Schwer erkämpft.
Roman von H. von Ziegler.
3) (Nachdruck verboten.)
Schweigend begann der Professor die frisch eingetauchte Binde um das kranke Glied zu wickeln, wobei Stolzner vor Schmerz die Zähne zusammenbiß und die Hände ballte, aber gleich darauf erhellte sich sein finsteres Gesicht, und als sich Schönau zum Gehen erhob, reichte er ihm halb verlegen die schwielige Rechte.
„Ich dank' auch recht sehr herzlich, Herr Professor, daß Ihr Euch meiner Schmerzen so erbarmt l Hält' eS nimmer geglaubt, daß ein Mensch so gut sein kann."
„Ich hatte gehofft, Euch nicht mehr so einsam zu finden, Aloys Stolzner. Denkt an das herannahende Alter, es muß doch schön sein, sich einmal Pflegen zu lassen."
„Ja, wenn die Anne nur wollte!"
„Die Bäuerin vom „roten Hof"?"
-Ja, seufzte Stolzner, ,ste ist wohl freilich zornig und schrecklich mißtrauisch, aber weitaus das bravste Weibsbild, das man finden kann. Ihr seliger Mann war ein gar zu dummer Kerl, der nichts that als essen und schlafen."
„So würdet Ihr sie gewiß glücklich machen können."
„Ja, ja, ich dacht's schon oft im Stillen, aber seht Ihr, Herr Professor, so ein studierter Herr kann alles weit besser aus- drücken."
„Nun muß ich aber fortgehen, Stolzner. Laßt Euch von der Veronika den Umschlag erneuern und die Arnika dazu verdünnen; morgen besuche ich euch wieder und will einige Kalender zum Lesen mitbringen. Das Wird Euch zerstreuen."
„Wie gut Ihr doch seid," murmelte beschämt der Kranke, „nchmt's nur nicht übel, daß ich Euch so bissig zuerst anließ.
„Nicht im Geringsten, bester Stolzner, doch will ich die gute Stunde benützen, Euch um etwas zu bitten."
„Hm, was könntet Ihr, der vornehme Herr, von mir einfachen Bauern verlangen?"
Der Mann schien von Neuem mißtrauisch zu werden, doch Schönau fuhr, ohne auf die unwirsche Zwischenrede zu achten, fort:
„Räumt doch, wenn ihr wieder gesund seid, einmal ordentlich in Haus und Hof auf, damit es freundlich auSsteht. Versteht Ihr mich, Stolzner?"
Der Kranke wurde sehr rot, ein verlegener Blick streifte den zerrissenen Sessel» bezug und die eigene, unsaubere Jacke, dann seufzte er unmutig: „Wenn die Anne nur wollte, da würde freilich alles besser!"
„Wenn Ihr Euch ändert, Freund," tröstete der Gelehrte, „und mehr auf das äußere Ansehen achtet, wird auch sie Euch mehr gewogen sein, denn sie ist eine durchaus ordentliche und accurante Frau! Denkt nur nach über meine Worte, Stolzner, und seid überzeugt, ich meine es herzlich gut mit Euch und ihr. Auf Wiedersehen denn und eine gute Nacht!"
Während dieses Heimweges erfüllten von neuem eigentümliche Gedanken denn sinnend dahinschreitenden Mann. Zwei Menschen- seelen, rauh und schroff wie die Berge ihrer Heimat, lagen offen vor ihm; beide erfüllt und vergiftet von Mißtrauen gegen den
Nebenmcnschen und dennoch beide gnt. Sollten sie nicht zu einander paffen? Sie trugen ja gleiche Sehnen nach wahrem Glück und Frieden in der Brust.
Die Sonne sank in blendender Pracht drüben im Westen, goldne Wölkchen flogen als Scheidegruß am tiefblauen Himmel empor; zwischen dunklen Tannen tauchte jetzt das Häuschen auf, welches Friedrich Schönau mit der Frau Ahne bewohnte. Hoch und steil stieg hinter dem Wohngebäude eine Felswand empor, beleuchtet vom purpurnen Abendschein. Schlanke Edeltannen schoben sich kultffenartig rechts und links vor und im Vordergründe ein Beet schönster, hochstämmiger Rosenbäumchen; das war des Professors Stolz und größte Freude, er hegte und pflegte sie ganz allein während seines Aufenthaltes in Sintorf.
„Guten Abend, Friedrich," rief jetzt eine liebe Stimme, und langsam kam Frau Ahne ihm entgegen, auf einen Stock gestützt, daS faltige Gesicht mit den milden, blauen Augen leuchtete freudig auf, als sie des geliebten Enkels ansichtig wurde.
