Die Abgründe.
Novelle von F. Stöckert. s) (Nachdruck verboten.)
„So, Balenijne sagt das I" Unwillkürlich mußte er der Worte seines Freundes gedenken von dem Baum des Erkenntnisses, von der Schlange, die sich vielleicht auch finden würde. O, sie war klug wie die Schlangen, diese Valentine, und verband sicher einen Plan damit, wenn sie Erica derartige Lehren gab, was sür ein Plan aber mochte das sein, wollte sie die Gatten einander entfremden, und ihn dann vielleicht auf ein Glück hinzuweisen suchen, an welchem er vorübergegangen, oder war es doch nur einzig und allein die Lust an der Jntrigue, welche ja manche Framn über alles ljeben, die sie geleitet.
Da galt es denn einmal seine ganze Autorität einzusetzeu, solche Pläne oder solch Jntriguenspiel zu verhindern.
„Du wirst nicht hing hn, ich wünsche cS nicht I" sagte er jetzt mit aller Strenge, die ihm dem süßen Antlitz gegenüber möglich war.
„Das Stück würde Dich zu sehr auf- regen und vieles Dir doch ganz unverständlich bleiben. Sie mich doch nicht so empört an, Kleine, glaube mir, daß ich nur Dein Bestes im Auge Habel"
In dem Moment klopfte es an und Valentine stürmte herein.
„Ich konnte nicht Vorbeigehen, es trieb mich herauf Ihnen zu gratulieren I" rief sie, indem sic ihm t» etwas burschikoser Weise die Hand schüttelte. „Die Probe Ihres Schauspiels soll ja brillant ausgefallen sein, wie ich soeben von Schweizer gehört, er sprach sich ganz begeistert über seine Rolle aus."
„Er hat auch hinreißend gespielt," versetzte Staufen, dessen ganzes Denken sich sofort wieder seinem Werke zuwandte; Er ca und den kleinen Streit mit ihr schien er vollständig vergissen zu haben. Sie hatte sich an ihren Nähtisch gesetzt und eine Stick rn in die Hand genommen. Traurig beugte sie sich darüber und fügte sorgfältig einen Stich neben den andern, während ihr Mann und Valentine sich in ein Gespräch vertieften über die nahe Aufführung seines Schauspiels, über die einzelnen Scenen, den Aufbau, die Charaklerzeichnungen. Erica staunte, wie vertraut Valentine schon mit dem Inhalt des Stückes war, Staufen mußte schon sehr oft und eingehend mit ihr darüber gesprochen haben, wahrscheinlich wenn sie, wie ja fast stets an den Abenden, die Valentine bei ihnen zugebracht, Klavier gespielt, ungeteilte Aufmerksamkeit sür ihr Spiel hatte sie ja nie beansprucht, und die Unterhaltung der beiden sie auch nie gehört, heute erst kam es ihr empörend und beleidigend vor. Warum zog man sie nie in solche Gespräche auch jetzt nicht, da wandte sich Valentine endlich nach ihr um.
„Großer Gott, sie stickt I" rief sie, „wie ist das nur möglich, so gleichmütig dazusitzen , die Stickerei in den Händen i W>e kannst Du nur den höchsten Bestrebungen Deines Mannes so kühl gegenüberstehenl"
Die Stickerei flog auf die Erde, die junge Frau sprang aus vou ihren Platz und stand nun mit flammenden Blicken vor den beiden.
„Er läßt mich ja nicht teilnehmen daran I"
rief sie, „ich soll daS Stück ja gar nicht sehen I Ich, seine Frau. Kannst Du das begreifen Valentine?"
„Ach ja, ich begreife es schon," erwiderte diese mit einem eigenen Lächeln.
Staufen wußte dieses Lächeln wohl zu deuten, und warf ihr einen finstern Blick zu, zärtlich zog er dann seine Frau zu sich heran.
„Wie erregt Du bist, Kind," sagte er indem >r ihr die heißen Wangen streichelte.
„Ich bin kein Kind mehr!"
„O ja, Du bist es doch in manchen Dingen! Und möchte Dich um Alles nicht anders haben, es ist wie ein Lenzeshauch, der auf Euch reinen, kinderhaften Frauen ruht; so schnell wie des Sommers Gluten den Lenzeszauber zerstören, so kann ihn bei euch das Leben mit seinen heißen Stürmen verwehen.
Rings stehn viel Blumen blau und rot
Das Veilchen ist tot. —
„Wo hörten wir doch das Lied neulich? T'pt und Melodie sind darin in so fesselnder Weise vereint, daß es förmlich hinreiß-n kann, wenn eS gut gesungen wird. Man fühlt ihn, den heißen Sommertag, empfindet vie Sehnsucht nach einem frischen LenzeS hauch, nach Veilchenduft."
„Gott, wie poetisch!" rief Valentine spöttisch, „man sollte es kaum glauben, daß eS der Verfasser von den „Abgründen" ist, den man sprechen hört I Während er der Welt die Abgrundsliefcn deS Erdenlebens in seinen Werken vorführt, freut er sich in aller Stille seines Schatzes, seines unschuldigen Weibchens, das von alledem keine Ahnung hat."
