Die Unruhe« ln China.
London» 7. Aug. Brodrick verliest ein vom 30. Juli datiertes Telegramm des Tsungli Damen, welches der chinesische Gesandte üdermitlelte. Die fremden Gesandten befinden sich alle wohl. Wiederholt wurden ihnen Lebensmittel geliefert. Die fremden Gesandten und die chinesischen Behörden stehen in sehr freundschaftlicher Beziehung (?) Die erfolgreiche Beendigung der Verhandlungen, betreffend die Ucberführung der Gesandten nach Tientsin unter Geleit wird erwartet. Jedoch werden wegen Wiederaufnahme der Feindseligkeiten in Tientsin Gesuche um Übermittelung von Chiffretelegrammen an die Gesandten nicht für wünschenswert erachtet. Ferner teilt Brodrick ein Telegramm des britischen Konsuls in Tientsin vom 4. ds. mit, demzufolge der dortige japanische Konsul bis zum 1. reichende Nachrichten der japanischen Gcsandschaft hat und worin der Konsul ferner meldet, daß der Vormarsch der Verbündeten am 4. begonnen hat.
Newyork, 7. Aug. Dem „Journal and Aivertifer" wird aus Schanghai von gestern gemeldet: Der Oberst der amerikanischen Marinetruppen habe durch einen Eingeborenenläufer eine von Conger Unterzeichnete Depesche erhalten, welche besagt: Helft, wenn überhaupt sofort. In Peking ist keine Regierung, ausgenommen die Militärchefs, welche die Vernichtung der Ausländer beschlossen haben.
London, 7. Aug. Li-Hung-Tscha-'g hatte in Peking um einen einmonailichen Urlaub nachgesucht. Er wurde in große Aufregung versetzt durch die Nachricht, daß zwei fremdenfreundliche Mitglieder des Tsungli-Damen hingerichtet worden seien. Sie seien nicht ge- köpt, sondern gczweiletlt worden.
Washington, 8. Aug. Reutermeldung. Das Departement empfing gestern abend eine Depesche des amerikanischen Gesandten in Peking, welche besagt:
„Wir werden noch immer belagert, unsere Lage ist bedenklich. Die chinesische Regierung besteht darauf, daß wir Peking Melassen, doch dies wäre unser sicherer Tod. Die kaiserlichen Truppen richten täglich ihr Gewehrfeuer auf uns. Es fehlt uns nicht an Mut, ober cs fehlt an Munition und Mundvorräten. Zwei fortschrittliche Mitglieder des Tsungli-DamenS wurden geköpft. Alle Angehörigen ver amerikanischen Gesandtschaft befinden sich gegenwärtig wohl."
Diese Depesche ist undatiert, doch wurde sie wahrscheinlich nicht vor dem 30. Juli und nicht nach dem 2. August abgesandt.
London, 8. Aug. Reutermeldung aus Schanghai vom 7. ds. Der japanische Konsul erhielt heute eine Depesche, welche besagt, die fremden Gesandten in Peking waren am 1. ds. wohlbehalten. Ein Angriff wird erwartet. Es bleiben für jeden nur 25 Patronen. Die Vorräte reichen für sechs Tage. Ein japanischer Gesandtschaftssekretär ist seinen Verwundungen erlegen.
Köln, 8. Aug. Die „Köln. Z>g." meldet aus zuverlässiger Quelle, daß Generalfcld- marschall Graf Waldersee zum Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen iu China ernannt worden ist.
Berlin, 8. Aug. Feldmarschall Graf Waldersee, der zum Oberbefehlshaber der verbündeten Truppen in China ernannt ist, begiebt sich heute zum Kaiser, um dessen Anweisungen entgegen zu nehmen. Er ist schon
mit den Vorbereitungen zu seiner Abreise beschäftigt. Die Wahl dieses hervorragenden Generals beweist, daß man eine umfassende unv energisch? militärische Aktion beabsichtigt.
Hannover, 8. Aug. Feldmarschall Graf Waldersee wurde mittags 12 Uhr 40 Min nach Wilhelmshöhe zum Kaiser befohlen zur Entgegennahme von Instruktionen. Nach der Zusammensetzung und Mobilisierung seines Gmeralstabes, der zumeist aus GeneralstabS- Offizieren der dritten Armee-Inspektion bestehen wird, soll die Abreise nach China in 14 Tagen erfolgen. Weitere Truppenscndungen nach China stud bevorstehend.
R « n d s ch a «.
— Se. Maj. der König hat dem K. Badekommissär Generalmajor a. D. v. Karaß in Wtldbad die nachgesuchte Erlaubnis zur Annahme und Anlegung des ihm von dem Fürsten zu Schaumburg-Lippe ver- lieh-nen EhrenkreuzeS 1. Kl. deS fürstlich schaumburg-lippischeu HausordeaS erteilt.
Stuttgart, 7. Aug. Der erste Sud aus Malz und Hopfen hat einer benachbarten Großbrauerei großen Jammer verursacht. 200 Hektoliter des edlen Nasses lagerten tief unter der Erde; war nun das Gebräu zu stark, oder das Faß zu schwach, (das muß der Brauer wissen), ein Schlag, daß Faß ging aus den Fugen und die ganze Menge Bier eilte der Dohle zu, die das ungewohnte Gemisch kaum zu verschlingen vermochte.
Weinsberg, 5. Aug. Der Sturm, der letzter Tage anhielt, riß ziemlich Obst von den Bäumen, insbesondere schwer dehangene Zweige. Doch beginnt man jetzt schon mit Auflesen und zweckmäßiger Verwendung des Fallobstes.