„Guten Abend mein liebes Mütterchen," klang die Antwort, und liebevoll umschlangen Schönaus kräftige Arme die Greisin, „wie hast du den Nachmittag allein verlebt?"
„O recht gut," lächelte sie, „ich goß die Rosen und beschnitt sie, fütterte Hühner und Enten und ließ mir endlich Kathi vorlesen."
„Meine Erlebnisse teile ich Dir beim Abendessen mit, Großmama. Sind Briefe gekommen?"
„Ja," nickte die alte Dame, „wahrscheinlich einer von Viktor, wenigstens ist der Poststempel aus seiner Garnison."
„Das freut mich I der gute Viktor schreibt so fleißig, seine letzten Zeilen habe ich noch nicht einmal beantwortet."
„Ist Graf Posau schon auf dem Schlosse?"
„Nein, er kommt wohl gar nicht, und mir ist es wegen meiner historischen Studien sogar lieb."
In dem kleinen freundlichen Zimmer stand der Tisch bereits gedeckt, und die Dienerin brachte soeben noch eine Schale voll köstlicher Milch; aber Frau Ahne blieb noch einen Augenblick draußen stehen und blickte bewundernd um sich.
„Wie schön, o wie herrlich," murmelte sie bewegt, „ich bin so glücklich, daß ich diese schöne Natur noch einmal sehen darf, ehe ich für immer scheide."
„Großmütterchen, Du sprichst immer vom Scheiden," sagte traurig der Professor, weißt Du denn nicht, daß ich dann ganz einsam zurück bleibe?"
„Nur bis zum Wiedersehen, mein Kind. Das Leben ist kurz, wer weiß, wann auch für Dich der Tod kommt."
Gedankenvoll nickte Schönau.
Ja, Großmama, Du hast recht, das Leben ist kurz und wir sollten immer vorwärts sehen in die Ewigkeit. Und nun komm zum Abendessen, Viktors Brief lese ich nachher."
Bald saßen die Beiden mit der langjährigen treuen Dienerin beim Essen, welches ihnen allen vortrefflich mundete; das frische Brot, die goldgelbe Butter, der Ziegenkäse und die leuchtenden Waldbeeren — nicht
mit einem Fürsten hätte der Professor zu dieser Stunde getauscht.
Nach dem Essen begab sich die Greisin zur Ruhe. Liebevoll geleitete Schönau sie bis zur Thür ihres Zimmers, küßte ihre Hände und schritt dann hinüber in sein Studiergemach, um endlich den Brief des treuen Bruders zu lesen.
„Sonderbar! Er muß eine speziellen Grund haben, daß er schreibt, wo ich ihm doch eigentlich einen Brief schulde," murmelte er vor sich hin und knisternd brach das Wappenstegel; zwei engbeschriebene Bogen entfielen dem Kouvert, und der ernste Mann zog die Lampe näher, um sie zu lesen.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Wenn harte Eier weich sind. Sennor Dellapuerta ist ein stolzer, aber auch heißblütiger Spanier aus der schönen Provinz Andalusien und weilt jetzt in Paris, um die Ausstellung zu sehen. Dieser Tage betrat er hungrig und durstig eine Bierstube auf dem Boulevard Belleville und bestellte ,un kovk" und zwei harte Eier. Der Kellner brachte das Bier und stellte, wie eS in Paris üblich ist, einen großen Teller mit gesottenen Eiern auf den Tisch. Sennor Dellapuerta trank, brach dann ein Ei auseinander und bekam das ganze weiche Eidotter auf seine funkelnagelneuen Beinkleider. Die Eier waren nicht hartgesotten, kaum wachsweich. Der Spanier eröffnete den un» vermeidilichen Meinungsaustausch sofort mit den saftigsten Grobheiten, der Kellner, nach Pariser Art in Weiß gekleidet, ist so unvorsichtig , dem Hidalgo zu antworten, der Wirt ist noch unvorsichtiger und giebt dem Kellner Recht und so kennt die Wut des Spaniers keine Grenzen mehr. Zunächst wirft er dem Kellner zwei weiche Eier an den Kopf, dann dem Wirte und berauscht von den herrlichen Farbenwirkungen seines Verfahrens, verbombardierte er den ganzen Eiervorrat vom Teller, bis das ganze Lokal hellgelb bcklext und der Schutzmann erschienen ist, um ihn zur Beruhigung auf das Polizeiamt zu führen. DaS kommt davon, wenn harte Eier weich sind.
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MW
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Redaktion, Druck und Vertag von Beruh. Hofmaun in Witb « d,