Der Spieler.
Novellette von Fr. Ferd. Tamborini.
6) (Nachdruck verboten.)
In Berlin fand Berg bald die für ihn paffende Gesellschaft, jene unheimlichen internationalen Spieler, die sich ohne Losungswort erkennen und die sich, wie die Raben auf dem Schlachlfelde, instinkimäßig zusam- menfinden, wo eS etwas zu plündern giebt. Der Schluß-ffect war der, daß er bald neue Freunde gewonnen halte, die sich um so eifriger seiner annahmeu, als sie erfuhren, welches Mißgeschick ihn getrosten hatte.
„Ja," sagte der eine, ein älterer Herr mit grauem Schnurrbart, der das Aussehen eines jovialen ehemaligen Majors hatte, „es kann auch einmal einem Erfahrenen passieren, daß er .getoppt" wird. Daraus muß man sich nichts machen — die Well ist groß.
Dieser »Edle" würdigte ihn in der Folge seine besondere Freundschaft und unterstützte ihn mit seinen tresflichen Ratschlägen, um das Glückspiel sich zu Gunsten zu korrigieren, wie der beliebte Kunstausdruck rasfinierter Falschspieler heißt.
5 .
ES war in Baden-Baden, kurz nachdem glorreichen deutsch-französischen F ldzuge, und zu der sommerlichen Zeit der großen Wettrennen, zu denen sich stets viele Glücksritter zusammensanden. Adolf von Berg trieb sich auf dem Sattelplatz umher. Er wettete viel und streckte vorsichtig die Fühlhörner aus, um für den Abend eine Anzahl spiellustiger Herren zusammen zu b>kommen.
Da begegnete ihm ein hochgewachsener Herr in Cwil — er hatte ein steifes Bein und stützte sich mit der Rechten auf einen Stock, — den linken Aim hatte er einer jungen Dame gegeben, die ihn liebevoll stützte. ES war Herr von Pöllnitz, dem er damals auf der Hauptwoche die vierziglausend Mark abgenommen, und die Dame, die er am Arme führte, war — Mi, Berg's ehemalige Braut.
Arolf von Berg war gegen sentimentale Anwandlungen in letzter Zeit fihr abgehärtet, doch in dem Augenblick üb.rkam ihn ein sehr schmerzliches, sein Herz aufwühlendes Gefühl, als er diefcS Drama aus seiner besseren Vergangenheit wieder vor sich lebendig werden sah. Ein Gedanke q lälte ihn besonders:
Wie waren die beiden Menschen zusammen gekommen?
Er zog Erkundigungen ein und noch am selben Tage erfuhr er, daß dies Paar sich im Feldzuge kennen gelernt habe, als Pöllnitz bet Mars-la Tour schwer verwundet worden und Mi dort Krankenpflegerin war.
An jenem Abend hatte Berg dann ein unbehagliches Gefühl, wie das eines nahenden Unglücks. Ein Freund, dem er davon Mitteilung machte, riet ihm, heute Abend die Hände vom Spiel zu lassen, denn so eine schlimme Ahnung sei stets eine „Warnung.*
Aber Berg lachte über seinen Freund und schalt ihn abergläubisch.
Dann begann das Spiel und Berg beteiligte sich.
ES waren einige unheimliche Gesellen darunter, die ihm besonders mißfielen. Er hielt die Bank und hatte das Eröffnungsstück mit der üblichen Eleganz vollzogen, — also die vom Wirte gelieferten neuen Karten
mit den eigenen, unmerklich „gezinkten", wie der Kunstausdruck heißt, vertauscht.
Eine Weile spielte Berg mit ziemlichem Glück und hatte nickt nötig, seine schwindelhaften Kniffe in Anwendung zu bringen; dann aber kam ein Satz, der selbst ihm, dem alten Spieler zu hoch erschien — eS standen dreißigtausend Mark auf den König. Seine Bank war gesprengt, wenn er verlor.
Langsam hob er ab und paßte scharf auf die zweite Karle. Da kam ein König, er mußte auf die nicht gewünschte Seite fallen, wo Berg alles verlieren mußte. Er hielt inne und fragte scheinbar ganz gleichgiltig einen Mitspieler:
„Pardon, mein Herr. Gehört dies Geld auf das Aß oder auf den König?"
Die kleine Pause wollte er benutzen, um mit der Volte den drohenden König fortzu- schoffen. In dem Augenblick als er die Volte schlagen wollte, faßte plötzlich eine eiserne Faust seine Hand.
„Schuft, Betrüger, Gauneri" klang es ihm in'S OHr; zugleich erhielt er einen Schlag gegen die Stirn der ihm das Bewußtstin raubte I
Als Berg wieder zur Besinnung kam, b-fand er sich in einer vollkommen fremden Umgebung. Er lag in einem sauberen Bette in einem einfach möblierten Z mmer; stin Kopf war dick umwunden, und als er hinfaßte, fühlte er einen Eisbeutel auf dem Haupte.
Als er die Schelle berührte, ei schien ein uniformierter Wärter. I tzt wußte er, daß er in einem Krankenhause war und nach und noch besann er sich auf eie letzten schlimm n Ereignisse.