Nürtingen, 8. Aug. An das kürzlich an der Frickenhauserstraßc verübte Verbrechen schloß sich gestern ein ähnlicher Fall, der die Gemüter aufs Neue.erregle, jedoch glücklicherweise ohne Blutvergießen sich abspielt. Am Hellen Tage, mittags 12 Uhr, wurde zwischen hier und Oberensingen an dem dem Neckar entlang gelegenen Fußweg nach Oberensingen, 5 Minuten von der Stadt entfernt, die 20jähr. Tochter des Adlerwirts aus genanntem Ort von einem Zigeuner rücklings überfallen, zu Boden geworfen und daS Dolchmesser dem zu Tode erschrockenen Mädchen vor die Brust gesetzt mit den Worten: „Geld oder das Leben?" Als sich dieses aber nicht vorsand, ließ der Mörder von seinem Opfer ab, und entfloh. Einige Verhaftungen wurden alsbald vorgenvmmen. Dieselben führten aber noch nicht auf die richtige Spur des Thäters.
Ellwangen, 6. Aug. Die vom hiesigen Schwurgericht wegen Vergiftung ihrer zwei Kinder zum Tode verurteilte Katharine Hiller von Burgberg wurde von Sr. Majestät dem König zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigt.
Nagold, 6. Aug. Die Ernte hat allgemein begonnen und liefert eine ausgezeichnete Frucht. Wie sehr es an Arbeitern mangelt, beweist die Thaisache, daß auf der Domäne Sindlingen die Erntearbeiten durch Rottenburger Sträflinge besorgt werden.
Horb, 7. Aug. Freiherr v. Münch ist in die Jrreuklinik nach Tübingen verbracht worden.
Ravensburg, 6. Aug. Als am Samstag nachmittag die Mutter deS Bürstenfabrikanten Geschirr, der sich gerade auf einer GeschäftStour in der Schweiz befindet, die
zwei jüngsten Kinder ihres Sohnes auf der oberen Promenade in einem Kinderwagen spazieren fuhr, rasten die Pferde des Gäns- müllers Zorell daher- Der Kinderwagen wurde von dem Fuhrwerk gestreift und die Insassen herausgeschleudert. Während daS ältere, 3jährige mit einigen Schrammen davonkam, fiel das jüngere, 14 Monate alte Kind zwischen die Räder und wurde so zermalmt, daß es alsbald starb. Die Mutter, welche nicht ausweichen konnte, liegt vor Schreck krank im Bett.
Vom Oberlande, 7. Aug. Hier laufen bitterböse Klagen über die vielen „reisenden Kaufleute und Kellner" ein. Die Profession wird selbstredend je nach Bedarf geändert. Wird bei einem Kaufmann gebetttelt, so ist derselbe Kaufmann, beim nächsten Gasthof Kellner, und umgekehrt. Noch nie war der Zulauf so stark wie gegenwärtig. Zweidrittel sind Norddeutsche.
Wolfenhausen, OA. Rottenburg, 7. Aug. Gestern nachmittag machten sich verschiedene Kinder an einer Futterschneidmaschienc zu schaffen. Ein 5 Jahre alter Knabe brachte hiebei den linken Arm in die Maschine und es wurde ihm dieser oberhalb des Ellbogens abgeschnitten, so daß nur noch ein Stumpf vom Arm übrig ist. Der bedauernswerte Kleine wurde sofort in die chirurgische Klinik nach Tübingen überführt.
— Aus Anlaß der bevorstehenden militärischen Herbstäbungen wird auf die Wichtigkeit richtiger und deutlicher Aufschriften bei den Manövescndungen hingewiesen. Zur genauen Aufschrift gehören: Familiennamen (möglichst auch Vornamme, unter Umständen die Ordnungsnummer), Dienstgrad und Truppen-Teil (Regiment, Bataillon, Kompagnie, Eskadron, Batterie, Kolonne rc.) und für gewöhnlich der ständige Garnisonort, eintretendenfalls mit dem Zusatz „oder nach- sendeu". Die Angabe eines Marschquartiers empfiehlt sich nur dann, wenn dasselbe genau bekannt und vorauszusehen ist, daß die Sendung so zeitig an dem aufgegebenen Bestimmungsort eintrifft, um vor dem Weiter- marsche in Empfang genommen werden zu können und daß die Abholung von der Post mit Sicherheit zu erwarten ist.
— Die deutsche Kaiserin gehört auch zu den Amateur-Photographen. Auf der gegenwärtigen photographischen Ausstellung in Berlin sind sehr hübsche Sachen von ihr ausgestellt. Es sind 30 Originalaufnahmen, welche die Kaiserin in den Jahren 1897 bis 1900 gmacht hat. Bilder aus Rußland, Palästina, England, Rominten, Hubertusstock, Urville, Kiel, Berchtesgaden, Homburg, Berlin, Potsdam; das neuste datiert auö Wil- helmhaven vom 2. Juli d. I.
— Das neue Gewehr, das unsere Chinatruppen mitbekommen, ist etwas kürzer, als das bisherige; was eS aber an Länge verloren hat, gewinnt es an Treffsicherheit und Schießschnclligkeit. Der Verschluß des neuen Modells umfaßt in einem Magazin sieben Patronen, während das seitherige nur fünf enthält. Auch das zugehörige Seitengewehr wurde einer Umwandlung unterzogen, es ist fast zweimal so groß als daS jetzige kleine Bajonett. Mit dieser neuen, ganz im geheimen angefertigten Schießwaffe soll in drei bis vier Jahren das ganze deutsche Heer ausgerüstet werden. In einigen illustrierten Zeitungen kann man das nene Gewehr schon sehen. Es unterscheidet sich äußerlich vom