JoHcrnnisrcifen.
jNovelle von F. v Piickler.
2) (Nachdruck verboten.)
Elli ging, sehr zufrieden, daß die schöne Müller ihr nicht eine längere Strafrede gehalten ; sie war ein blondes, rosig liebliches Kind, welches aus großen braunen Augen heiter ins Leben bl ckie, obschon ihr das Leben wenig bieten zu wollen schien. Sie trug rin einfaches graues Kleid mit einer großen blauen Latzschürze, doch alles tadellos und musterhaft sauber. Als sie die Wohnzimmer- thür geschlossen, begann sie mit frischer Stimme zu trällern: „Komm, lieber Mai und mache die Bäume wieder grün — -
Wenn man sie ansicht, gnädiges Fräulein, dann fühlt man den Lenz mit all seiner Btülhenpracht ins Herz einziehen," sagte eine, etwas näselnde Stimme hinter dem jungen Mädchen und süßlich lächelnd verbeugte sich ein elegant und modisch gekleideter Herr, dessen Gesicht stark verlebt aussah. Hinter den Gläsern des goldenen Pincmez leuchteten seine Augen unangenehm, er vertrat scheinbar unabsichtlich Elly den Weg und bot ihr ein Veilchensträußchen, welches er auf dem Rücken verborgen gehabt.
EUh war noch viel zu sehr Kind, um in dieser Huldigung etwas anderes als eine ihr, dem stets zurückgesetzlen, unbeachteten Mädchen erwiesene Freundlichkeit zu sehen und, da sie Blumen sehr lieble, griff sie mit strahlendem Lächeln nach den blauen FrühlingSkindcrn.
,O, wie stündlich, Gras Reden," ries sie unbefangen, „die will ich gut aufheben, denn ich mag besonders Veilchen so gern."
„Denen Sie auch am meisten gleichen, gnädiges Fräulein , Sie blühen im Schatten auf und glücklich der, welcher Sie einst in den Hellen Sonnenschein des Lebens verpflanzen und zu Ihren Füßen als Sklave sitzen darf."
Mehr noch als die unverständlichen Worte erschreckteElly der eigentümliche Blick des Grafen, der vertraulich ihre Hand fassen
wollte.
„Sie kommen gewiß zu Mama", meinte sie verschüchtert und wich ängstiich zurück, „sie ist in ihrem Zimmer und hat gesagt, daß Sie bet ihr eintreten möchten."
„Ja, ach ja, natürlich, ich gehe zur Mama," lächelte Reden wieder so sonderbar , „ich will sie zu einer großen Landpartie für Pfingsten auffoidirn und fragen, ob ich Sic, Fräulein Elly, dann in meinem Phaston selbst fahren bars."
„Mich?" sie wich noch Weiler zurück, „o nein, — ich bin gar nicht bei dkr Partie und würde mich auch zu sehr fürchten —"
„Nun, werden schon sehen. Adieu für heute, schöne Kleine, und — auf Wieder sehen I"
Elly hatte sich abgewandt, sodaß sie die Kußhand gar nicht gewahrte, welche der nicht mehr junge Stutzer ihr zuwars; sie lief mehr als sie ging in den Garte» , weicher die Bärensprnng'sche Villa umgab und athmete erst wieder erbittert ans, als die warme, köstliche Maienlust ihr erhitztes Ge- flchtchen umfächelte.
„Du, Elly, höre doch mal —"
Es war eine ziemlich gebieterische Kinderstimme, wxlche drüben vom Zaune crlönte.
DaS säöne Mädchen wandte sich um, und Heller Sonnenschein überstrahlte von neuem das hübsche Gesichlchen.
„Hänschen bist Du da? Und was willst Du von mir? Gieb mir eine Hand, Du kleiner, guter Spielkamerad."
„Kaun ich ein wenig hinüber kommen oder — ist Deine Mama da? Denn die schimpft sonst, wie Du weißt, wenn wir uns Haschen."
„Nein, sie hat Besuch, ich kann ein Viertelstündchen mit Dir spielen, komm nur rasch."
„Na gut, warte mal eine Minute."
Und der kleine sechsjährige Schwarzkopf kletterte mit der Gewandtheit einer Katze über den Zaun nnd plumpste gleich darauf munt>r neben Elly zur Erde. „So, da bin ich, nun versuche, ob Du mich bekommst. Neulich habe ich Dich ergriffen."
Die schöne blühende Kastanienallee entlang, die von der Villa bis vorn zur Straße führte, ging die wilde Jagd unter lauten Jubelrufen Hänschen; Elly wirbelte wie eine Feder vor ihm her und, als da soeben das Eiserne Gitter von Männerhand geöffnet ward, vermochte sie kaum hart vor dem Einlretenden anzuhalten. Sie sah allerliebst aus, das feine Gesichtchen vom raschen Laufen wie mit Blut übergosstn, die schönen Augen strahlend in kindlichem Vergnügen, lief nach Atem ringend und dabei doch voll unsäglicher Verlegenheit.
„Darf man wohl auffangen helfen?" lächelde der fremde Herr, der gar nicht mehr jung oussah, „denn wenn ich nicht irre, wird hier „Greifen" gespielt."
