Die Abgründe.

Novelle von F. Stöckert.

1) (Nachdruck verboten.)

ES war in einem Damenzimmer eines stattlichen Landhauses. Die zarten rosig an­gehauchten Finger eines hübschen jungen Mädchen« glitten emsig mit der Feder über einen Briefbogen dahin und jetzt halte sie den Brief mit den Worten beendet: »Deine Dich innig liebende Erica."

Die schlanke Mädchcnhand hatte den engbrschriebenen Brief an den fernen Ge­liebten geschrieben. Nun wurde die Feder aus der Hand gelegt, die Briefschreiberin lehnte sich behaglich in den leichten Garten- stuhl zurück und blickte träumerisch ins Weite.

Wie war doch die Welt so wunderschön! Dort drüben ragten die grünen Berge, aus welchen die Jugend- und Wanderlust wächst, die goldschimmrrnde köstliche Lust, die das Menschenherz so fiöhlich macht! Zu Füßen dieser Berge erglänzte der herrliche vielbe­sungene Rheinstrom, und diese herrliche Land­schaft war eingelaucht in das strahlende Lichl des Sommermorgens. Ja sie war wohl schön diese Heimat im Rheinlande, und doch wollte Erica sie nun bald für immer ver­lassen, ihrem Verlobten als Galtin in die Hauptstadt deS deutschen Reiches folgen. Es war alles so wunderbar schnell gleich SturmeS- wehen über sie gekommen, als Erica im vergangenen Winler mit ihrer Mutter in Berlin zum Besuch bei dem Onkel, dem SanitälSrat Clarenz, geweilt halte.

DaS erste Sehen damals auf der Abend- gesellschaft, dann die unvergeßlichen Stunden auf der Eisbahn, die Konzertabende und dann jener Abend, wo man im strömenden Regen das Opernhaus verließ, der Onkel, ihre Cousine Valentine und sie und er. Da wurde das schwer gefundene Zauberwort gesprochen. Sie hatten sich alle vier, da die Pferdebahn überfüllt und keine Droschke aufzutreiben gewesen, entschließen müssen, den Nachhauseweg zu Fuß zu machen.

Der Onkel und Valentine waren beide voran gegangen und sie mit Benno Staufen hinterher. Der Mond hatte nicht geschienen, keine Nachtigall geflötet und Lenzeslüfte sic nicht umfächelt, wie das so schön immer in Büchern steht, wenn zwei Herzen sich finden. Ihr aber war alles, das Gaslicht, der rauschende R'gen, die Pfützen, durch welche sie lachend geplätschert, doch unendlich ro­mantisch vorgekommen an seiner Seite im Banne der geliebten Stimme.

Noch an demselben Abend hatte sie der Mutter unter Weinen und Lachen alles ge­standen. Diese war ein wenig erschrocken gewesen, als hätte sie derartiges durchaus nicht erwartet, und der Onkel SanitälSrat, als er eS am nächsten Morgen erfahren, hatte finster die Stirn gerunzelt und ge­meint, sie passen in keiner Weise zusammen, sie, Erica, daS frische Niturkind, welche die Welt noch mit so idealen Augen ansähe, und er, der moderne Mensch, der echte Sohn seines JarhundertS voll realistischer LebenSanschouungen. Ericas lachender Ein­wurf de» bekannten Wortes von den Ex­tremen, die sich berühren, hatte die Wolken auf seiner Stirn nicht zu verscheuchen ge­mocht, und dann war Valentine in das Zimmer getreten.

In fabelhafter Deutlichkeit zog daS Alles an dem herrlichen Semmermorgen heute noch einmal an Ericas Geist vorüber. Sie sah wieder Dalentinens totenblasses Gesicht sich ihr zuwenden, als auch ihr daS Ereig­nis mitgeteilt wurde, hörte wieder ihre er­regte Stimme, mit welcher sie eine Verbind­ung zwischen ihr und Staufen geradezu für Unsinn erklärte. Sie daS tändelnde Kind und er der geistreiche, hochstrcbende Mann. Weder die Tante noch ihr Vater als Vor­mund dürste ihre Einwilligung zu solchem thörichten, unpassenden Verlöbnis geben.

Staufen aber, der noch an demselben Tage von Sehnsucht und Liebe getrieben, erschienen, hatte all diesen Reden und Ein­wendungen ein Ende gemacht. Vor der siegenden Gewalt seiner Persönlichkeit, vor der Macht ihrer beiderseitigen Liebe wurden schließlich die Waffen der gegnerischen Zungen niedergelegt. Valentine that es mit der ihr eigenen wcltverachtenden Miene, die sie bei allen passenden und unpassenden Gelegen­heiten auszusetzen pflegte. Der Onkel, wie immer Herr der Situation, war dem un­willkommenen Freier schließlich mit der größten Liebenswürdigkeit begegnet, während ihre Mama eS offen eingestanden, daß es ihr furchtbar schwer werden würde sich einmal von ihrem einzigen Kinde zu trennen.

