Me Sirene.
Novelle von F. von Limburg.
7) (Nachdruck verboten.)
Mit warmen, bewegten Worten segnete der Geistliche den Bund der Verlobten und da« graue Haupt des Grafen beugte sich tiefer um eine Thräne zu verbergen, welche aus seinen Augen rollte; nur die schöne Vraut blieb unbewegt, wie aus tiefen Gedanken schrak sie auf bei der Frage, die an sie gerichtet wurde; dann aber klang metallisch hell und klar ihr „Ja" durch di« Kirche, daß die Zuschauer verwundert zu ihr hinüber blickten. Auch nicht eine Spur von Rührung ließ sich in dieser kurzen kühlen Silbe entdecken. E« war eine Form und Jutta hatte derselben genügt — nichts weiter. —
Es war vorüber, man schritt hinaus, ebenso wie man gekommen; beim Einsteigen blieb der Schleier der Neuvermählten am Schlage hängen und ein großes Stück desselben flatterte davon. Sie sah es nicht, sie ordnete die Falten der Schleppe im Wagen und wies ziemlich ungeduldig die Hand ihres Gemahls ab, der ihr helfen wollte.
„Ein böses Omen," murmelte eine alte Frau, die unweit davon gestanden und blickte dem davonrollenden Wagen nach, „die möchte ich nicht zur Frau bekommen haben, die steht nicht aus, als ob sie gut sei."
„Das ist wohl so Sitte bei den großen Leuten," meinte eine andere, „geweint hat sie auch nicht, gewiß um das spinnwebfeine Taschentuch nicht natz zu machen. Ach, und den grauhaarigen Mann kann sie gar nicht lieb haben."
Bei der glänzenden Tafel saß die vornehme Gesellschaft, die Unterhaltung wogte aus und ab, die Gläser erklangen und heileres Lachen erscholl; Jutta war sehr aufgeregt, sie stieß mit ihrem Gemahle an und wieder faScinierte ihn ihr Blick wie am Tage der ersten Begegnung, sie wollte eine Erinnerung betäuben, die in ihrer Seele aufdämmerte und sie fatal berührte. Ein bleiches unschönes Antlitz blickte sie vorwurfsvoll aus dem köstlichen Tafelaufsätze an, wenn sic den Blick erhob, und sie vernahm eine heisere Stimme: „Nur bis zum Wahnsinn habe ich Sie geliebt, Jutta, — mehr nicht I"
Und sie ergriff das Champagnerglas, um in dem prickelnden Schaumwein jene Erinnerung zu ertränken, aber da stand plötzlich ein zweites edelschönes Antlitz mit sehnsuchtStiefen blauer. Augen vor ihr, eine Pistole blitzte, ein Hahn knackte und sie hörte wie aus weiter, weiter Ferne die Worte: „Ich liebe Dich, Jutta, Du mußtest es längst wissen."
Fast ungestüm stieß die Gräfin das Glas von sich, es fiel, der Champagner floß auf die Tafel und die Scherben klirrten zusammen.
„Ein zerbrochenes GlaS, da« gehört zur Hochzeit und bedeutet Glück," riefen die Gäste und bald klirrten im Uebermut viele andere Gläser unter dem Tisch.
„Wir wollen aufbrechen, Hugo," sagte die junge Frau, nervös zusammenzuckend, „ich glaube eS wird Z-it, daß ich mich umziehe, wenn wir den Zug nach München nicht versäumen wollen."
„Wie Du befiehlst, mein Herz", entgeg- nete der galante Ehemann, mir liegt am
wenigsten an dieser überlauten Gesellschaft. Hier ist Deine Zofe."
Nicht lange darauf rasselte klirrend der Wagen mit dem gräflichen Paare davon; der Diener saß mit gekreuzten Armen auf dem Bocke neben dem Kutscher und die Vorübergehenden grüßten ehrerbietig.
„Graf Rvthenau und seine Gemahlin I Wie schön sie ist und wie vornehm, aber sie steht doch nicht auS, als sei sie eben erst von der Trauung gekommen."
„Frierst Du, Jutta?" frug der Graf, zärtlich sich zu seiner Gattin neigend, „der Wind ist kühl und Du bist erhitzt. Nimm das Tuch noch dazu!"
„Ich danke", lächelte sie, kühl das Haupt neigend, „ich nahm nur Abschied von Da. heim; cö soll die letzte Anwandlung von Sentimentalität gewesen sein." —
V.
Sechs Jahre sind vergangen und mit der alten ewig jungen Zaubermacht zieht der Frühling in's Land; die Osterglocken läuten ihn ein, sie haben mit ihrem Klange die Veilchen, die Anemonen und Schneeglöckchen geweckt, die sich nun flugs die Aeuglein reiben und umher blicken, ob es denn schon Zeit sei, zu erwachen und unter dem Strahl der warmen Sonne das Köpfchen zu heben. Ja, es ist Zeit, der Winter ist vorüber und der Lenz wieder eingezogen in die schöne strahlende GotteSwelt.
