Schwer erkämpft.
Roman von H. von Ziegler.
2) (Nachdruck verboten.)
„So lebt denn wohl für heute, Rothofsbäuerin, ich besuche Euch nächstens; kommt Ihr auch bald zum Großmütterchen, sie wird sich herzlich freuen."
Freundlich bot er ihr die Hand ohne zu bemerken, daß sie dunkelrot wurde als sie die Ihrige hineinlegte, ihre Augen leuchteten stolz und nachdem die hohe Gestalt verschwunden war, blickte sie ihr täumerisch nach. Dana raffte sie beinah mechanisch die Heugabel auf, welche ihren Händen entglitten war; sie mußte ja noch hinüber zu der letzten Wiese, doch für heute war ihr das Interesse an der Arbeit vergangen. Sinnend schaute sie zu den mächtigen Berge» auf, für die nun erst der Sommer kam, nachdem der schimmernde Schneemantel hinweggeschmolzen. War denn das die „wilde Anne" vom roten Hof? Heiß und unaufhaltsam stürzten Thränen aus ihren Augen; sie, die seit ihrer Mutter Tode nicht mehr geweint, trotz allem Kummer und Schmerz, rrschrack beinahe über diesen jähen GesühlS- ausbruch. Was hatte das zu bedeuten? Warum pochte ihr Herz und jauchzte doch dabei?
Tief in Gedanken verloren schritt indes Professor Schönau dahin, und es war ihm nicht möglich sich abzuwenden von der herben, doch rechischaffenen Menschenseele, in die er soeben einen Bl'ck gethan. Jene Sehnsucht nach Liebe, die in Frau Anne lebte, kannte er nur zu gut; sic war ein bisher unerfüllter Wunsch seines Herzens. Schon frühzeitig hatte er den Vater verloren, an dem er voll Zärtlichkeit gehangen, und seine Mutter schloß bereits nach wenig Zähren eine neue Ehe. Wie ein Donnerschlag traf dies den zwölfjährigen Knaben, denn nun, meinte er, würve ihm auch die wenige Liebe entzogen, die ihm die Mutter gezeigt. Als dann später fein Stiefbruder geboren wurde, übertrug Friedrich Schönau die ganze leidenschaftliche Neigung seines weichen, tiefen Gemütes auf das Kind, welches er wie seinen Augapfel hütete.
Jahre vergingen, aus den Knaben wurden Männer. Viktor, der Stiefbruder, trug des Kaisers Rock als schlanker, schöner Offizier, während Friedrich an der Universität zu B ... den Professorentitel errungen hatte. Beide hingen noch immer voll inniger Liebe aneinander und unterhielten einen regen Briefwechsel; nichts destoweniger fühlte Schönau sich recht einsam. Seine Eltern waren gestorben, heiraten wollte er nicht, denn bisher fand er noch kein weibliches Wesen, das ihm Liebe einflößte und so nahm er endlich die alte Großmutter zu sich, um ein Leben zu haben, das ihn liebte und für ihn lebte.
Ach, die prächtige alte Frau! Mit Hellem Auge und schlichtem Sinn ging sie freundlich durchs Leben, von allen geliebt und verehrt.
Mit unendlicher Liebe und Ehrerbietung hing Friedrich Schönau an der alten Frau; wie so gerne saß er neben ihrem Lehnstuhl, ihr dir welken Hände in die Seinen schließend, und plauderte von allem, was ihn beschäftigte, denn sie nahm am Geringsten Anteil und ihre Seelenruhe teilte sich seinem Gemüte
mit. Auch dies Jahr war die alte Frau mit dem Enkel in die kleine Sommerwohnung zu Sintorf übergesiedelt, voll Dankbarkeit, daß sie noch einen Sommer mit ihm erleben durfte. Ach, wenn sie einst nicht mehr da war l
Seufzend strich der ernste Mann das Haar von der Stirn; er durfte nicht an diese Zukunft denken, nicht an die öde Einsamkeit, welche ihn dann wiederum erwartete. Von drüben her schienen ihm die Berge zuzuwinken, durch die warme Luft drang der Ton der Herdeuglocken, und harmonischer Abendflieden breitete sich rings über die Natur.
Endlich stand Professor Schönau am Ziel seiner Wanderung, einem abgelegenen Bauernhöfe, der ziemlich wüst und verkommen aussah; wütend schlug der zottige Kettenhund an, klirrend war im Erdgeschoß ein Fenster zugeworfen und gleich darauf erschien eine Magd.
„Grüß Gott," nickte der Gelehrte freundlich.
„Ach der Herr Professor," stotterte die Angeredete ganz verwundert, „seid's ihr wieder in Sintorf?"
„Ja, das bin ich und wollte Euren kranken Herrn besuchen; geht hinein und sagt eS."
„Ach, er will niemand sehen, nicht einmal den Doktor oder Schäfer."