„Na, sind Sie doch wieder zu sich gekommen!" sagte der Wärter mit zudringlicher Freundlichkeit. „Ich dachte schon, Sie würden die Augen nicht wieder aufmachen — es war ein böser Hieb!" —
Wochen verstrichen, bis Berg soweit hergestellt war, um das Krankenhaus verlassen zu können.
Als Berg aus dem Krankenhause schied, händigte man ihm einen zerrissenen Anzug aus und zehntausend Mark in Banknoten, die man bei ihm gefunden hatte, als er bewußtlos dalag.
Der Spieler wurde im Besitz dieser immerhin bedeutenden Summe von einer Art Glückstaumel erfaßt, als er das Krankenhaus verlassen und seine Schritte auf die Straße gelenkt halte. Er hatte so lange bewuß los im Krankenhause gelegen, daß er sich erst jetzt langsam daran erinnerte, daß er an dem verhängnisvollen Abende mit Glück gespielt hatte, ehe ihn die Faustschläge und Fußiritte der Mitspieler trafen und er wegen seines falschen Spieles auf die Straße geworfen worden war.
Wieder regte sich in Adolf von Berg der letzte Nest seines besseren noch nickt ganz erloschenen Bewußtseins. Das ehrwürdige Bild seiner guten Mutter, das blosse Antlitz seiner ehemaligen Braut und der kühle Denkerkops des Baron Stolzing tauchten vor seinem ge stigen Auge auf und alle drei Personen, die einst in seinem Leben einen so großen Einfluß geübt hatten, standen wie ernste Warner und Eimahncr vor Bergs Seele.
„Du mußt ein ganz neues Leben beginnen, wenn Du nicht Gefahr laufen willst
elend zu Grunde zu gehen," mahnte ihn auch sein Gewissen. Berg fühlte auch, daß ihm ein gnädiges Geschick noch einmal Gelegenheit geben wollte, einem Leben der Leidenschaft und der Schande zu entsagen, und er faßte den ernsten Vorsatz, nun ein neuer Mensch zu werden. Ein hoffnungsvolles beinahe glückseliges Gefühl erwachte bei diesem Gedanken in seinem Innern und seine ganze Umgebung nicht beachtend, schritt er durch die Straßen der Stadt. Erst nach geraumer Zeit bemerkte er, daß ihn die Vorübergehenden mit seltsamen Blicken, bald staunend, bald lächelnd musterten. Er crschrack über dieses auffällige Benehmen der Leute. Sah er vielleicht schon wie ein ÄuSgestoßener, wie ein Erzgauner aus. — Da fielen seine Augen auf seine sich in einem großen Ladenfcnfter spiegelnde Gestalt, und er entdeckte lächelnd den Grund, weshalb man ihn so eigentümlich ansah. Seine Kleider waren an mehreren Stellen zerrissen, und er sah gerade so aus, als wäre er aus einer wütenden Schlägerei und Balgerei entronnen.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— General Seidlitz erstattete «inst Friedrich II. Bericht über eines seiner kleinen Gefechte, wie sie fast täglich im siebenjährigen Kriege vorfielen, und erwähnte dabei lobend einen Hauptmann, der sich durch seine musterhafte Aufführung und Tapferkeit ausgezeichnet und daher einen Orden verdient habe. Der König ließ den jungen Offizier zu sich bescheiden und sagte freundlich zu ihm: „Ec hat sich, wie ich gehört, brav gehalten. Ich will ihn dafür belohnen. Hier liegen hundert Friedrichsd'or und hier der Verdienstorden — wähle er." Ohne sich einen Augenblick zu bedenken, griff der Offizier nach dem Gelbe. „Ehre scheint er doch nicht im Leibe zu haben," meinte der König unwillig. „Verzeihen Eure Majestät," erwiderte der Offizier freimütig, „ich habe Schulden, und die Ehre verlangt, daß ich sie zunächst bezahle. Den Orden werde ich mir schon in kiing-n Tagen nachholen." „Brav, mein Sohn," sagte Friedrich, dem Hauptmann auf die Schulter klopfend, „nehm' er den Orden auch nur gleich mit, er verdient ihn."
— Opfer des Meeres. Nach den soeben vom Bureau Veritas veröffentlichten statistischen Listen sind Im Jahre 1899, soweit sich bisher hat ermitteln lassen, 1341 Segelscheffe verloren gegangen und zwar 1002 Segelschiffe mit 371406 Registertons und 339 Dampfschiffe mit 285 672 Register» tonS. Darunter befanden sich 73 deutsche und zwar 56 Segelschiff- mit 19 548 Registertons und 17 Dampfschiffe mit 32123 Registertons. Außerdem weist die Liste noch 5515 Schiffe aus, die durch Havarien u. s. w. Beschädigungen erhalten haben, darunter noch 378 deutsche.
(Stoßseufzer.) „Ach, wenn diese toten Sprachen doch endlich einmal auch begraben wären I"
I lalLÜe's I L886U2
ist der beste Kaffee-Zusatz für Jedermann, der eine gute Tasse Kaffee trinken will. 4
«edgktion. Druck und Verlag von Beruh, Holmaun t» Wildhad.