Me Abgründe.
Novelle von F. Stöckert.
II) (Nachdruck verboten.)
6 .
„So, hier ist Deine Loge und nun schnell hinein, Bekannte werden Dich hier oben schwerlich entdecken und dein Mann am allerwenigsten, er sitzt gerade unter Dir, ich habe ganz in seiner Nähe meinen Platz/ mit diesen Worten öffnete Valentine die Thür einer Loge des dritten Ranges und schob Erica hinein, dann stieg sie mit triumphierender Miene die Treppe wieder hinab.
War es nicht wie ein neues Drama, was sich da im Drama abspielte? Hier oben die fromme Gemahlin, heimlich das realistische Schauspiel ihres Gemahls sich ansehend, und unter ihr dieser Gemahl ahnungslos von diesem kühnen Schritt seiner Frau, vie er zu Hius bei ihrem Flügel, ihren Blumen und illustrierten Zeitschriften gut aufgehoben glaubte; aber das Kind hatte heute das Bilderbuch verschmäht, Dank der Cousine, die ihm ein wenig die träumenden Augen geöffnet.
Beide sahen sie in fiebernder Erregung dem Aufrollen des Vorhanges entgegen. Er wird nachher in dem Triumph des Erfolges schwelgen, denn Erfolg wird das Stück mit seinen packenden Wahrheiten haben, mögen auch Hunderte von Stimmen sich dagegen erheben, e« wird seinen Weg über die Bühnen machen, und ihm neben dem Ruhm auch noch goldene Schätze in den Schoß werfen. So dachte Valentine.
O, warum durfte sie, Valentine, ihm nicht zur Seile heute stehen, an Stelle Ericas. Eie hätte sich nicht brauchen heimlich in da« Theater zu schleichen, sie würde er selbst hineingeführt hoben, und hätte sie teilnehmen lasten an den Gölterfreuden des Triumphes.
Aber Erica! Diese zarte Blume, dir man bisher von allem Erdenstanb so fern gehalten, auf sie mutzte das Werk ihres Mannes geradezu von erschütternder Wirkung sein. Schade, daß man sie nicht sehen konnte. Dieses interessante Schauspiel blieb ober Valentinen versagt, da sie auch unter Erica ihren Platz Halle. Valentine konnte aber Staufen beobachten, auf besten Gesicht die Bläste der Erregung lag, während seine Augen wie im Fieber glänzten.
Jetzt ging der Vorhang in die Höhe und das Stück begann. Das zahlreich erschienene Publikum befand sich von Anfang an in ziemlicher Erregung, die sich von Scene zu Scene steigerte. Dos war nicht Althergebrachtes, was man da sah und hörte, nichts schien sich hier im altgewohnten Geleise zu bewegen. Das war alles neu, teils packend, teils verblüffend. Aber immer wo dem modernen Menschen etwas Neues vor- gesührt wird, mag dasselbe auf der Höhe der Kunst stehen oder nicht, so ist der Erfolg fast stets von vornherein zugesichert, denn alles Neue fordert zum Nachdenken auf, regt an zum Streiten, zum Disputieren und daS ist es, was die Menschheit braucht, und wer ihr das bietet, dem jauchzt und jubelt sie zu.
So jubelte man auch heute dem Dichter des neuen Schauspiels zu, solchen Gestalten war mann auf der Bühne noch nie begegnet. Welch eine fesselnde Persönlichkeit war dieser
Held, so schlecht, so niederträchtig, so leichtsinnig und doch so bestrickend.
Schon nach den beiden ersten Acten wurde Staufen herausgerufen, er mußte sich dem erregten Publikum zeigen, Lorbeerkränze flogen auf die Bühne, und das verräterische Zischen der Ablehnung, was sich hier und da vernehmen ließ, es wurde übertönt von den jubelnden Rufen nnd Händeklatschen derer, die da wie berauscht waren von der eigenartigen Gewalt der Sprache und dem neuen noch nie dagewesenen, was ihnen hier geboten wurde.
Erica sah und hörte das Alles wie in einem wüsten Traum befangen. War das wirklich Benno, ihr Mann, der da jetzt auf der Bühne stand, sich verneigte und einige DankeSworte stammelte. Und nun nahm das Stück wieder seine» Fortgang, immer aufregender wurden die Semen, und immer erregter das Publikum.
„ES giebt keinen Gott! Eure Bibel ist Menschenwerk, Euer Heiland war ein Mensch! Vielleicht besser, größer wie alle anderen, aber doch nur ein Mensch, wie wir andern auch!" so tönte es aus dem Munde des Helden von der Bühne herunter.
„Nein, eS giebt keinen Gott, wir allein sind die Götter/ stimmte ein lachender Fraucnmund mit ein — und dann geschah in dem Schauspiel die dunkle That, eS gab ja keinen Gott, keine Vergeltung. Warum sollten die da vor einem Verbrechen zurück« schrecken! Und- als nun die menschliche Gerechtigkeit sie ereilen wollte, der Kerker ihnen drohte, — da bat das schöne schlechte Weib den Helden des Stückes:
„Komm, laß unS sterben, Geliebter!"