Das Forstbaus, welches dort inmitten des kleinen Dörfchens dicht am Meeresstrande liegt, hatte sich heute zum zweiten Osterftier- toge gar festlich geschmückt; über der Thür prangten Guirlanden von Tanngezweig und Immergrün, auf dem mit weißem Sande bestreuten Hausflur lagen Blätter und Blumen und ein Duft von frischem Kuchen drang vom Innern her. Ja, heute war auch ein besonderer Festlag für den Herrn Over- söister und seine Frau, denn ihr zweites Kind und erstes Söhnchen wurde getauft. Das Aelleste, ein kleines fast dreijähriges Mädchen lief im blauen Sonntagkleidchen strahlend vor Vergnügen durch Haus und Hof und erzählte immer von neuem: „Heute wird das Brüderchen zum lieben Gott gebracht, damit er es lauft."
Die Taufellern sind der inzwischen Oberförster gewordene Konrad Baumann und seine Frau Anno, die nun bereits fünf Jahre verheiratet sind, aber erst ein Jahr in dem kleinen Stranddörfchen leben.
Anna war ganz die Frau geworden, wie man es gedacht, bescheiden, fröhlich und fleißig, dabei eine wahre Mutter für die Armen des Dorfes, unermüdlich und stets liebevoll zur Hilfe bereit. Sie liebte ihren Konrad, zärtlich, strickte ihm die Stümpfe, nähte die Aufhänger an seine Röcke und die Knöpfe an die Handschuhe, wusch seine Hemden selbst und hielt st-ts Warmbier bereit, wenn er von einem beschwerlichen Wege auS dem Walde bei schlechtem Wetler hetmkehrle. All diese Pflichten füllten ihren Horizont so völlig aus, daß sie oft ganz verwundert dreinschaute, wenn Baumann seufzend meinte, man höre und sähe doch gar nichts von der Außenwelt und ihren geistigen Interessen.
„Ach Konrad," meinte sie auch wohl schüchtern, „wir haben doch unsere Welt für uns, und ich verlange nichts anderes, als
am Abend so bei Dir sitzen zu können und zu nähen."
Er seufzte, mitunter ergriff er auch ein Buch, um daraus vorzulesen, doch nicht lange darauf begann Anna leise zu gähnen. Es interessierte sie so wenig, die Empfindungen irgend eines Romanheldcn zu vernehmen, sie dachte eher daran, wieviel Eier die neue gelbe Henne schon gelegt habe.
Abgesehen von solchen einzelnen Stunden aber fühlte Konrad Baumann sich sehr glücklich, und besonders auch, wenn das kleine Mariechen mit den braunen Schelmenaugen zum Papa aufsah oder das Brüderchen im Steckkissen ihm zulächeltc; jene stürmischen Tage, wo einst Leidenschaft in ihm aufflammte, waren längst vorüber, er meinte für immer, und hielt sich für gefeit gegen jede neue Versuchung.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Eine Schlangengeschichte von Rud- hard Kipling, die den Vorzug haben soll, wahr zu sein, was man nicht von allen Schlangengeschichten Kiplings behaupten kann, erzählt ein Londoner Blatt. Als Kipling von seiner indischen Reise nach London kam, wohnte er in einem kleinen Zimmer in Vil- liersstreet, zwei Treppen hoch. Eines Morgens besuchte ihn ein Freund und sah zu seiner größten Ueberraschung, daß ein wunderschöner Spiegel, der über dem Kamin in Kiplings Wohnzimmer stand, in tausend Stücke zerschlagen war. „Schlangen", sagte Kipling, als er den fragenden Blick seines Freundes auffing. Gestern abend schlummerte ich in meinem Lehnstuhl und mein Fuß schlüpfte aus dem Schuh, den ich, um es mir bequem zu machen, aufgeschnürt hatte. Noch halb im Traum, tastete ich mit dem Fuß nach dem Schuh und schlüpfte wieder h'nein. Da fühlte ich plötzlich die lederne Lasche. Durch mein schläfriges Gehirn zuckle der Gedanke: „Eine Schlange!" Ich gab dem Schuh einen verzweifelten Fußtritt, aber als er — in den Spiegel fuhr und ihn zertrümmerte, kam cs mir zum Bewußtsein, daß ich in London und nicht in Indien war."
.'. (Ein Schuldenmacher.) Tochter (weinend): „Mir ist er immer noch eine Erklärung schuldig I" — Mutter: „Und mir die gebührende Achtung!" — Bruder: „Mir — den Dank dafür, daß ich ihn bei Euch eingeführt I" — Vater: „So — und mir?I Die fünfhundert Mark, die ich ihm vor langer Zeit geliehen!"
.'. Kommis: „Was sicht dir gnäd'gen Frau zu Befehl?" — Dame: „Ich wünsche rotseidene Strumpfbänder." — Kommis: „Ich bedauere, rote sind nicht vorrätig, aber sehr schöne blaue können Sie haben." — Dame: „Die nehme ich nicht, die verbleichen zu sehr." — Kommis: „Aber, gnädige Frau, da scheint die Sonne doch nicht hin."
.-. (Vorgebaut.) Witwe: „Gut, H-rr Doktor, ich gebe Ihnen meine Tochter, aber Sie dürfen nie einen Witz über mich machen I"
'st ergiebig, denn eine Messerspitze voll genügt, Geschmack und Farbe des Kaffees zu verbessern. 6
Redaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmanu in Wildbad.