Eine tiefe Erregtheit und Bitterkeit sprach aus ihren Worten, als ahne sie, daß es der Abstand zwischen ihr und Erica war, der Staufen zu solchen Reden verleitet halte. Auf ihr ruhte freilich nicht jener Lenzeshauch hatte sie doch immer mitten im volle» Leben mit seinen Stürmen und Gluten gestanden, daS V ilchen war lange, lange tot. Es war ein finsterer Blick, mit welchem sie Erica streifte, die da noch halb schmollend, aber doch wie im sichern Glück, das ihr Niemand rauben konnte, sich an ihren Mann lehnte. Wie-lächerlich von diesem, zu glauben, seine Frau könne in dieser Welt des Truges so bleiben und würde nie diesen Schmelz, den er so poetisch mit dem Hauch des Lenzes verglich, verlieren. Wenn er eS nicht that, dann würde sie, Valentine, ihr die träumenden Augen öffnen. Vor allm mußte sic sein Stück sehen, und wenn es heimlich geschah, grade ihm zum Trotz! Dann gab es ja schließlich nur ein Entweder, Oder für sie, entweder stand sie zu ihm oder wandte sich von ihm, und vor dieser zirtbesaiteten Seele war wohl das letztere eher zu erwarten, und dann würde sie wohl nie wieder so vertau- ungsvoll so sicher in ihrem Glück da neben ihm stehn, dann hatte sie einen Blick ge- than in die Kluft, die sie trennte.
„Natürlich wirst Du den Befehl Deines Herrn und Gemahls respektieren," fuhr sie jetzt höhnisch fort. „WaS einem jeden gestattet ist, sich ein Urteil zu bilden über seine Dichtung, Du, die Du ihm am nächsten stehst, darfst es nicht, die frühlingSselige Ruhe Deines kindlichen Herzens könnte ja gestört werden l Sagen sie doch selbst, Staufen ist das nicht ein Unding, soll sie denn stumm
dabei sitzen, wenn alle Welt davon spricht?*
„Lassen Sie das meine Sorge sein,* versetzte dieser schroff, „ich werde sie schon einführen in die Welt meiner Dichtungen, wenn es an der Zeit ist I"
„O Benno, die Zeit ist dal" rief da Erica, „Du darfst mich nicht zurückhaltcn Dein Stück zu sehn. Sei nicht besorgt daß ich mich aufrege, ich will auch ganz ruhig sein I"
„Ja so ruhig wie neulich, als ich Dich auf dein Bitten nach dem Lesstng-Tbeater führte, weil Du Ilsens Nora durchaus sehen wolltest. Wie hat Dich das Stück aufgeregt, wie hast du über den Charakter der Frau Norv gegrübelt l"
„Und mir scheint, als wollte man mich ebenso wie die arme Nora behandeln, mich in ein Puppenheim setzen. Wäre Valentine Deine Frau, würdst Du ganz anders verfahren !"
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
(Aus junger Ehe.) „Sie haben also auf Ihrer Hochzeitsreise den Harz und Thüringen besucht? Nun, was hat Ihnen unterwegs am besten gefallen?" Junge Gattin errötend: „Mein Mann."
(Sicheres Zeichen.) Klara : „Emma muß über mich geklatscht haben l" — Toni: „Woraus schließest du denn das?" — Klara: „Nun, als ich sie heute traf, hat sie mich zweimal geküßt l"
.-. (Patient und Doktor ) „Herr Doktor, ich fühle heute die Kraft in mir, ein GlaS Bier zu trinken I" — „So, so — es wäre mir aber doch lieber, wenn sie die Kraft in sich fühlen würden, kein Glas Bier zu trinken I"
(Zur Anregung.) Frau: „Diesen modernen Roman solltest tu lesen, Max."
— Mann: „WcShalb denn?" — Frau: „Du wirst sehen, wie viele Kleider eine moderne Frau haben muß."
(Entgegenkommend.) Gast (in der Restauration): „Der Rehbraten, welchen ich vor vierzehn Tagen gegessen habe, war ausgezeichnet." — Kellner: „Wenn Sie wünschen, können Sie noch von demselben haben!"
.. (Ballgestzriich.) „Fräulein, sind Sie schon einmal gegen den Strom geschwommen?"
(Sehr richtig.) Dame: „Aber trotz all Ihrer Klagen müssen Sie doch zugeben, daß mein Sohn einen offenen Kopf hat!"
— Hauslehrer: „Leider, leider, ja; was bet dem einen Ohr hineingeht, geht bei dem andern wieder hinaus!"
(Galgenhumor.) Freund: „Warum hast du denn auf den Geldschrank geschrieben: „Der Schlüssel hängt über dem Pult?" — Kaufmann: „Damit mir etwaige Verbrecher
das Schloß nicht verderben.Geld
ist ja doch nicht im Schrank!"
Ein guter Trost. Herr (zu einer Witwe): „Sic haben aber beim Leichenbegängnisse ihres Gatten gar nicht geweint! — Witwe: „Ja, wissen Sie, mein Mann hat das Wasser nie recht vertragen!"
(Nach dem Balle.) „Ja, wie schaust denn du aus?" — „Ich war gestern als Engländer auf einem Maskenballe und da haben mich die Buren auf englisch hcrge- richtet.*
Re-akiton, Druck und Verlag vou Beruh. Hosm « uu in Ml-baö.