„Geht immer hin und sagt ihm, Professor Schönau sei da." Doch dos Mädchen kehrte sogleich wieder zmück mit dem verlegenen Bescheide: Aloys Stolzier könne ten Herrn nicht sehen weil er krank sei.
„Ei, deswegen eben kam ich her," meinte der Gelehrte gütig, „ich will ihn zerstreuen und mit ihm plaudern."
„Der Bauer meint", stotterte die Magd bestürzt, „es sei — in der Stube nicht aus- gcräumt. — Nehmt eS eben nicht übel, Herr Professor."
„O nein; ich weiß ja, daß Euer Herr krank ist," und gelassen schritt der Professor an der Magd vorüber in die Stube.
Die schrägen Strahlen der scheidenden Sonne fielen auf die hohe Gestalt und den blonden Vollbart deS Gelehrten, als er über die Schwelle trat; des Bauern schwerfällige Figur richtete sich aus einem wackligen Lehnstuhl ein wenig in die Höhe, und grämlich blickte er den Eintretenden an.
„So bemüht ihr Euch denn doch hierher, Herr Professor," begann er nicht gerade allzu freundlich, „bei mir giebls nichts zu sehen und zu hören."
Schönau kannte den Mann und sein Mißtrauen von früher, deshalb schien er gänzlich diese Anrede zu überhören.
„Ich wollte nur Euren kranken Fuß einmal untersuchen," erwiederte er gutmütig, „Ihr wißt, ich verstehe etwas von der Heilkunde."
DaS breite Gesicht des Bauern zeigte noch immer den argwöhnischen Ausdruck, aber er begann doch etwas höflicher: „Ich glaubte gar nicht, daß Ihr Heuer wieder nach Sintorf kommen würdet, Herr Professor."
„Ei, gewiß, Stolzner. Ich sehnte mich das ganze Jahr nach Euren Bergen."
Ruhig legte Professor Schönau Hut und Stock auf den T'sch, schob sich einen Stuhl neben den Bauern, und entfernte dann vorsichtig den Verband von dem dick ange
schwollenen Knöchel; trotz dieser leisen Berührung stöhnte der Bauer schmerzlich bei tiefer kurzen Untersuchung des verletzten Gliedes.
„Das ist eine schlimme Stelle, mein armer Siolzner," bemerkte Schönau teilnehmend, „Ihr habt Euch den Knöchel verrenkt, müßt ihn ganz fest binden und recht still liegen ; so ist vielleicht bis nächste Woche alles wieder gut. Habt Ihr Arnika im HauS?
„Frag tdic Veronika," brummte der Bauer verdrossen, „schöne Aussicht, bis nächste Woche zu liegen. Da wird alles drunter und drüber gehe», denn sie arbeiten doch eben nur, wenn man mit Wettern und Schimpfen dahinter ist."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Das eiserne Kreuz des Großherzogs Peter. Von der Bescheidenheit, die den verstorbenen Großherzog Peter von Oldenburg auSzeichnete, legt auch ein Täegramm Zeugnis ab, das er aus der Zeit der Belagerung von Metz, wo er sich bei seinen zum 10. Armeekorps gehörigen Truppen aufhielt, an seine Gemahlin richtete. Der Großherzog, so vermeldet die „Bosfische Zeitung", hatte an dem Ausfall-Gefecht des 7. Oktober teilgenommen und erhielt, mit seinem Sohne, dem jetzigen Großherzog, am 9. Okt. das Eiserne Kreuz. Diese Verleihung zeigte er der Großherzogin in nachstehendem Telegramm aus Rügst, 9. Oktober, an: „Der König von Preußen hat mir und August das Eiserne Kreuz verliehen. Ich kann in dieser Auszeichnung nur eine Anerkennung für die Oldenburger Truppenteile finden, da wir beide keine Gelegenheit hatten, uns irgendwie anszuzeichnen. Viele Grüße Peter."
— Der „längste Tag des Jahres" geht im hohen Norden spurlos vorüber, denn alle über dem nördlichen Polarkreis liegenden Gebiete erfreuen sich eines ununterbrochenen Tages. In Bodö in Norwegen scheint d<e Sonne unaufhörlich vom 20. Mai bis 12 Juli, also 44. Tage, in Tromso vom 18. Mai bis 24 Juli, 69 Tage, in Hammerfest vom 13. Mai bis 29. Juli, 76 Tage, und am Nordkap können die Touristen die Sonne ununterbrochen vom 11. Mai bis August, also ganze 81 Tage hindurch sehen, wenn sonst klarer Himmel herrscht, was aber selten der Fall ist.
— Gute Schuhe unter voller Garantie erhält man in Leo Mändle'S Schuhfabriklager in Pforzheim:
Rohrstiefel sehr stark, genagelt von ^ 7.— an
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S0MI.E x/rnsci-N
Merks.
Ein Herz, einmal vom Argwohn vergiftet, hat keine Raum mehr für Liebe.
Redaktion, Druck und «erlag von Ber« h. Hofm « nu tu Wildbad.