Schwer erkämpft.
Roman von H. von Ziegler.
4) (Nachdruck verboten.)
Mein lieber Friedrich!
ES ist eine furchtbar ernste Stunde, in der ich diese Zeilen an Dich richte; ste sollen Dir ja ein Abschiedswort für ewig zurufen, da ich eö nicht Aug' in Aug', Hand in Hand zu thun vermag. Wenn der Morgen graut, darf ich nicht mehr unter den Lebenden sein; ich habe mein Ehrenwort dafür verpfändet — und zwar einem Schurken! Es ist furchtbar, einen solchen Gegner zu haben!
Friedrich, mein treuer Brnder, Du sollst seinen Namen nie erfahren, um nicht Rache an ihm zu nehmen, denn ich will nicht ebenso niedrig denken als er.
Nun aber laß mich Dir diese düstre Sache erzählen, soweit ich kann und darf, die näheren Umstände können Dich nicht interessieren, weil die Beteiligten Dir fremd sind. Ich liebe schon seit längerer Zeit ein schönes Mädchen, das nur leider ebenso wenig Vermögen besitzt, als ich selbst; und doch hätte ich alles oufgeboten, sie zu erringen trotz allen materiellen Hindernissen. Nur konnte ich bis jetzt noch keine Liebe in ihren süßen Kinderaugen lesen. Außer mir bewarb sich noch ein sehr reicher Mann um sie. Gestern abend nun stand ich in einer Herrengesellschaft hinter dem Stuhle meines Nebenbuhlers und sah, wie er — mit falschen Würfeln spielte und Summe auf Summe gewann. Meine Hand lag schwer aus seiner Schulter als ich ihn um eine Unterredung bat und ihm dann unter vier Augen die schmachvolle Beschuldigung ent- gegenschleuderte. Kreideweiß vor Wut verlangte er Beweise, ich nahm die Würfel, um sie ihm zu zeigen, und jetzt waren es andere, echte! Da schleuderte er mir ein Schimpfwort zu, auf da- ich nur die eine Antwort zu geben vermochte: ich forderte ihn. Hohnlachend bestimmte mein Gegner die Waffen, obfchon dies mein Recht gewesen. Friedrich, mein geliebter Bruder! Mich bindet ein Eid, daß ich Dir näheres nicht sagen darf; wenn der Morgen dämmert, bin ich tot — mag der Allmächtige mir vergeben!
Und nun die letzte, heilige Bittreines Sterbenden! Laß ste Dir Friedrich, unverletzlich sein I Du sollst nicht nach dem Namen meines Gegners forschen. Führt ihn dereinst das Schicksal Dir in den Weg, so entlarve ihn damit er nicht noch mehr Elend anrichte, aber nicht hier — an meinem Sarge! Man könnte den Namen jenes teuren Mädchens mit meinem Tode in Zusammenhang bringen, und das will ich nicht!
So nimm denn zum letzten Male ein innig Lebewohl, Du geliebter Bruder. Wollte Gott, ich wäre in der Schlacht ehrenvoll gefallen, als so gezwungen zu werden, mir selbst das Pistol an die Schläfe setzen zu müssen. Friedrich, es ist ein Selbstmord, den die Gesetze der Ehre legitimieren. Grüße unser Großmütterchen, aber laß sie nichts von diesem meinem furchtbaren Schicksal erfahren. Du aber mein Friedrich, verurteile mich nicht, behalte mich lieb und beweine mich wie dein
edles Herz rS vermag. Treu dein armer Viktor!"
Das Briefblatt sank zu Boden, mit einem dumpfen Schmcrzenslaut bedeckte der Professor sein Gesicht; totenstill war's um ihn her, jeder Lärm draußen verstummt und niemand beobachtete den furchtbaren Seelenkampf deS einsamen Mannes.
So war er also schon tot! Der schöne, lebebcnsfrohe Offizier hatte als Opfer eines Schurken fallen müssen, denn bei dem Professor stand die Ueberzeugung unerschütterlich fest, daß Viktor recht gesehen nnd sein Gegner falsch gespielt habe. Langsam hob er den Brief vom Boden auf, um starren AugeS noch einmal die letzten Worte desselben zu lesen.
Noch vermochte der tieferschütterte Mann das Unglück kaum zu fasse», das über ihn hereingebrochen; totenbleich, starrte er auf die eleganten, festen Schriftzüge da vor sich, der Schlag traf jäh und unerwartet, er verwundete Schönau bis innerste Lebensmark.
Viktor war tot, durch eigene Hand gefallen I Zweifellos lag hier eines jener schrecklichen amerikanischen Duelle vor, welche jedes Ehrengericht verwirft; indcß hatte der junge Offizier wohl die Forderung des Gegners nicht zurückweisen mögen, um vor demselben nicht als Feigling zu erscheinen.
Qualvoll stöhnte der Professor auf. Abermals war nun ein geliebtes Wesen von ihm gegangen, wie bald würde er ganz allein und einsam sein!
