Wertsten.

WeihnachtserzShlung von Helene Voigt. 8) (Nachdruck verboten.)

Stumm und thränenlo« saß Luise und als man das Bad brachte, entkleidet sie die Kleine und hielt sie ohne nur zu zucken im Wasser.

Al« man die Letztere abgetrvcknet und wieder in daS Bett gebracht, schien es, als sei der Athem etwas ruhiger geworden.

Die Thür ging leise ans und Rudolf trat erschrocken herein, um nun endlich sein totkrankeS Kind zu besuchen.

Aber da flog Luise empor. In die sanften Augen trat ein strenger Ausdruck, herbe Abwehr log um die blassen Lippen und fast befehlend rief sie dem Einlrctenden zu:

»Laß mich allein mit meinem Kinde. Wenn es stirbt, so will ich es solange für mich haben denn Du hast keinen Teil mehr an ihm."

Finster streckte auch der Kommerzienrat die Hand nach der Thüre aus: »Laß uns allein, Du ehr- u. pflichlvergisser Vater"

Wortlos trat Rudolf zurück; sein Ge­wissen rief lautlos daSSchuldig," er wußte selbst, daß er gehandelt wie ein Un­mensch aber der Zauber vom Abend vorher hielt ihn noch immer gesausten er sah auch in diesem furchtbaren Moment Melanit Frohnerts Sirenenaugen auf sich gerichtet, fühlte den Druck der kleinen Hand.

Er stürmte hinaus, fort, wohin wuß'e er selbst nicht, nur in's Comptoir vemochle er sich heute nicht zu setzen, er mußte in's Freie, um nicht zu ersticken!.

Es war ein weicher, milder Oktobertag; noch einmal schien der Sommer zurückgekehrl mit Sonnenschein und Wärme, nur die bunten Blätter der Eichen und des wilden Wein, die feinen Silberfäden in der Lus! deuteten auf den Herbst unv das Nahen der toten Jahreszeit.

Rudolf Herstrom blieb nicht in der Stadt, hastigen Schrittes eile er dem Parke zu und athmete auf, als er eine stille Allee

erreicht.

Lange, lange ging er da aus und nieder und Bild auf Bild zog an seinem Geiste vorbei.

Er sah Luise, die stille, schöne, blonde Frau, welche daheim am Krankenbette saß. Zum erstenmale hatte er sie heute erzürnt und energisch gesehen und zum ersten Male auch regte sich ein der Bewunderung ähn liches Gefühl für sie.

Sie war die Tochter eines Jugend- und Geschäftsfreundes seines Paters, die er heim- geführt ohne sie fast zu kennen, nur im Uebereinkommen der Eltern, die keinen der Beteiligten um ihr Empfinden gefragt. Luise war ein gestrig bedeutendes Mädchen und, als sie, beim näheren Kennenlernen de- Gatten, nur zu bald eingesehen, wie unbedeutend er sei, kam die ganze trostlose Oede ihres nunmehrigen Lebens über sie.

Sie zog sich immermehr in sich zurück und erkannte auch bald, wie Rudolf immer rastloser und unbefriedigter wurde.

Heute nun halte ihm die blonde Frau imponirt und wenn nicht Melanies Zauber ihn umgarnt, so wäre vielleicht ein wärmeres Empfinden noch einmal in ihm erwacht So aber wars zu spät! Das Rauschen eines

Seidenkleides ließ ihn emporfahren und er stand ihr gegenüber dem Ideal seiner Träume, der Sirene des Concerisaales, Melanie Frohnert.

Ach so bald schon s.hen wir uns wieder," begann sie lächelnd und reichte ihm die kleine behandschuhte Hand;ich freue mich aufrichtig und bitte Sie, mich auf meinem Spaziergänge zu begleiten."

Er schritt wie im Traume an ihrer Seite und lauschte ihrem Geplauder und schaute tief in die wunderbaren gefährlichen Augen.

Als sie endlich zur Stadt zurückkehrten, blieb die Sängerin stehen, bot ihm abermals die Hand und frug liebenswürdig:Ich sehe Sie doch aber von setzt an recht häufig? Von Neujahr ab werde ich nach Amerika gehen zu einer längeren Tournöe."

Ach, ich sollte auch schon längst hinüber zu einem Geschäftsfreunde meines Vaters"

Sv könnten wir gemeinsam reisen?"

Ich weiß nicht ob meine Frau jetzt mitkommen würde."

Sie sind verheuratet?" kam eS gedehnt und fast wie enttäuscht von MelaniS Lippen und beinah ung-stüm vesicherte er ihr, daß das gar nichts zu sagen habe; er werde doch vielleicht mitkommen.

Nun, da wird Ihre Frau Gemahlin Ihnen Vielleicht gar nicht ertauben, morgen weinen jour fixe zu besuchen?" frug Melanie spöttisch.

Ich komme jedenfalls, wenn Sic es erlauben."

