Die Ehre des Hauses.
Novelle.
Originalbearbejiung nach dem Englischen von Klara Rheinau.
18) (Nachdruck verboten.)
Ehe sie nur ausgesprochen, hatte Frau Mervyn das Dccument herbeigeholt und PriScillaS Aussage bestätigt gefunden. Sie sank auf ihre Knie, hob die gefalteten Hände zum Himmel auf und sprach ein Dankgcdet, so innig, sso ehrfurchtsvoll, daß selbst die leichtfertige PriScilla sich momentan dadurch bewegt fühlte.
Oberst Mervyn zog sanft die Gattin zu sich heran und schloß sie mit dem Ausdruck zärtlicher Vergebung an sein hochklopf- endeS Herz.
„Dies war eine schwere Prüfung für unsere Liebe," murmelte er; „und in der ersten Aufwallung von Zorn und Ärger über Deinen Mangel an Vertrauen fürchte ich, allzu hart und grausam gegen Dich gewesen zu sein meine geliebte Adelheid. Ziehen wir daraus eine Lehre für die Zu kunft, in diesem Augenblick gegenseitiger Vergebung; niemehr soll ein Geheimniß unfern Frieden trüben."
„Sie verg-ssen mich ganz, Adelheid I" jammerte PriScilla, mit ihren welken Armen io der Luft herumfahrend. „Wollen Sie denn gar nichts für mich lhun? Für sich selbst beten Sie; können Sie nicht auch für mich beten?"
,Beten wir gemeinschaftlich," sagte Frau Mervyn, ihre Freudenihränen trocknend und hochherzig ihre eignen Gefühle bei Seile drängend, um das Grausen zu hind-rn, dos die arme scheidende Seele überkam; „beten wir gemeinschaftlich, PriScylla. Unser himmlischer Vater ist barmherzig gegen alle seine Kinder, vielleicht wird er unser Gebet erhören."
„ES hat keinen Zweck," stöhnte die Sterbende verzweifelt, „ich weiß, es hat keinen Zweck I Wer sollte im Himmel meine Bitten anhören? Schickt nach dem Londoner Arzt, wie Ihr mir versrochen habt. Meine Schmerzen nehmen ab, ich werde schlafen, bis er kommt."
Und sich ganz aus irdische Hilfe verlassend und verstockt von dem große» himmlischen Arzt sich abwendend, der allein sie Hüne heilen können, sank Prise'lla in einen Schlummer, aus dem sie nie meh> erwachte. —
DaS graussiige Ende eines in Sünde
und Gottlosigkeit verbrachten Lebens I
* »
Es dauerte lange, lange Zeit, ehe Frau Mtrvyns tief erschütterte Gesundheit wieder ihr frisches Gleichgewicht erlangte. Aber daS ruhige, abgeschlossene Leben im lieblichen Beechcroft, die sorgsame, zärtliche Pflege des Gatten und KindeS, sowie die glückseligen Briefe von Rosa und Walter, verfehlten mit der Zeit nicht, ihren wohlchätigm Enfluß auf die schwergeprüfte Frau. Der Friede kehrte in ihre Serie, eine frische Farbe aus ihre bleichen Wangen zurück.
Dort, der Detektive, forschte nie der Spur jene- RubinenbraceletS nach, denn Herr Hoüis erlag sehr bald einer schweren Lungenentzündung, welche er sich in dem Veränderlichen Klima Englands zugezogen
hatte; in einem seltsam styllflrten Testament sein ganzes Vermögen der Frau Mervyn vermachend, als Zeichen seiner Hochachtung und als kleine Entschädigung für die unfreundliche ungerechte Behandluug, die sie von seiner Cousine, Frau Mordanrt, erduldet hatte.
Lily Mervyn war von zahlreichen Bewerbern umschwärmt, ober sie konnte sich nicht entschließen, ihre Elt-rn ebenfalls zu verlassen. Erst als eine kleine Rosa Tufto» aus Indien eintraf, um bei den Großeltern in England gesund und kräftig heranzuwachsen, da glaubte LUy sich entbehrlich und reichte dem Hamilton, dem ihr junges Herz schon längst in heißer Liebe entgegenschlug, ihre Hand.
Auch Frau Mervyn fühlte sich '.glücklich in der neugewonnenen Liebe des Gatten. Der Schatten, der ihre Ehe so gänzlich zu verdüstern drohte, war gewichen, und die Wiedervereinten begannen gemeinsam, von zärtlicher Hingebung getragen, den Hügel hinabzusteigen, der sie allmählig zu einem schöner» und bessern Heim führen wird.
Ende.
Verschiedenes.
— Der Kaiser als Ehestister. Auf der Reise nach Kiauischou befindet sich gegenwärtig ein .junges Mädchen aus Ciauslhat am Harz, ein Fräulein Strauch. Sie hat die Reise unternommen, um sich mit ihrem Bräutigam zu verheiraten. Letzterer gehörte als Matrose dem Kiamschou-Besatzungs- Detachement an. Nach Vollendung seiner Dienstzeit gelang es ihm, in der jungen deutsch-chinesischen Kolonie eine feste Anstellung zu erhalten; er bat seine Braut, zu ihm nach Kiautschcu zu kommen, woselbst die Hochzeit statlftndcn sollte. Fräulein St. war hierzu natürlich sofort bereit; da aber die VermögenSverhäUmsse der Ettern eine so weite Reise nicht gestatteten, wandte sie sich mit einem Gesuch kurz entschlossen an den Kaiser und bat den Monarchen um Bewilligung der Kosten für die Uebersahrt zu dem erwähnten Zwecke. Der Kaiser ließ der jungen gemüthvollen Dame sofort ein größeres Geldgeschenk aus seiner Pcivatschatulle überweisen, mittels dessen sie nunmehr die Reise nach ihrer zukünftigen Heimat angrtreten hat.
