Schwer erkämpft.

Roman von H. von Ziegler.

11) (Nachdruck verboten.)

Die Villa des Generals war schon zum Empfange der Neuvermählten festlich ge­schmückt, doch die Ankunft derselben verzögerte sich, ohne daß man wußte weshalb. Natür­lich beunruhigte sich der alte Herr höchlichst.

Am Nachmittag hielt vor der Thür eine Droschke, eine tief verschleierte Dame stieg heraus, während die ihr folgende Zofe den Kutscher ablohnte und das Gepäck mitnohm.

Starr und bleich, nur mit dem Kopfe der erstaunten Dienerschaft zunickend eilte Eva die Treppen hinan, nach dem Zimmer des Großvaters; an der Thür blieb sie stehen, preßte die Hand aufs Herz und murmelte qualvoll:O, wär'S doch erst vorbei! wie soll ich'S über die Lippen bringen!"

Der General wandte sich bei ihrem Ein» tritt gleichgültig um, als er jedoch dir- ge» liebte Enke lin erkannte. svrana er freudig "kewegt in"d!e"Höhe.

Evi, Liebling, ist das möglich? Ihr kommt ohne Sang und Klang! Aber was ist Dir!* Befremdet hielt er inne, Evos blaue Augen blickten ihn so todestraurig an, ihre süße Stimme sprach müde, tonlos:

»Großpapa, ich habe mich zu Dir ge­flüchtet mit meinem Schmerz"

Entsetzt fuhr Herr von Waldhcim zurück. War das seine rosige, lächelnde Evi oder eine völlig Fremde? Zitternd nahm er ihre eiskalte, kleine Hand in die Seine und frug noch dringender: »Eva, Kind, sprich deut­licher, was ist geschehen? Wo ist Dein Gatte?" Vollenden konnte er nicht, die Stimme schien ihm zu versagen, aber die arme, junge Fran neigte das blonde Köpfchen an seine Wange und sagte voll herzzereißen- den Zammerö:Der Graf ist wahn­sinnig, Großpapa!"

Vorbei war der Winter, und mildere Lüfte begannen zu wehen, allmählich lockte die Aprilsonne Halm und Gräser hervor, und wie bunlfltmmernde Juwelen lag um die Waldheim'sche Villa rin Kranz von Schneeglöckchen- und Märzbecherbeeten, da­zwischen duftende Hyacintcndolden, alles Lieb­linge der jungen Gräfin Posau.

Eva war wirklich beim Großvater ge­blieben , trotz aller Einwände der Mutter und sollte nun mit dem soweit wieder her- gestellten Gatten nach Schloß Sivtorf üder- siedeln. Sie hatte nach und nach ihr« bis­herige Heiterkeit und Frische wiedergcwonnen, der Verkehr mit dem lieben alten Manne that ihr unbeschreiblich wohl, und nur der Gedanke an eine Wiedervereinigung gab ihr «inen Stich ins Hez.

Heut« hatte sie denn auch endlich dem Direktor jener Heilanstalt, wo sich Posau befand, angezeigt, daß sie Mine Juni diesen nach Schloß Sintorf abholen werde. Ihr schönes Gesicht war sehr bleich, doch das Auge blickte klar, und der festgefchlvsseoe Mund trug ei» Gepräge energischer Willens­kraft, als sie jetzt an des Großvater» Zimmer klopfte.Herein," rief er, doch erst als Eva auf der Schwelle stand, merkte sic, daß der Großvater nicht allein war, doch nun konnte sie nicht mehr zurücktreten.

»Komm nur näher, Liebling, ich habe Besuch. Herr Professor Schönau, meine

Enkelin, Gräfin Posau," stellte er die beiden Personen einander vor.

Einen Moment stockte der Herzschlag der jungen Frau, und auch der ernste blonde Mann schrack zusammen, bann jedoch ver­beugten sie sich wie die Sitte es wollte, ob- schon der innere Aufruhr sich sobald nicht beruhigte. Das waren ja jene gehemnis- vollen Augen, die sie nimmermehr vergessen konnte, trotzdem sie nur für Minuten hinein­geschaut hatte.

O vcrgieb mir, Großpapa," begann die Gräfin entschuldigend,ich wollte Dir einen Brief zeigen, aber es eilt nicht ich will die Herren nicht länger stören."

Sie wandte sich bei diesen Worten halb zu dem Professor, der sie anblickte als schwebe eine Märchenfigur vor ihm nieder.

Sie stören gewiß nicht, Frau Gräfin. Ich wollte bei meinem kurzen Aufenthalte in W. den Herrn General doch oufsuchen, der mich so liebenswürdig damals unter­stützte"

Oho, Herr Professor, von einer kurzen Visite soll nichl die Rede sein. Sic werden bei unS essen, nicht wahr? M,ine kleine Hausfrau rechnet es sich zum großen Ver­gnügen, Sie bei unS zu sehen. Nicht wahr, Eva?"

Wenn ich nicht störe, Frau Gräfin?"