So halten Sie Wort, Sie armer gefesselter Ehemann!"

* »

Es war .am Abend dieses TageS, als Luise dankerfüllt die Hände zum Himmel erhob, ihr Kind war gerettet, Gott hatte ein Wunder gethan.

Rudolf Herstrom fühlte, daß zu Hause eine Wanv zwischen ihm und den Seinen sich erhob, auch daß er allein daran Schuld war. Er war fast jeden Tag bei Melanie Frohnert, nicht lange m hc, da zwitscherten die Spatzen auf dem Dache davon. Und sein Weib

So mochten einige Wochen vergangen sein, da nahm Rudolf Gelegenheit, seinem Vater »in Anliegen vorzutragen.

Laß mich für eine Zeit lang nach New Aork, Vater," sagte er hastig, ohne den alten Herrn anzusehen,Du wirst begreifen, daß diese häuslichen Verhältnisse mich völlig zu Boden drücken."

Hm, und durch wen sind sie herauf- beschworen ?" frug der Kommerzienrat streng, aber Du hast recht, geh hinüber, hier ist im Augenblick kein Platz für einen Ehebrecher."

Rudolf zuckle zusmmen wie mit glühen­den Rmhen gepeitscht.WoS willst Du damit sagen, Vater?"

Herstrom sen. erhob sich würdevoll. Nun, eS ist besser für Dich und für mickr, daß wir diese Angelegenheit nicht näher berühren. Ich wünschte, meiner armenLuise diesen Kuminer sparen zu können, doch das ist unmöglich."

Rudolf schaute zu Boden, sein Antlitz war wie mit Blut übergossen.

Laß mich nach New-Aork, Vater," murmelte er nochmals, beinahe flehend.

Geh, sagte d>r Alte finster,und wenn

jene schmachvolle Verirrung nach einem Jahre nicht vorüber und Du zur Besinnung ge, kommen bist so habe ich den einzigen Sohn und Erben verloren"

Er wandte ihm schroff den Rücken, und Rudolf verließ das Zimmer fast wie ein Verbrecher» dem das Urteil gesprochen ist.

Melanie," flüsterte er draußen, als müsse er sich, in dem Gedanken an die kleine berückende Sirene aufrichten,wir werden glücklich sein was kümmert unö die ganze Welt."

An der Thür von Luisens Zimmer hemmte er unwüükirlich die Schritte, ihre klare melodische Stimme drang an sein Ohr, wie sie Ada ein Liedchen vorsang; das Jauchzen der Kleinen antwortete darauf.

Wie, sollte er zu ihr gehen? Aber was konnte er ihr sagen? Daß er sie verließ, daß er nach Amerika ging ohne sie und das Kind. Warum nicht und je eher je bester!

Er pochte an» die Stimme verstummte, ein festesHerein" ertönte, als er jedoch in den Rahmen der Thür trat, zuckte die junge Frau zusammen und erhob sich.

Du hier, Rudolf? Eilaube mir nur die Kleine hiuüberzuschicken, dann stehe ich Dir zu Diensten."

Der junge Mann biß sich auf die Lippen und trat, ohne Ada zu -beachten an einen Tisch, scheinbar eine Mappe besehend. Bald darauf kehrte Luise wieder und trat ihm gegenüber.

Du wünschest?" frug sie freundlich, aber sehr kühl.

Wieder kam jene fast widerwillige Ver­wunderung für seine schöne, schlanke Gattin in Rudolfs Gemüth, er reichte ihr die Hand halb verlegen, halb herzlich.

Ich wollte mich erkundigen, wieS Dir und Ada geht, liebe Luise," begann er, sie unterbrach ihn jedoch und WieS auf einen Sessel.

Bitte, nimm Platz; das ist ja sehr freundlich von Dir, uns geht es gut, auch die Kleine hat sich rasch erholt, wie daS Kinder ja immer ihun."

»Ich ich muß Dir noch «ine Neuig­keit milteile» die ich soeben mit dem Vater besprochen."

Sie schaute fragend und unruhig zu ihm auf und er sah bewundernd wie schön ihre Augen waren.

Du machst mich begierig *

Ich werde für kurze Zeit einen Geschäftsfreund unseres Hauseö in New- Aork aufsuchen.

Doch schon hatten sich die Lider Luisens wieder gesenkt über den tiefblauen Augen­sternen und ihre Stimme ktang ruhig, freundlich wie zuvor, als sie antwortete: Das wird für Dich gewiß gut sein und auch für die Geschäfte der Firma."

Und weiter hast Du mir nichts zu sag-n, Luise?"

Wie sollte ich Du bist mir und den Deinen fremd geworden um einer Anderen Willen."

(Fortsetzung folgt.)

MeHH

Hast was Schlechtes du gethan Und es will Dich reuen,

Fange schnell was Gutes an Und du wirst dich freuen.

Aedakiton, Druck und Verlag von Beruh. Hosrnanu in Wldhad.