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Schwer erkämpft.
Roman von H. von Ziegler.
17) (Nachdruck verbotm.)
„Armes Kind/ nickte Frau Ahne trübe vor sich hin, „eS ist schrecklich, ohne Liebe an einen Mann gefesselt zu sein — der noch dazu krank ist. Gott helfe Ihnen, liebe Gräfin, dies herbe Geschick tragen.*
Ueber den Kiesweg war der Professor herangekommen, ohne daß die Frauen ihn bemerkt hätten, er sah jedoch Evas Schleppe am Boden und ihr blondes Köpfchen in Großmamas Schoß. Jetzt bemerkte ihn auch die junge Frau und erhob sich, ihm mit holdseligem Lächeln die Hand bietend.
„Guten Morgen, Herr Professor, ich habe einmal wieder Frau Ahne besucht."
Er hielt die schlanken Finger fest und atmete schwer; heute schien eS ihm von neuem unmöglich die Geliebte zu meiden, er hätte ringen mögen mit jenem Elenden, der sie besaß, auf Tod und Leben, um ihren Besitz.
Die vergangene Nacht war für Schönau eine furchtbare gewesen; er hatte kein Auge zu schließen vermocht, nachdem er den Würfel zerschnitten und eine Bleiplatie unter der Eins gefunden, so daß er auf Sechs, also den höchsten Wurf fallen mußte. —
Armer, armer Viktor I
Er hatte die Pistole an die Schläfe setzen müssen, weil jener Schurke ihn dazu gezwungen, und er nicht in seinen Augen als Feigling bestehen wollte. Ach — und daß Er gerade Evas Gemahl sein mußte, dessen zeitweiliger Wahnsinn wohl dn folternden Gewissensbissen begründet war, das schien ihm grausig!
Großmütterchens stiller Blick ruhte prüfend auf den beiden ihr so lieben Menschen; sie sah das Beben von Evas schlanker Gestalt, das Erbleichen ihres Enkels — und sie wußte alles! Ihr Herz empfand einen scharfen Schmerz; noch am Rande des Grabes mußte sie erleben, daß ihr Liebling, ihr Stolz und einzige Stütze an einer unglücklichen Liebe zu Grunde ging.
„Ich muß nun gehen, liebe Ahne/ sagte sie befangen und nahm den Hut vom Tisch, „rS bleibt mir noch viel zu thun, wenn Großpapa am Abend kommt."
„Ich kann Sie heute nicht geleiten, liebes Kind," sagte Frau Ahne trübe, „Friedrich soll eS statt meiner thun."
So schritten die Beiden dahin mit übervollem Herzen, aber verstummten Lippen, es schien, als schwebt ein Damoklesschwert über ihren Häuptern.
Bei der ersten schroffen Wegbiegung stand plötzlich die wilde Anne vor ihnen und, wenn auch die Begegnung eine rein zufällige war, so schien sie doch alle Dämonen in der Brust der Rothofsbäuerin zu erwecken. Sie wurde totenblaß, ihre Augen schossen Blitze und krampfhaft ballte sie die Hände. Schönau erschrack über ihr wildes Aussehen.
Es schien, als wollte sie im nächsten Moment auf die Gräfin loöstürzen, denn man wußte allgemein im Dorfe, daß sie letztere hasse, scheinbar ohne allen Grund. Und wenn auch Schöna wußte, daß er einige Macht über Anne besaß, so bezweifelte er doch stark, daß dieselbe heute ausreichen werde.
„Also hier auf so einsamem Wege begegnet man der gnädigsten Gräfin/ höhnte
sie, „wer bewundert denn da die blauen Augen und das liebliche Lächeln?"
Verwirrt stand Eva vor der gellend auflachenden Frau; sie begriff diese ganze Scene nicht und wandte sich hilfesuchend nach Schönau um. Das aber fachte die Wut der Bäurin au.
„Ah, es ist wohl bei den vornehmen Leuten Mode, mit anderen Herren spazieren zu gehen, als mit den Männern? davon versteht unsereins eben nichts."
Doch mit einem Wchelaut verstummte sie, denn der Professor umklammerte eisern ihr Handgelenk und seine sonst so ernsten Augen flammten in Maßlosem Zorne auf die Wütende.
„Frau Anne," donnerte er sie an, „Ihr wagt es, eine so hochstehende Dame wie die Gräfin und auch mich zu beleidigen? Seid Ihr, die ich für brav nnd tüchtig hielt, denn auch so erbärmlich und nieder denkend, daß Ihr Euch von Eurer Leidenschaft Hinreißen laßt? hütet Euch, RothofSbäurin, noch eine solche Scene — und ich vergesse, daß ein Weib vor mir steht."
Wie mit einem Schlage schien die Wut der Frau vernichtet, mächtiger als seine Worte wirkte die nervige Faust Schönau's und sie sank zu Boden. Schweratmend, das Antlitz verhüllt blieb sie liegen, sie sah eS nicht, wie verächtlich sich der Professor von ihr wandte, sie hörte nur eine süße Stimme dicht neben sich: „Last eS gut sein, Frau Anne, eS war wohl nicht so böse von Euch gemeint, und Ihr habt mir nicht weh thun wollen."