Vor seinen Augen schwankte die Lampe, der Tisch, das Zimmer, doch keine Thräne kühlte den brennenden Schmerz seiner Seele, und nur immer von neuem wiederholte er das eine trostlose Wort: ,Tot, für daS ganze Leben auseinander gerissen l"
Dann sprang er empor und trat ans offene Fenster, hell flimmerten am nacht- dunklen Himmel Myraden von Sternen, in den Bäumen rauschte ein schwacher Luftzug, und fernher schrie das Käuzchen.
Regungslos blickte der einsame Mann hinaus in Dunkelheit, vor ihm tauchte des Bruders schönes Gesicht auf, grüßend neigte cs sich ihm entgegen, jetzt blitzte der Lauf eines Revolvers — ein Schuß krachte! Taumelnd wich Schönau zurück, als sei er selbst getroffen.
„Nein, Herr Gott im Himmel, nein! ES kann ja nicht sein! ES ist nur ein graußiger Traum!"
Sobald der Tag graute, wollte er an Viktor oder dessen Kommandeur telegraphieren, vielleicht konnte er noch gerettet werden, die Hoffnung war gering, sehr gering, und doch klammerte er sich daran, wie der Ertrinkende an einen Strohhalm.
Langsam verrannen die Stunden dieser Nacht, kreischend verkündete die Wanduhr eine jede derselben und Friedrich Schönau fuhr jedesmal jäh empor bei dem schrillen Tone.
Endlich tauchten im Osten fahlgraue Streifen empor, breiter wurden sie, deutlicher und färbten sich immer mehr violett; endlich goß sich ein leises, zartrostges Licht darüber aus, nahm zu und wurde stets intensiver, bis eS endlich wie flammender Purpur erschien. Dann tauchte der goldene Rand des glänzenden Tagesgestirns zwischen zwei mächtigen Felswänden auf, immer höher > stieg es, küßte di- Bergesgipfel, daß ste
rosig erglühten, tauchte hinab in die Silberfluten des Bächleins und übergoß die Landschaft ringsum mit Glanz und Pracht.
Auch in den Zweigen und Aesten ward eS lebendig, die Vögel erwachten und schmetterten jubelnde Morgenlteder in den taufrischen Aether.
Nur dort am Fenster der bleiche, schmerz- ersüllte Mann sah nichts von all' den Herrlichkeiten , mühsam rang er nach Fassung, ein Trauerflor verhüllte in seinen Augen die ganze Natur.
Er mußte sofort telegraphieren und dann abreisen, hastig schob er des Bruders Brief in sein Portefeuille, damit nicht etwa die Großmutter ihn fände.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Der gestohlene Hausknecht. Eine ergötzliche Scene spielte sich kürzlich in Paris auf der Straße ab. Einer jener Menschen, die gern aus den Taschen anderer leben, schleuderte in der Rue Drouot umher und beobachtete einen großen Handwagen, der schon seit einer Viertelstunde vor einem mehrstöckigen Hause hielt. Das Gefährt war mit einer starken Leinwand bedeckt, und das geräumige Innere ließ auf reichlichen Inhalt schließen. Da er niemand erspähen konnte, der Interesse an dem verlassenen Wagen zeigte, spannte er sich schnell davor und lief, so rasch er konnte, mit seiner Beute davon. Er hatte es so eilig, daß er an der Ecke des Boulevard Montmartre und der Rne de Richeleu mit einer ihm entgegenkommenden Droschke zusammenprallte. Erschreckt über seine Ungeschicktheit blickt er prüfend auf das entjührte Gefährt, ob es auch nicht Schaden gelitten hätte. Da glanbt er plötzlich eine Vision zu haben, und vor Entsetzen bleibt er wie angewurzelt stehen. Die Leinwanddeckc teilte sich und heraus steigt — ein kräftiger Bursche, der, nachdem ste die letzten Waren abgeliefert und sein ihn begleitender Gefährte in einer Weinkneipe Station gemacht hatte, unter dem schützenden Dach seines Wagenkastens eine kleine Siesta halten wollte. Aus süßem Schlummer wurde er nun durch die Kollision geweckt. Ehe der Strolch zur Besinnung kam und seine Rettung in schleuniger Flucht suchen konnte, hatte ihn schon der sich schneller von seiner Ueberraschung erholende Hausknecht am Kragen gepackt und einem Polizisten übergeben.
.'. (Briefwechsel zwischen Vater und Sohn ) „Liebe Eltern! Zch wollt' Euch schon immer schreiben, aber die Zeit ist knapp; nehmt einstweilen mit dem guten Willen sürlieb. Seid doch so gut und schickt mir etwas Geld!" — „»Lieber Sohn! Wir würden Dir gern noch etwas Geld schicken, aber das Geld ist sehr knapp. Nimm einstweilen mit dem guten Willen sürlieb!""
.-. (ZärtlichkeitSausbruch.) Veilchenstengel (seine Frau küssend): „Rebekkaleben, Du bist doch gewesen das glänzendste Geschäft meines Lebens I"
.-. (Geistreich ) «Entschuldigen Sie, ich muß Sie schon mal gesehen haben; sind Sie nicht eine Schwester oder Verwandte der Frau Doktor Springer?" — „„Nein, aber ich bin Frau Doktor Springer selbst!"" — „Aha, daher die fabelhafte Aehnlichkeit!"
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmann tu WilHad.