Rundschau.
Stuttgart. Die Königsparade soll dieses Jahr schon Anfang Mai abgehalten werden, da die hiesige Jnfanteriebrigade bereits am 1t. Mai nach dem Truppenübungsplatz Münstngen abrückt.
Heilbronn, 26. März. Beim Ueber- schreiten eines Gleises wurde Bahnhofauf- seher Händel gestern abend von einem einfahrenden Zug erfaßt und giötet.
Lauffen a. N., 27. März. Der 19- jährige Arbeiter Biedermann im hiesigen Z'mentwerk war mit dem Auflegen der Transmission mittelst einer Schaufel beschäftigt, als der Riemen dieselbe erfaßte und sie gegen den jungen Mann warf, wodurch ihm der Stiel tief in den Unterleib cindrang, was den Tod des jungen Mannes zur Folge hatte.
Hall, 26. März. (Salzwcrk Wilhelms- glück.) Wie von durchaus glaubwürdiger Seite verlautet, ist das nahe Salzwerk Wil- hclmsglück, das allerdings in einiger Zeit aufgegebcn werden sollte, „ersoffen," d. h. überraschend schnell mit Wasser gefüllt worden, sodaß der Beschluß der Auflösung in rascher Weise zur Durchführung gelangen mußte. Es ist mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die im Salzbergwerk stehen gelassenen Salzsäulen durch bas ein- gcdrungene Wasser eines schönen Tags aufgelöst werden und dann kann möglicherweise überraschend schnell eine bedeutende Senkung der über dem bisherigen Bergwerk befindlichen Bodenschicht mitsamt den darauf stehenden Gebäuden erfolgen. Offenbar aus diesem Grunde und in der Absicht, kein Menschenleben in Gefahr kommen zu lassen, werden jetzt die über dem ersoffenen Salzwerk Wil« helmSglück stehenden Wohn- und Oekonomic- Gebäude Magazine und Schuppen auf den Abbruch verkauft.
Göppingen, 26. März. Von selten der Sozialdemokrat! wurde gestern der frühere Pfarrer Blumhardt von Bad Voll als Kandidat für die Landtagswahl aufgestellt. Blumhardt nahm die Kandidatur an.
Ulm, 27. März. Der Metzgermeister E. hat drei Personen, darunter auch seine Dienstmagd, veranlaßt, bei andern Metzgern am Sonwag zu verbotenen Z-iten Waren zu verlangen. Es ist ihm auch in drei Fällen gelungen und er hat dann die betreffenden JnnungSkollegen wegen Verfehlung gegen das SonntagSruhegesetz zur Strafanzeige gebracht. Diese wurden denn auch zu Geldstrafen verurteilt; über den Denunzianten sebst aber wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft wegen Anstiftung zu einer strafbaren Handlung eine Geldstrafe von 120 ^ verhängt. Durch gerichtliche Entscheidung beS Schöffengerichtes wurde diese Strafe zwar auf 60 Mark ermäßigt, aber der Denunziant hat für sein gemeines Gebühren immerhin einen brandmarkenden Denkzettel erhallen.
Gräfenhaufen, 26. März. Bei der am letzten Samstag vorgenommenen Verpachtung der hiesigen Gemeindejagd wurde gegcnülnr dem bisherigen Pachtzins nahezu der doppelte Erlös erzielt. Hr. Pinkert aus Pforzheim ersteigerte dieselbe auf die Dauer von 6 Jahren um die jährliche Pachtsumme von 800 ^
Pforzheim. Die große Beliebtheit der Abschiedspostkarten der hiesigen Pcivatpost veranlaßt die Besitzer, eine zweite Karle gnsertigen zu lassen. Die Vorderseite zeigt
den Trompeter von Säckingen mit dem Scheffel'jchen Gedicht „Behüt dich Gott, es wär so schön gewesen." Die Druckerei ist kaum imstande der Nachfrage zu genügen.
Pforzheim, 26. März. Der Bürger- auSschuß beschloß die Korrektion der Nagold bis zur Auerbrücke und die Korrektion der Enz von der Brötzinger bis zur Eutinger Gemarkungsgrenze mit einem Kostenaufwand von 3.253.000 wovon 900,000 durch Staatszuschuß und der Rest durch ein Anlehen gedeckt werden soll.
— Um unseren Lesern einen Begriff zu geben, in welcher Weise von den Engländern die Ergebung Cronje's als Wofffnthat ersten Ranges, als ein Ruhmesblatt in der engl. Kriegsgeschichte auSpofaunt wurde, geben wir eine Uebersetzung der markantesten Stellen, die sich auf dieses Ereignis beziehen, aus dem in Accra an der Goldküstc (Westafrika) erscheinenden „The Gold Eoast Expreß", Nr. 50 vom 1. März d. Js. Unter der Spitzmarkc: „Krieg, Cronje's Kapitulation, eine riesige Woffenihat. Der Held des TageS" (gemeint ist Lord Roderts) erakelt das Blättchen an seine gutgläubigen Leser:
„Es ist eines der glänzendsten Blätter in Englands Kriegsgeschichte. (I) Niemand ans der ganzen weiten Welt hätte so wacker auSgehalten wie Cronje und seine Truppen. Weder Franzosen, noch Deutsche, noch Russen hätten so standgehalten wie die Buren unter Cronje, und wenn in dem gegenwärtigen Kriege dos militärische Prestige Englands etwas notgelitten hatte, so ist es doch durch Lord Roberts Erfolge glänzend wieder hergestellt. . . . Lord Roberts hat sich ohne Zweifel als Meister der Strategie und Taktik und zwar als solcher ersten Ranges erwiesen. Er manövrierte Cronje sörmlich heraus. Die Niederlage und Gefangennahme Cronje's zählen wir zu den größten Waffen- thaten der britischen Armee."
