey ließ sich vorläufig in den Gärten des Kaiserpa- lasteS nieder. Der Hof ist entfloh n, man weiß nicht wohin, nachdem er 5 oder 6 Mit­glieder deS Tsungli-Damens, die weniger fremdrnfetndlich waren, hatten hinnchien lassen. ES ist dringend notwendig, die Eisenbahn­linie mit Tientsin wieder herzustellen. Die Unsicherheit der Wege erschwert aber diese Arbeit sehr. Neue Angriffe der Boxer und der regulären chinesischen Truppen sind zu befürchten. Ernste Vosichtsmaßregeln sind notwendig. Das Detachement, welches die Gesandtschaft verteidigte, hatte l4 Tote. Bei dem Kampfe um den Peitang fielen 5 Mann. Das gesamte Gesandtschafispersonal, die Dienstboten inbegriffen, befindet sich in einem kläglichen Zustande. Pichon wohnt in der spanischen Gesandtschaft. Einige Angestellte wohnen noch in dem Teile der französischen Gesandtschaft, der noch stehen geblieben ist, oder in den benachbarten chinesischen Häusern. Die meisten Stadtteile sind nur noch Ruinen­haufen.

London, 29. Aug. Das Reutcrsche Bu­reau meldet aus Peking vom 21: 3 russische und 2 japanische, 1 englisches und 1 ameri­kanisches Bataillon durchsuchten den kaiser­lichten Park, südlich von Prktng auf 5 Meilen nach Boxers. Es wurde keine bewaffnete Macht gefunden. Der kaiserliche Sommer­palast wurde heute von Japanern besetzt. Der Winterpalast wird noch besetzt gehalten. Die Russen wollen ihn zerstören, während die Japaner ihn erhalten wollen. Der Vor­marsch der verbündeten Truppen hat begonnen-

Doch bleiben einige Mannschaften zurück, um die christlichen Chinesen zu schützen.

(Eine Niederlage der Chinesen.) Daily Telegraph" meldet aus Schanghai vom 29.: Die Chinesen erlitten am 23. ds. in Teschu eine große Niederlage. Prinz Tuan und 15,000 (?) Chinesen seien ge­fallen. Die übrigen seien von den Japanern aus der Provinz Tschili hinauSgetrieben wor­den. DerStandard" meldet aus Schanghai vom 29.: Auanschikai soll einen großen Sieg über die Boxer und die kaiserlichen Truppen von Peitsang und Hohsiwu davongetragen haben. 1500 sollen gefangen sein.

London, 30. Aug. Wie derDaily Mail" aus Hongkong gemeldet wird, ist dort von Gaselee die telegraphische Mitteilung ein­gegangen, daß es unnötig sei, mehr Truppen nach Norden zu senden. Der Abmarsch der 4. Brigade unterbleibt daher. DieTimes" melden aus Schanghai vom 29. dS.: Die Verbindung zwischen Tientsin und Peking ist nach wie Vor fast gänzlich unterbrochen. Für Läufer ist der Weg durch die Boxerbanden gefährlich. Das Land im Norden von Aangt- sun soll überschwemmt werden. Die Times" melden aus Niutschwang, die in Houschoung stehenden Russen erwarten Ver­stärkungen. Der Vormarsch wird durch den schlechten Zustand der nach Leaovang und Mulden lührenden Wege verzögert. In­zwischen wird die Eingeborenenbevölkerung mit der äußersten Strenge behandelt. Das Blutbad, das unter den Eingeborenen ange­richtet wurde, gleichviel ob sie Mitkämpfer waren oder nicht, brachte dek> Hafen und das benachbarte Gebiet in einen vollkommen trost­losen Zustand.

Rundschau.

Stuttgart, 27. Aug. Bei der gestern nachmittag in Heslach stattgehabten KIrchweihe kam ein Luftballon, den ein Herr von einer Italienerin kaufte, der brennenden Zigarre des Herrn zu nahe und explodierte. Gleich­zeitig haben sich auch die noch im Besitz der Händlerin befindlichen 130 Stück Ballons entzündet und sind ebenfalls explodiert. Die Händlerin erhielt am Kopf und den Händen leichte Brandwunden, konnte aber, nachdem sie von einem anwesenden Feuerwehrmann verbunden war, ihre Thütigkeit fortsetzen.

Stuttgart, 27. Aug. Die Kohlennot, die in Deutschland herrscht und sich immer mehr steigert, wird trefflich illustriert durch die Statistik der Kohlenausfuhr aus Deutsch­land. Während im 1. Halbjahr 1898 über 152'/« Millionen Zentner und im 1. Halbe johr 1899 über 158^/, Millionen Zentner ins Ausland abgeführt wurden, hat sich diese Zahl im 1. Halbjahr 1900 auf nahezu 199 Millionen Zentner gesteigert. Während also der Kohlenmangel in Deutschland von Tag zu Tag sich steigert und die Preise ganz enorm in die Höhe gehen, führt man in einem einzigen Halbjahr fast 200 Millionen Zentner Kohlen ins Ausland ab!

Schwaun, 27. Aug. Der gegenwärtig zur Kur in Wildbad weilende Stadt» Pfarrer Weitbrecht in Hellbronn, der geschäfts» führende Vorstand des Verbands evangelischer Arbeitervereine Württembergs, hielt gestern nachmittag im hiesigen Waldhornsaale, wo sich die Vereine von Neuenbürg, Grunbach und hier zum Teil mit Frauen versammelt halten, einen Vortrag über denHohenasperg als Staatsgefängnis". Der gewandte Red­ner entrollte Bild um Bild auö der Ge­schichte deS 18. und 19. Jahrhunderts und verstand es ausgezeichnet, den umfangreichen Stoff interessant zu gestalten und ernste und heitere Episoden aus dem Leben der hervor­ragenden Gefangenen darzubieten (Jud Süß, Marianne Pirker, Knobelsdorf, Leutnant Frantzvis, Dichter Schubert, Wolfs, der den Hohentwiel übergeben hatte, Nationalökonom List, die Separatisten, die 1848er u. a.). Nachdem dem Redner der gebührende Dank und die besten Wünsche für seine Kur aus­gesprochen waren, ermahnte derselbe die Vereine noch zur Treue, worauf die Versammlung mit dem allgemein gesungenen Württemberger Lied geschlossen wurde.

Von der badischen Grenze, 27. Äugt Der wegen deS zweifachen MädchenmordeS in Grunbach verhafteten Karl Steinacher wurde am Samstag, nachdem er von fünf Landjägern nochmals nach dem Thatort ge­führt worden war, von der Haltestelle Grun­bach aus mit der Bahn nach Tübingen über­führt. Die Verhandlung gegen den Mörder vor dem Schwurgericht Tübingen soll am 27. September stattfinden.

Heitersheim, 27. Aug- Ein hier in