— Eia sonderbarer Kauz ist derLeder- fabrikant Dirion in Schlettstadt, der sich für di, ReichStagSersatzwaht in Sch!ellstadt-Bacr als Kandidat aufstellen ließ. In weiteren Kreisen wurde Dirion im April 1898 bekannt. Infolge der PreiSdrückeret auswärtiger Konkurenlen war damals die Nachfrage nach Leder im Dirion'schen Etablissement sehr schwach. Wegen des geringen Absatzes war eS nicht möglich, sein Personal weiter zu be- schäftigen. Er entließ es jedoch nicht, sondern ließ eS täglich vormittags mehrere Stunden unter seiner Aussicht — Karten spielen. Die Sieger beim Kartenspiel erhielten je zwei, die Unterlegenen je ein Glas Bier. Nach Schluß drS Kartenspiels hielt Dirion seinen Arbeitern einen Vortrag über die Schmutzkonkurrenz und ihre Folgen. Nachmittags beschäftigte er die Arbeiter ein paar Stunden in seinem Garten. Während dieser Zeit erhielt jeder der Arbeiter täglich einen Lohn von 2 Mark.
— Es geht nichts über menschliche Ausdauer, und wenn das Ziel ebenso unnütz
wäre wie baS des 80jährigen Norwegers Kuiridg. Seit fünf Ihren bemühte sich der Mann, größtmöglichste Zahl von Worten auf eine Postkarte zu schreiben. Er braucht kt>ns Lvupe und schreibt mit gewöhnlichen Schretbsedern, und zwar vollkommen ^leserlich. Ziemlich leicht wurde eS ihm, 1000 Worte auf den festgesetzten Raum zu bringen. Dann brachte er eS auf 3000, dann auf 6000 Worte. Am Ende des 3. JahreS versuchte er, wieder kleinere Schriftzeichen zu schreiben und kam auf 20 000 Worte. Jetzt kannte sein Ehrgeiz keine Grenzen mehr, und er beschloß, einen ganzen Roman von 46 000 Worten auf eine Postkarte zu schreiben. Der unermüdliche Greis arbeitete 3 Monate und setz'e seinen Willen durch. Nunmehr ist er endlich befriedigt, sein Lebenszweck scheint ihm erfüllt.
— Einen Verein ohne Gleichen zu
besitzen, darf sich daS bei Heiligenbeil gelegene Dorf Bladiau rühmen. Ter „Heilb. Ztg." wird von dort geschrieben: Der Mangel an einem in Bladian ansässigen Barbier hat mehrere dort wohnhafte Herren veranlaßt, einen „Rasterverein" zu gründen. Jedes Mitglied ist verpflichtet, einmal in der Woche die übrigen Mitglieder zu rasteren.
— (Gefärbten Rotwein zu erkennen.) Ein einfaches Erkennungsmittcl besteht darin, daß man eine Brotkrume in den Rotwein taucht und darnach in eine Obertasse mit mit reinem Wasser bringt. Ist der Wein mit Beerensaft gefärbt, so nimmt auch daS Wasser eine rötliche Färbung an. Wenn der Wein dagegen echt ist, so dauert es eine Viertel», bis eine halbe Stunde, bis sich der schwer lösliche Farbstoff des Weins dem Wasser milteilt.
— (Wenn sich ein Kind „verschluckt"), wenn ihm etwas in die falsche Kehle kommt, so soll man nicht auf den Rücken des KindeS klopfen, das dies zwecklos ist. Es giebl vielmehr ein einfaches Mittel, welches sofort hilft. Man faßt die beiden Hände des Kindes und hält die Arme gestreckt nach oben. Dadurch weitet sich die Brust so, daß daS Uevel augenblicklich schwindet.
>-. (Der Pantoffelheld.) „Wie denken Sie über den Weltsrieden?" — Pantoffelheld : „Ich denke, meine Alte wird sich roch nicht fügen l"
(In der Verlegenheit.) Kunde.: „Was, achtzig Pfennig kostet die Schnurrbartbinde ? Draußen steht doch vierzig l" — Kaufmann: „Ja, das sind kieine . . sür Kinder I"
— TongerS Taschen-Album Bd.l, 100 Volkslieder sür mittlere Stimme mit leichter Klavierbegleitung, Preis schön uud stark carton. ^ 1.—. 3. Auflage.
Wir freuen uns immer, wenn wir die überaus praktischen Tongerschen Taschen-Atb- ums zu Gesicht bekommen, und sie scheinen auch anderen Leuten zu gefallen, sonst läge uns nicht z. B. vom 1. Bändchen schon die 3. Auflage innerhalb eines Jahres vor. — Ist es der vorzügliche Inhalt, die reizende äußere Ausstattung oder nimmt das bequeme Taschenformat, besten Vorteile augenscheinlich sind, sür die Albums so sehr ein? Wahrscheinlich Alles dieses zusammen. — Jedenfalls hat sich die Sammlung, trotz der Hochflut der musikalischen Neuheiten Bühn gebrochen und das will elwaS heißen.
SK-aktM, Druck und Birlag so» Bern-, Hqsrunsr, i« Wilbbab.