Wie sagte doch der Irländer Im engl. Parlament? Der Sieg von 40,000 über 4000, das ist keine Heldenthar.
Kapstadt, 27. März. In Südafrika ist die allgemeine Regenzeit eingetreten. Es regnet so reichlich daß die seit langem ausgetrockneten Flußläufe bereits in Wildströme verwandelt sind. Die Lagerplätze der engl. Truppen gleichen Sümpfen. (Dies könnte den Engländern Schwierigkeiten machen.)
Lourenzo Marquez, 28. März. G-neral Joubert starb gestern abend 11'/, Uhr infolge eines MagenleidenS. Prätoria ist von tiefster Trauer erfüllt um den Verlust dieses wahren Patrioten und tapferen Generals, der auch als Mensch ein Ehrenmann war.
Schon einmal, Mitte Dezember war der Tod des Generals gemeldet worden. Es handelte sich in diesem Monate nur um einen Unfall, der den General allerdings zwang, den Oberbefehl über die Buren vor Lady- smilh an Schalk Burger zu übergeben. Da Joubert seitdem keine hervcragende Rolle mehr spielt hat auch sein Tod, wenn sich die Nachricht hiervon bestätigt, keine entscheidende Bedeutung für den ferneren Gang der Kriegscreigniffe.
— Präsident Loubet begnadigte nach dam „Figaro" den Grafen Christa«!. Derselbe hat am 4. Juni vorigen JahreS beim Rennen in Auteuil dem Präsidenten einen Stockhieb über den Hut versetzt und ist dafür zu vier Jahren Gefängnis verurteilt lvorden.
— Von der Pariser Weltausstellung.
Dem „Figaro" zufolge beträgt nach dem Ausweis des Weltausstellungskatalogs, welcher 30 Bände umfassen wird, die Zahl der Aussteller 76000. Davon entfallen auf Frankreich etwa 26000 und auf das Ausland 50 000. Mit Einschluß der Teilnehmer an zeitweiligen Ausstellungen wird die Weltausstellung 100 000 Aussteller zählen, 37 000 mehr als die vom Jahre 1889.
— Die Erbgroßherzogin von Oldenburg wurde am Sonntag mittag von einem Prinzen und einer Prinzessin entbunden. Die Prinzessin starb jedoch gleich nach der Geburt und auch der neugeborene Prinz ist kurz darauf gestorben.
— Eine Influenza-Epidemie herrscht in Lohr und Umgegend. In der Stadt Lohr wird die Zahl der Erkrankungen auf 240 geschätzt, in drei Tagen kamen 8 Todesfälle vor. 3 Aerzte können die Behandlung der Kranken kaum bewältigen.
— Auf der Station Niederlahnstein wurde ein Bremser überfahren und zermalmt.
— Eine sonderbare Lebensrettung. In einem Sleinbruche, nahe bei dem Dorfe Kornewo, Kreis Odessa ereignete sich jüngst ein merkwürdiger Fall. Da wurden in einem Bruch beschäftigten Arbeiter mitten in der Arbeit von einem Felssturz überrascht. Es gelang ihnen, sich zu retten — bis auf einen, NamenS Iwan Sutschtschenko, der verschüttet wurde. Da es infolge der gefährlichen Situation unmöglich war, Ausgrabungen vorzunehmen, gab man den Verschütteten verloren und las bereits über seinem vermeintlichen Grabe eine Seelenmesse. Suscht» schenko aber hatte sich noch rechtzeitig nach dem Innern des Steinbruchs in Sicherheit gebracht und verharrte zwei Tage lang ohne Speise und Trank, Licht und fast ohne Luft in seinem unheimlichen Gefängnis. Am dritten Tage, als die herabstürzenden Erbmassen sich verschoben, drang ein Lichtschimmer in seinen dunklen Kerker. Mit der Kraft, die ihm die Verzweiflung einflößte, suchte er sich einen Weg zu bahnen und endlich, am Abend des dritten TageS, war seine Selbstrettung vollzogen. Niemand erwartete mehr, ihn je wieder unter den Lebenden zu sehen. Mühsam schleppte er sich nach seiner Wohnung und trat plötzlich vor seine Frau, die ihn bereits als Toten beweinte und seinen Geist zu sehen glaubte. Der Schreck fuhr ihr so heftig in die Glieder, daß sie sich niederlegen mußte und nach drei Tag'« starb.
— In England ist eine „Hungersnot" in Papier ausgebrochen und zwar infolge des ungeheuren Bedarfs der Zeitungen, seitdem der südafrikanische Krieg ausbrach. Die meisten der großen Londoner TageSblätter verbrauchen 25 bis 100°/o mehr Papier als vor 6 Monaten der Fall gewesen. Das Kriegsblatt, die „Daily Mail' z. B. ist von 620 000 Exemplaren seit dem Oktober auf täglich 1 052 000 gestiegen. Die großen Papierfirmen erklären sich außer Stande, neue Aufträge anzunehmen. Ihre Fabriken arbeiten Tag und Nacht und Extra-Dampfer sind gemietet, um alles erzielbare Rohmaterial von den Wäldern nach den Fabriken zu schaffen. Die Papiernst wird dadurch erhöht, daß kein Papier mehr aus Amerika zu beziehen ist, da auch drüben die heimische Nachfrage das Angebot übersteigt.