Eva'S Augen strahlten hell, und mit unbeschreiblicher Liebenswürdigkeit bot sie dem Gelehrten ihre Hand:Willkommen, Herr Professor! Großpapas Freunde sind auch die Meinigen I"

Sie eilte hinaus, um ihre Anordnungen zu treffen, und traurig wandte sich der Ge­neral an Schönau:Meine Enkelin hat ein trübes Geschick; ihr Gatte ward nach der Trauung wahnsinnig."

Ich hörte davon," antwortete der Pro­fessor,Graf Posau ist mir von Sintorf her bekannt, wo ich im Sommer stets einige Wochen wohne. Ich gratulierte ihm zur Hochzeit, aber schon damals fürchtete ich für ihn, denn er war seltsam gereizt und jäh­zornig."

Ich weiß," nickte der General grimmig, an all dem Elend ist allein meine Tochter schuld, denn sie hat Eva zu der verwünschten Ehe bewogen. Mit ihrem Bruder wäre die Kleine gewiß glücklicher geworden, er liebte sie aufrichtig."

So war Graf Posau Viktors Neben­buhler?" frug der Professor, dem plötzlich eine eisige Kälte durchs Herz zog; kramps­haft hielt seine Hand die Stuhllehne.

Ja," nickte der General wehmütig, am Tage noch vor der unseligen That ermutigte ich Oelzen. seine Bewerbung fortzusetzen, versprach ihm auch meine Hilfe dabei was dann geschah weiß ich nicht. Nur der Tote allein könnte Ausschluß geben."

Wer weiß ob nicht auch ein Lebender um die That weiß," stöhnte Schönau qual­voll, dann er erhob er sich.

Wenn sie mir erlauben, Herr General, komme ich zurück, sobald ich auf dem Kirch­hof war."

Wie ein Trunkener schritt draußen Pro­fessor Schönau dahin, die Worte deS Gene­rals hatten ihn gleich einem Blitzstrahl ge­raffen und das Dunkel gelichtet, welches über Viktors Tode schwebte. Zudem war er von neuem jenen süßen, zauberischen Augen ge- gegenüber getreten, die ihm schon längst alle

Ruhr geraubt! Eie war eines anderen Mannes Weib und schwer vom Schicksal geprüft.

Um ihn her wogte Blütenduft, lichle Sonnenstrahlen glitten über Wiesen und Hecken, er sah cS nicht, er hörte nicht den jubelnden Lerchengesang droben in der Luft, nur eine brennende Frage schnitt durch seine Seele: War er cs? War das Viktor- Mörder ?"

(Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

Der »blinde" Taschendieb. Am Place de la Madelaine in Paris fiel den Passanten dieser Tage ein blinder Mann auf, der, von einem etwa 11jährigen Mäd» chcn geführt, sich beständig in der Nähe der Tremway- und OmuibuS.Haltrstellen auf» hielt. Wo man sich am dichtesten um ein- der genannten Verkehrsmittel drängte, da war auch der gutgekleidete Blinde zu sehen. Für den flüchtig Hinschauenden hatte es den Anschein, als ob der seines Augenlichts Be­raubte, sich stets vergebens bemühte, mit seiner kleinen Begleiterin einen Platz in diesem oder jenem stark besetzten Wagen zu erobern. Bei seinen Anstrengungen streckte er, wie eS blinde Personen ja zu thun pflegen, die Hände tastend nach vorne aus. Ein Herr, den das Paar zu interessieren begann, beobachtete es aufmerksamer aus einiger Ent­fernung und da machte er denn allerlei seltsame Wahrnehmungen Sobald jemand mitleidsvoll dem Blinden beim Einsteigen behilflich sein wollte, wies er den Beistand schroff zurück, oder irk schnell zur Seite. Plötzlich aber bemerkte der Beobachter, daß die nach rechts tastende Hand des Mannes in der Tasche eines Damenkleideö verschwand und schnell wieder zum Vorschein kam. Ohne zu zögern, winkte der Herr einen Schutzmann herbei und derBlinde" wurde samt seiner Führerin verhaftet. Mit welchem Geschick der Gauner unter der rafffniert gewählten MaSke zu operieren verstand» beweist die Thatsache, daß er nicht weniger als 200 Franks bei sich hatte, während man in den Taschen der gut abgerichteten Kleinen 17 geleerte PoriemanaieS fand.

Bitte einer Telephonistin. Das Berliner Fremdenblatt" veröffentlicht nach derDeutschen Postzeitung" folgende Bitte einer Telephonistin:

Täglich sitze ich acht Stunden An dem Klappenapparat;

Täglich sind von mir verbunden 100 Kunden durch den Draht.

Und die 100 sprechen täglich,

Jeder mind'stenS selbst lOmal; lOmal spricht'S ist unerträglich Jeder von dem Personal.

Zu dem Stamm der angeschloffen, Kommen wieder 100 'ran:

Fremde, Eigne und Genossen

Alle, Alle bimmeln an.

Und es haben mir zum Grause Eile alle inSgesammt:

Bet der Hitze keine Pause!

Immer wieder tönt eS:Amt!"

Drum fleh' ich zu Dir, o Himmel! Helfen kann nur die Natur!

Schick, dann schweigt doch das Gebimmel, Täglich ein Gewitter nur.

Sirdaktisn, Druck und Verlag von Beruh. H » fm « nn in W tlb « d.