„Ach, ich — sah nicht — daß Jemand kam," stammelte das junge Mädchen verwirrt und noch kaum fähig zu reden, „bitte wenn Sie etwa zu Mama wollen —"
„Zur Frau Commerzienrat Bärensprung."
„Ja, das ist eben Mama, dann bitte verraten Sie mich doch ja nicht, sonst — sonst —"
„Giebt es wohl Schelte?" frug amüsiert der Fremde, „nein, mein Fräulein, ich will ganz verschwiegen sein, wenn Sie mir die Hand geben und Ihren Namen nennen wollten."
„Ja, aber Elly," rief jetzt Hänschen dazwischen, „wenn Du nicht mehr miispieist, gehe ich nach Hause, das wird mir sonst zu langweilig."
Und gravitätisch drückte er das vorhin bet Seite geworfene Strohütchen aus den Kopf und «änderte ab, während das junge Mädchen schon viel zutraulicher ihren neuen Bekannten ansah, dessen ernstes Antlitz jetzt in voller Heiterkeit erschien.
„Der kleine Mann hat mir Ihren Namen nun verraten, Fräulein Ellly," fuhr er fort, „ich hoffe, Sie werden nun auch meine Bitte erfüllen uud mir die Hand geben. Ich bin ein alter, guter Bekannter Ihrer Frau Mutter."
„DaS freut mich," nickte Elli nocd immer etwas schüchtern, „ich mag alte Herren auch lieber als solche wie Gras Reden."
Der Fremde sab sehr amüsiert aus. „Alte Herren" wiederholte er dann, „zählen Sie mich zu denen?"
„Sie haben ja graue Haare, und das gefällt mir viel besser, als wenn Sie sich färben würden."
„Ich komme sehr weit her, Fräulein Elli," sagte der fremde Mann jetzt etwas ernster und schritt neben ihr dem Hause zu, meine Besitzungen liegen im heißen märchen- umwobenen Indien, und es ist lange her, s il ich die Heimat v rließ, um dort drüben eine neue zu finden. Damals lebten Sie noch nicht."
„So lange her," rief die junge Dame ehrlich erstaunt, „ach und ich bin ja schon siebzehn Jahre alt."
„Gewiß, es sind über achtzehn Jahre her, daß ich zu meinem Oheim reiste."
„Da war Mama wohl auch noch ein junges „Mädchen!" rief Elli neugierig; „sie steht noch heüte so jung aus und alle L Ute bewundern sie deßhalb."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
Ein sonderbares Grabdenkmal. Das Zweirad ist uns eine alltägliche Erscheinung, aber auf einem Grabstein hatte man es bisjetzt noch nicht gesehen. Das Verdienst, diesem Mangel abgeholfen zu haben, gebührt einer jungen Witwe in Rio de Janairo. Sie hatte ihren späteren, jetzt verblichenen Gatten auf einer Rabparti kennen gelernt. Als er nun vor einiger Zeit starb, litt es die gefühlvolle nicht, daß der V-rblichene, der sich in ihr kleines Herz hineingeradcll hatte, wie ein ganz gewöhnlicher Fußgänger begraben liegen solle. Sie ließ deßhalb einen Bildhauer kommen und gab ihm den Auftrag, auf dem Leichenstein den Moment in dauerhaftem Marmor lebrnsgetreu festzu- halten, in dem sie ihren Mann kennen ge« lernt Halle. Alles mußte daraus enthalten sein, die BicycleS, ihr Mann und sie selbst, in dem chiken „Reform-Kostüm", das sie an jenem denkwürdigen Tage anhatte. Der Denkstein wurde denn auch unter gebührender Feierlichkeit und in Gegenwart mehrerer Radlervereine enthüllt.
— Die Geschichte der sechs falschen Thaler. Ein heilerer Vorfall, welcher den Vorzug genießt, buchstäblich wahr zu sein, ereignete sich jüngst in der Bürgermeisterei eines niederrheinischen Landkreises. Dem dortigen G meindevorstcher war cs gelungen, im betreffenden Orte sechs falsche Thaler- stücke zu beschlagnahmen und wurde ihm auf eine desfallstge Anfrage hin der Bescheid, die Falsifikate sofort der Staatsanwaltschaft deS betreffenden niederrheinischen Landgerichts ein. zusenden. Dieser Verpflichtung kam das Gemeindeoberhaupt denn auch schon bald ln der Weise nach, daß er das falsche Geld in der — Ortspostkaffe einzahlte I Der Postverwalter nahm das Geld ohne Anstand — wer würde auch Mißtrauen hegen gegen die erste Magistratsperson? —, die Staatsanwaltschaft blieb ohne die gewünschten Judicien und die nunmehr wieder im flotten Verkehr befindlichen Falstfiikate werden hoffentlich niemanden verhängnisvoll I Also geschehen im Jahre 1899 .
(Kindliche Logik,) Die Mutter hat dm Kineern ein Märchen erzählt und schlicht mit den Worten: „Da verwandelte sich der Bär in einen Prinzen und heiratete die schönste Dame des Landes." — Lischen (nach kurzem Nachdenken): „Papa, warst Lu auch ein Bär, ehe Du unsere Mama geheiratet hast?"
Aiedskityll, Druck und Verlag von Beruh, Hojmann in Wil-da-,