„Sterben!" erklang eS mit schrillem Ton und der Schauspieler legte aus eigenem Antriebe solch einen erschütternden Klang in dieses eine Wort, und ließ den Ausdruck momentanen SchaudernS und Entsetzens über seine Züge gleiten? Oder geschah dies aus Wunsch Staufens? So fragte sich Erca, eine schwache Hoffnung beschlich sie, daß das Sück doch noch eine andere Wendung nehmen könnte, daß das drohende Gespenst des Todes den Sinn des Helden ändern würde.
„Sterben/ wiederholte der Held deS SlückeS noch einmal, „Sterben ist Vernichtung, ist das Ende von allem, was hier in der Menfchenbrust lebt, was hier hofft und jauchzt, klagt und weint!" — Helle Lebenslust leuchtete jetzt in seinem Ausdrucksvollen Antlitz, „leben wollen wir und wäre eS das elendeste Dasein, was unS beschicken, eS ist immerhin Leben ! Leben I"
Eine andere Wendung nahm das Stück nun allerdings, eine Wendung, die wohl Niemand, am wenigstens Erica erwartet hatte. Mit einer großen guten That wurde das Verbrechen gesühnt, indem der Held des Stückes durch Mut, Geistesgegenwart und Energie den Eisenbahnzug, der ihn nach der Strafanstalt führen sollte, vordem Entgleisen bewahrte und somit Hunderte von Menschen vor den grausigen Folgen einer Zugentgleisung rettete.
Nun log es wie ein Glorienschein um sein Haupt, siegend trat das Gute und Edle seiner Natur hervor. Menschengröße, da war das Ideal, dem man zvstreben sollte, die man erreichen konnte nur aus sich selbst, ohne Glauben, ohne Religion, mit vielen
solchen hochtönenden Phrasen klang daS Stück aus.
„Empörend !" vernahm Erica eine Stimme neben sich.
Sie hatte vorher nicht darauf geachtet, wer noch neben ihr in der Loge Platz genommen hatte, jetzt wandte ste ihr blosses erregtes Gesicht nach dem Sprecher um, es war ein älterer Herr, dem die Helle Entrüstung aus den blauen Augen leuchtete.
„Sagen Sie selbst, gnädiges Fräulein/ wandte der Herr sich jetzt direkt an ste, müßte eS nicht verboten werden, solch ein Stück, wo allem Glauben, aller Religion der Fehdehandschuh hingewvrfen wird, in einem christlichen Staat, der doch noch seine gläubigen Herzen und seine Kirchen hat. Wie kann man Menschengröße als alleiniges Ideal predigen, und sie in solcher Gestalt erstehen lassen wollen! Und waS da« Schlimmste ist, das Stück ist fesselnd geschrieben, hat einzelne große Schönheiten, man fühlt den Fiügelschlag des Genius durch all den Sumpf des Naturalismus doch hindurch, und durch solche Vorzüge wird eS seine schändliche Wirkung nicht verfehlen, namentlich den schwachen, zweifelnden Gemütern gegenüber. Das ist eine böse, böse Saat, die hier auS- gestreut wird !"
(Fortsetzung folgt.)
Humoristisches.
(Verplappert.) „Meine Nase wird immer röter, daS muß der schwere Wein machen!" — „Ja, ja, ich Hab' Sie immer gewarnt, gnädiger Herr .... die meinige fängt auch schon an!"
.'. (Frommer Wunsch.) Hausfrau (die eine Base fallen läßt): „Ach, wenn das nur uns'rer Köchin passiert wär', dann könnt' ich'S ihr doch vom Lohn abziehen!"
(AuS der Kaserue.) Unteroffizier: „Kerl, machen Sie doch nicht ein Gesicht wie eine Theaterleiche, die ein Floh beißt!"
.'. (Die Notwendigkeit.) Fremder: „Sie scheinen viel Regen zu haben in München?" Münchener: „Ja, das ist auch notwendig, sonst würden viele bald 'S Wasser nimmer kennen."
(Giebt's ja gar nicht.) Braut: „Höre, Emil, ich will Dir etwas erzählen, das wird Dir imponieren." Bräutigam (Offizier): „So was giebt's ja gar nicht."
Ja und Wein.
Ja, zwei Worte giebts hienieden, Unvergleichlich, heilig, rein,
Lug und Trug, Ihr wär't vermieden, Gäb es doch nur: Ja und Nein!
Ja die Wahrheit stets bezeuget, Gegensatz von Ja ist Nein,
Vor der Lüge nie sich beuget,
Wer ein Ehrenmann will sein.
Ja und Nein die Schrift uns lehret, Diesen heil'gen, wicht'gen Schwur, Ein Gesetz, das mehr begehret,
Ist der Sünde Folge nur.
Gottes Wort wird ewig leben I In dem Reich, das Niemand sah Wird des Zweiflers: Nein erbeben, Christen hoffen auf das: Ja!
Prinz Peter v. Oldenburg.
Redaktion. Druck und Verlag von Beruh. Hosmann in Wlddad.