Mit wie warmen Worten hatte Staufen da gelobt, Erica als sein teuerstes Kleinod zu hüten, sie stets auf Händen zu tragen, bis er sie schließlich mit diesem ihr traurigen Gedanken auSaesöhnt. Mit ihrem so herz­gewinnenden Lächeln hatte sie ihm die Hand gereicht und gemeint: Da eS der liebe Gott so gefügt, daß sie sich beide in Liebe gefunden, müsse sie sich auch wohl darin lügen. Bei der Erwähnung des Namens Gottes war es so eigen über sein Gesicht geflogen und Valentine behauptete später, >r habe spöttisch gelächclt, als die Tante so salbungsvoll vom lieben Gott gesprochen. Solche Leute wie Benno Staufen, ein so eifriger Vertreter der realistischen Richtung, hatte natürlich diesen Kinderglauben längst abgestreifi, denn der stolze, dünkelhafte Stau­fen fühlte sich in seiner anspruchvollen Per­sönlichkeit selbst als Herr, als Halbgott. Er sollte nicht an Gott glauben! Wie dunkle Schatten waren diese Worte Valen­tinen« auf Ericas reiches Glück gefallen, immer wieder kam sie in ihren Gedanken darauf zürück. Es war die dunkle kleine Wolke an dem Himmel ihrer Liebe, gleich derjenigen, die an schwülen Sommertagen einsam am klarblauen Himmel steht, die Elektricität der Luft in sich aufnimmt, größer und größer in sich zusammenballt, bis ver­heerende Blitze aus ihr herniederzucken. Auch jetzt, indem sie den Brief an den Geliebten zusammen faltete, mußte Erica angesichts der schönen Gotteswelt wieder daran denken. Sollte sie auch wie einstmals Gretchen den Faust ihn fragen: Nun sag, wie hast Du's mit der Religion? Und würde es ihr dann auch so ergehen wie dieser, daß alle die schönen Worte, die er ihr vielleicht erwidern mochte, den Zweifel nicht dannen würden?

Da legte sich plötzlich ein Arm um ihre feine Taille. Erschreckt fuhr sie empor aus ihrem Sinnen, und dann drängte sich ein Heller Jubelruf von ihren Appen.

»Benno! Du, Du bist eS wirklich! O

welche Freude!" Vergessen waren all die bangen Gedanken, als sie in das strahlende, geistvolle Gesicht Benno Staufens schaute.

»Das nenne ich einmal eine gelungene Überraschung I" versetzte dieser, indem er einen Gartenstuhl heranzog und sich zu ihr setzte.

Gestern abend packle mich eine so namen­lose Sehnsucht nach diesem trauten Erden- winkel, wo mein Lieb im Blumengarten wandelt. Die Mauern der Residenz waren mir zu eng, erdrückend, ich lechzte nach einem Atemzuge frischer Lust. Da packte ich schnell entschlossen die Manuscriptblätter meines Schauspiels zusammen und da bin ich!"

Ein Schauspiel schreibst dn jetzt?" fragte Erica interessiert. «O,das ist interessant! Wie hxißt es? Ist eS ein geschichtliches Drama oder der Gegenwart entnommen? Aber Du bist ja der Sohn Deines Jahrhundert« wie der Onkel sagt. Du wirst Deine Zeit dem Publikum vorsühren und nicht zurück­greifen in die Vergangenheit. Eine ordent­liche Liebesgeschichte, so recht leidenschaftlich, packend, wo man mit weint, mit jauchzt, hast Du doch sicher mit hinein verwoben, nicht wahr?"

(Fortsetzung folgt.)

Gesundheitspflege.

Unter den Nahrungshilfsmittrln wird der Nährstoff Heyden der chemischen Fabrik von Heyden, DreSden-Radebeul, empfohlen. Er wird aus Eiweiß des Hühnereis gewonnen und ist bereits aufgeschloffen, so daß er direkt,ins Blut übergeht und dem Magen keine VerdaungSarbeit zumutet. Infolge­dessen ist er besonders angebracht bei Schwäch­lichen, Genesenden, in der Entwicklung zu­rückgebliebenen Kindern, stillenden Müttern, an geschwächter Verdauung Leidenden bei Blutarmut und besonders bei solchen Per­sonen, die einer Aufbesserung wie Vermehr­ung der Blut- und Muskelsubstanz bedürfen. Wenn man täglich nur 2 bis 4 gestrichene Theelöffel voll verwendet, so stellen sich di« täglichen Kosten auf 10 bis 20 Pfennig, und wenn man eine lange und schwere Kur auf höchstens ein Vierteljahr anschlägt, so betragen die gesamten Kosten für den Nähr­stoff Zusatz nur Mk. 9. bis Mk. 18.. Im Hinblick auf die außerordentlich günstige Wirkung des Nährstoffs Heyden und auf die Unsummen, die man gewöhnlich für andere minder wertvolle Kräftigungsmittel ouSgiebt, ist dieser Preis ein sehr geringer. Nährstoff Heyden in Apotheken und besseren Droge­rien erhältlich ist daher ein ebenso billiges, wie wirksammeS Präparat und kann warm empfohlen werden.

Kumoristisches.

(Modern.) Frau A.:Wird es Ihnen auch so schwer, ein Dienstmädchen zn finden?" Frau B.:Das kann ich nicht sagen, ich habe in den letzten 14 Tagen fünf gehabt."

.'. (Malitiöse Einschränkung.) A.:Der junge Meier soll ja das Muster eines Sohnes sein." B.:Hm, 'S giebt auch Muster ohne Wert."

.'. (Aha.)Aber, Herr Nachbar, was war denn das heule nacht für ein Lärm bei Ihnen?"Ach nichts, meine Frau fragte mich nur, wie spät es sei, als ich nach Hause kam."

«kb«ktt»n. Druck und Verlag vy« Pernh. Hosmaon in Wtlbbad.