Peitschenstock und einem Seilstumpen auf dasselbe einschlug, bis cS ohnmächtig war. Sodann wurde der Knabe unter die Bett­stelle geworfen, wo er in bewußtlosem Zu­stand die Nacht verbrachte. Ein andermal wurde der Knabe einen ganzen Tag lang in einen Hühnerstall gesperrt und ohne Nahrung gelassen. Wie Augenzeugen aus- sagrn, wurde das Kind einmal eine Zeit lang nackt in einen Kübel kalten Wassers gehalten und nachher in rohester Weise miß­handelt. Bei der gestrigen ärztlichen Unter­suchung war der ganze Körper des armen Geschöpfs mit blutunterlaufenen Striemen bedeckt. Das entmenschte Ehepaar wurde bei der Staatsanwaltschaft in Ravensburg zur Anzeige gebracht und wird hoffentlich der verdienten Strafe nicht entgehen.

In der Stadt Laupheim erzählt man sich ein Stückchen von einem Schlossermeister, der am Himmelfahrtsfest in einem bekann- Cafv mit einer Flasche Champagner Bekannt­schaft machte und darob so erfreut wurde, daß er die Flasche durch das Schaufenster warf. Jetzt wird dem Meister ein Nota von 120 ^ präsentiert.

Staad am Bodensee, 27. Mai. Ein seltenes Exemplar von Forelle fing gestern Herr Georg Meßmer hier mit dem Felchen- garn, nämlich einen Riesenfisch von 105 Cenlimtlrr Länge, 57 Ctm. Umfang und dem Gewichte von 27 Pfund.

Brötzingen, 1. Juni. Seit acht Tagen wird die 15 Jahre alle Anna Birk vermißt. Bis jetzt fehlt jeder Anhaltspunkt über das Verschwinden des Mädchens. Dasselbe ist mittelgroß, ist bekleidet mit karrierler Taille, weißgesteintem Nock und rosafarbiger Band­schürze.

Die Kosten des Empfangs des Kaisers Franz Joses in Berlin betragen nach re, Abschlußrechnnng für die Giadt 95 000 50 000 ^ waren schon bewilligt, sodaß die Stadtverordneten noch den Posten von 45 000 nachzuverwilligen haben. Ins­gesamt, einschließlich Jlluminationszwecke», find wohl weit über eine Million Mark auSgegtben worden.

Um der Leutenot auf dem Lande zu steuern, sollen noch einer Anordnug des Regierungspräsidenten in Kassel die Ge­fangenen der Strafanstalten als Arbeiter an die Landwirte abgegeben werden. Diejenigen Landwirte, welche AnstaltSgefangcne verwenden wollen, haben für einen UrterkunflSraum zu sorgen, in welchem die Gefangene» nach der Arbeit untergcbracht und bewacht werden können. Die Kosten für Mann und Tag stellen sich auf etwas über eine Mark.

Herr Julius Maggi, Teilhaber der Maggi-Gesellfcdaft in Berlin und Singen und Erfinder der bekannten Maggi-Erzeug­nisse wurde, wie schon im Jahre 1889 , so auch diesmal wieder zum Mitglied des Inter­nationalen PrriSrichlerkollegiumS auf der Pariser Weltausstellung ernannt.

Bei den rheinischen Weinversteiger-

UNgtN ist es üblich, daß während der Ver­steigerung selbst, wie auch an verschiedenen Tagen vorher, Kostproben ü äiskrötion un­entgeltlich an jedermann verabfalgt werden. DaS machen sich viele Leute zu Nutze, die gerne .kosten", aber durchaus nicht anS Kaufe» denken. Dem Vernehmen nach be- abstchtigt nun die preußische Dvmänever- waltung, praktisch wie sie ist, diesem wohl

auch in privaten Weinhändlerkreisen oft schon lästig empfundenen Unfug zu steuern. Bei der nächsten Domanial-Weinversteigerung im Kloster zu Eberbach soll nämlich, wie man liest, ein Eintrittsgeld von 5 ^ pro Per­son erhoben werden. Der Erlös fließt einem wohlthätigen Zwecke zu. DaS wird aller­dings vielen nicht gefallen.

Ein böhmisches Mädchen diente in der Familie des SpcisewirtS Hering in Dres­den als HauSmogd. Um sich wegen eines Verweises an ihrer Dienstherrin zu rächen, stieß sie dem ein Jahr alten Kinde ihrer Dienstherrschaft eine Nähnadel bis an das Ochr in den Unterleib. Das Kind schrie vor Schmerzen, die Frau Hering untersuchte eS deshalb und fand die Nadel. Zum Glück konnte sie noch rechtzeitig entfernt werden. DaS entmenschte Weibsbild wurde zu einem Jahr sechs Monaten Gefängnis verurteilt.

Die schlechte Sehkraft der englischen Königin giebt zu täglich ernster werdenden Besorgnissen Anlaß. Ein berühmter aus­wärtiger Augenarzt sei kürzlich befragt wor­den, aber auch er hat nicht helfen können Die Königin ist 82 Jahre alt.

Der Expreßzug von Paris nach Petersburg stieß am 30. Mat nachmittags auf der Brücke über den Mennefsis-Kanal mil einem Güterzuge zusammen. Die Maschine des ExpreßzugeS stürzte ins Wasser. Beide Lokomotivführer sind tot.

Belgrad, 31. Mai. Furchtbare Wolken­brüche richteten in ganz Serbien große Ver­heerungen an.