„Steht auf, Frau," gebot auch Schönau streng, „Ihr müßt Frau Gräfin mit mir nach dem Schlosse begleiten; allein kann sie nicht gehen."
„Nein," murmelte die RothofSbäurin dumpf, „ich bin eine Elende und muß erst sühnen, was ich verbrach."
Mühsam erhob sie sich und wankte dem Häuschen zu, das Frau Ahne bewohnte, noch immer fühlte sie die schwere Hand des ManneS auf ihrer Schulter, für den sie ihr Herzblut vergossen hätte.
Als die Gräfin und Schönau vor dem Parkgitter standen, sagte er halblaut, ohne sie «keuschen:
„Sobald ich Ihren Herrn Großvater gesprochen habe, Frau Gräfin, reise ich ab. Jenes Weib — hatte recht — denn ich weiß jetzt, daß ich Sie liebe."
Eva zuckte zusammen, ihr Gesicht wurde lilienweiß, als sie hauchte: „Ich habe es schon lange gewußt, aber immer vergeblich dagegen gekämpft — denn es ist ja die wahre echte Liebe."
In den Bäumen rauschte der Abendwind, die Strahlen der Sonne fielen durch das Gebüsch auf das schöne schmerzzuckende Frauenantlitz, denn nun kam daS, wovor sie schon längst zurückgebebt und was doch nicht aus- bleiben konnte: die Trennung.
Sie reichten sich die Hände und schauten einander in'S Auge — sie fühlten beide, daß es doch viel leichter sein müsse zu sterben, als von einander zu lassen; und doch mußte es sein, wozu die Qual verlängern?
„Wir müssen scheiden, Herr Professor," hauchte Eva bebend, „und es ist gut so, denn ich kämpfe furchtbar. Gott sei mit Ihnen allerwegen und — vergessen Sie mich nicht — ich werde immer — an Sie denken — Friedrich I
„Und wenn die Berge über mir zusammen stürzten, Eva," versetzte er tief erregt, „ich vergesse Sie nie und nimmer! Der Gedanke an Sie wird mein ödeS Leben erhellen und mich begleiten bis zu meiner Sterbestunde. Gott behüte Sie meine geliebte Eva."
Zum letzten Male ruhten ihre Blicke ineinander voll heißer Liebe, zum letzten Male verschlangen sich ihre Hände in treuem Drucke, dann war'S vorbei — sie gingen auseinander ohne sich umzuwenden, und die Sonne sank im Westen.-
Eva lag in ihrem Boudoir am Boden und rang nochmals mit ihrem unsäglichen Jammer, wieder und wieder flössen die Thränen uud sie schrie verzweifelt auf: „Ach könnte, könnte ich sterben I"
Aber der Tod kommt selten, wenn ihn der Mensch herbeiwünscht. Draußen ward an die verschlossene Thür des Boudoirs gepocht, und des Grafen barsche Stimme beauftragte die Jungfer, seiner Gemahlin zu melden, daß er zur Bahn fahre, um den General abzuholen. Zum Thee würden die Herren wieder im Schlosse sein.
Eva seufzte tief; — dann trat sie zum Spiegel und betrachtete prüfend ihr verweintes Antlitz darin. Die Sonne ging unter, nun mußte sie im Dunkeln den Weg zur Pflicht finden.
Am folgenden Morgen pochte Frau Ahne leise an das Zimmer ihres Enkels, welcher unruhig in demselben auf und niedecschrilt.
„Laß mich zu Dir kommen, Friedrich, vielleicht kann ich Dich trösten!"
(Fortsetzung folgt.)
Hab' deine Etter« lieb!
Hab' deine Eltern lieb mein Kind,
O, halte stets ste hoch,
Wer weiß, wie lange, lange noch Sie doch dein eigen sind.
Wer weiß, ob nicht in nächster Zeit Sie dir entreißt der Tod,
Und plötzlich naht sich dir die Not Und bitt'reS Herzeleid.
Und ob dein Sinn den schweren Schlag Auch vollends nicht erfaßt,
Was Teures du verloren hast,
Zeigt dir der nächste Tag.
Da küßt dich dann kein Mütterlrin,
Kein Vater schützt dich mehr,
Die Räume stehen öd' und leer —
Du bist allein — allein.
Und bange Reue fühlt dein Herz,
Wenn eS der Stunden denkt,
Da du die Eltern oft gekränkt Und ste erfüllt mit Schmerz. —
Drum folge deinen Eltern, Kind.
O halte stets ste hoch,
Wer weiß, wie lange, lange noch Sie dir zur Seite sind.
Merl's-
Aus dem Feuerquell des Weines,
Aus dem Zaubrrgrund des Bechers Sprudelt Gift und süße Labung,
Nach dem eignen Wert des ZecherS, Nach des Trinkenden Begabung.
Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmauu iu Wildbad.