.-. (Aus dem Gerichtssaal.) Richter (zum Beklagten nach dem Verlesen der Klage): Haben Sie etwas darauf zu bemerken?" Beklagter:Ja, ich bestreite Alles nur nicht die Kosten I"

Der Uebersall in Wildbad,

ein vaterländisches Schauspiel aus dem 14. Jahrhundert in 3 Auszügen für eine Volks­bühne in W i l d b a d v. vr. Teufel.

Kann man sich wohl etwas Schöneres denken, als wenn das patriotische Gefühl, dir Verehrung für sein Vaterland, die großen Thaten unserer Vorder», in beredter Welse uns von der Bühne herab entgegcnklingen? Nicht in gespreizten Versen, oder gar in über­triebener Form, sondern einfach, schlicht und wahr, wie sie uns geschichtlich überliefert! In derselben Mundart, dargestellt von hen Nachkommen der Geschlechter des Volkes, wo sie geschehen I Jahrelanges Studium der Geschichte in dumpfer Schulstube, ver­mag wohl kaum, namentlich auf ein junges Gemüth, den Eindruck zu Hinterlossen, als ein paar Stunden der wirklichen Darstell­ung von der Bühne herab, wie es mehr und mehr Ausbreitung findet und an Aller­höchster Stelle eifrig unterstützt wird, sodaß jetzt überall patriotische Volksvorstellungen stattfinden, die den schönsten Keim im Men­schenherzen, die Vaterlandsliebe, zur starken Wurzel gedeihen lassen.

Die Voiksschauspiele haben einen religiösen Ursprung und stammen nachweislich aus dem 13. Jahrhundert, wo sieGeistliche Spiele", Mysterien" oderPasstonsspiele" hießen und in Frankfurt, Heidelberg, Donaueschingen, Alsfeld, Freiburg u. s. w. stattfanden. Ihren Höhepunkt erreichten sie in Oberammergau, dort werden sie seil 1634 als Gelübde für

das Erlöschen einer Seuche, in regelmäßigen Zwischenräumen gegeben und lenken heute das Interesse der ganzen zivilisierten Welt auf sich. In diesen PasstonSfpielen wirb ausschließlich das Leben Jesu dargestellr, denn die klugen, sonst der Bühne abholden Priester, erkannten ganz richtig einen wie großen Eindruck die vor Augen geführte Dar­stellung das Leiden des Erlösers bei den Gläubigen hinterläßt. Aehnlich, aber schon mehr zum Patriotismus neigend, sind die Lutherfestfpiele von deren die besten von Herrig, Devrinet, Henzen, Trümpelmann zu erwähnen wären. So entwickelten sich all­mählich die patriotischen Volks- u. Festspiele die nun zum Segen des Vaterlandes in noch verstärkertem Maße wie in den Passtons­spielen einen Eindruck auf das Volk zurück­lassen. Unvergeßlich bleibt es Jedem, der einer Tellaufführung in der Schweiz bcige- wohnt hat, wo an der Stätte des großen Baterlandshelden seine Thaten, von seinen Nachkommen dargestellt, verherrlicht werden. In Hellen Schaaren ziehen da die Zuhörer herbei. Jung und Alt, Arme und Reiche, um eine Erinnerung fürs ganze Leben mit Heim zu nehmen.

Auch in Wildbad, dem gesundheit spen­denden Bade, auf historischem Boden, ist man dem Beispiel gefolgt und Herrn Or. Teufel hat ein BolksschauspielDer Ueberfall in Wildbad" verfaßt, welches am Kgl. Kur- thealer zur Aufführung gelangte. (*

Ans Vaterland, anS theure, schließ Dich an". So heißt das treffende Motto seines Werkes. Diese Worte bewahrheiten sich auch so recht bei der Aufführung. Nicht nur, daß uns ein historisch getreues, farbenpräch­tiges Bild vor Augen geführt wird, sondern auch die Darsteller selbst bekunden eine Hin­gebung für die gute Sache, durch Fleiß, Ausdauer und Energie, welche eben nur die Liebe zum Vaterlandc Hervorrufen kann. Abgesehen von der Eingangsscene, die besser handilnd dargestellt, als mir erzählt werden sollte, ist das Stück, für den Zweck für welchen eS geschrieben, tadellos. An manchen Stellen, ich erinnere nur an den Monolog des Grafen, wenn er den Strand der Enz schildert, ist es sogar hoch poetisch. Zu dra­matischer Höhe von packender Wirkung schwingt sich Hc r Teufel in der Scene mit dem Juden auf und ist die geschickte Wendung, daß der Jude, zum Schluß seiner ergreifen­den Erzählung, glaubt, er hätte nur von seiner Judith geträumt, erhaben schön. Den Kern des Stückes bilden die BürgrrSscenen, urwüchsig, natürlich und mit Volkshumsr treffend geschildert, sodaß der Gesamteindruck des herrlichen Werkes ein bleibender sein wird. Zum Schluß des Spieles bekundete sich der Beifall in begeisterten Zurufen in die wohl jedes freudig mit einstimmt, dem die fortschreitende Bildung des begonnenen Jahrhunderts hochwillkommen ist, denn grade das VolkSschauspirl wird mit dazu beitragen den Kampf gegen die Finsterlinge siegreich zu vollenden, darum soll unö der jüngste Sieg im Reichstage ein zweites Sedan sein!

E. Albert.

(* Von imposanter Wirkung wäre cS natür­lich gewesen wenn die Darstellung anstatt in dem vornehm modernen Kurtheater in Schwarzwalds Bergen selbst, z. B. im Rennbachthale stattgesunden hätte.

Aedakiton, Druck und Verlag von Bernh. Hosw « nnin Wildbab.