alte Frau erwachte und erfuhr, waS mit ihren alten KleidungSstcknen vorgegangen war, ver­fiel sie schier in Raserei. Sie raufte sich das Haar, nannte ihre Verwandte Diebe und Gauner und bekam zuletzt die Weinkrämpfe. Erst allmählich erfuhren die erschrockenen An­gehörigen, daß in einem schon jahrelang im Gebrauch befindlichen Unterrocke 14 Hundert­markscheine 2 Zwanzig- und ein Fünfmark­schein eingenäht waren. Das jetzt in Flam­men aufgegangene Geld hatte die Frau sich in Jahrzehnten erspart und aus Furcht vor Dielen diesen eigenartigen Aufbewahrungs­ort gewählt. Die Geschädigten werden sich an die Reichsbank wenden, doch wird dies keinen Erfolg haben, da die Nummern der Scheine fehlen.

Leipzig, 14. Okt. Als Nachfolger des verstorbenen R-ichsgerichtsrats v. Ege ist Oberlandesgerichtsrat v. PclarguS in Stutt­gart ernannt.

Unschuldig verurteilt. Einem un­schuldig Verurteilten wurde im Wiederauf­nahmeverfahren vom Landgericht Eisenach die Ehre wieder gegeben. Der Handelsmann Halt war im Mai 1885 wegen Diebstahls von Aepfeln im Werte von 3 zu drei

Monaten Gefängnis verurteilt worden. Heute gelang es ihm, nachzuweisen, daß sein in­zwischen verstorbener Kompagnon falsches Zeugnis wider ihn abgelegt hat. Der Sohn dieses früheren Kompagnons, der als einziger Belastungszeuge auftrat, wurde vom Gericht nicht vereidigt. DaS Gericht sprach den Halt unter Aufhebung des ersten Urteils frei und legte sämtliche Kosten beider Verfahren ein» schließlich der Anwaltsgebühren der Staats­kasse zur Last. Ueber eine dem Halt aus der Staatskasse zu gewährende Entschädigung wird da« Gericht noch Beschluß fassen.

Ein Zug in den Wartcsaal hinein­gefahren. Etn ArbntSzug überfuhr auf der Station Mirow (Mecklenburg) den Prell­bock, fuhr in das Stationsgebäude hinein und zerstörte den Wariesaal 2. Klasse. Menschen sind nicht verunglückt. Die Ursache war falsche Weichenstellung.

Der verstorbene Weihbischof Dr. Schmitz hat den größten Teil seines nach­gelassenen Vermögens zu kirchlichen und wohlthäligen Zwecken bestimmt. Rund l 00 000 ^ sind zur Erlrichtkrug von Pfarr stellen in der Diözese Köln und der Diözese Hildesheim, weitere große Summen für

KlrHenbauItn in Berlin, für Wohlthätlg- keitS-Anstalten in Crefeld und Düsseldorf vermacht worden. Das Testament enthält sodann noch Stiftungen und Seelenämter, sowie Vermächtnisse für das Dienstpersonal.

Ueberschwcmmung. Ein hkfliger Platz­regen, von Gewitter und Hagelschlag begleitet, verursachte in Rom eine Ueberschwemmung. Die Peterskirche war kurze Zeit ganz von Wasser umgeben und das Forum Romanum überschwemmt. Der Schaden ist unbedeutend. Mehrere Eisenbahnlinien, wie Rom-Pisa, sind unterbrochen.

Aus der Schweiz, 8. Okt. Eine schöne Sitte herrscht im Waadtlande, nämlich die freiwillige Einrichtung, daß die Reben der Wilwen und Waisen einen Tag vor der all­gemeinen Weinlese gelesen werden. Dabei können die Nachbarn den verlassenen Familien auShelfen, und eS kommen die letzteren nicht in die Lage, wenn allerorts die Leute alle Hände voll zu thun haben, fremde Arbeiter suchen und vielleicht teuer bezahlen zu müssen.

Ein heftiger Sturm richtete in San Giorgia (Apulien) große Verwüstungen an. Die Kirche und mehrere Wohnhäuser wur­den zerstört, drei Personen sind umgekommen.

Die Ehre -es Muses.

Novelle.

Originalbearbeitung nach dem Englischen von Klara Rheinau.

16) (Nachdruck verboten.)

Eit überlegen langemurrte Pris- eilla,und wir könnten leicht gestört werden. Aber ich habe nicht die Absicht, Sie aus dem Auge zu verlieren, denn meine Börse ist vollständig leer. Ah, gerade wie ich erwartete, hier kommt wieder eine Abteilung Noiröcke auf dieses Truppenschiff, und wir müssen uns entfernen."

Zurück! zurück! Achtung dorten!" riefen jetzt ein Dutzend Stimmen, denn im Gefolge der Soldaten, die sich hier nach Madras einschifften, befand sich ein feuriges junges Pferd, das Eigentum eines der Offiziere, welches unverkennbare Zeichen des AbscheueS gegen das Wasser von sich gab.

Oberst Mervyn ließ Lilly unter der Oihut eines Bekannten und eil!« an die Seite seiner Gattin, deren unwillkommene Gcfährlin sich eilig zurückzoz. Aber in dem nämlichen Augenblick scheute das unruhige Tier, durch einen Peitschenhieb seines Führers in Wut versetzt, die Menge drängte sich erschreckt zurück, und Prise lla wurde willen« loS an den Rand des Ufers geschoben. Sie taumelte, und ehe eine Hand zu ihrer R-ttung sich auöstrecklen konnte, stürzte sie mit einem lauten Aufschrei in daS Wasser.

Jetzt wurde die allgemeine Verwirrung Nvch größer; mit dem Schrecken der Frauen und dem lauten Rufen der Männer, mischte sich das Geirappel der Füße, denn Alles drängte nun zur Unglücksstelle hin. Plötz­lich erscholl der Ruf:Sie taucht wieder auf. Dort ist sie! Dort! dort! Wer wird sie denn retten? Wer kann denn schwimmen?"

Eine kurze Sülle trat ein. Viele der Zuschauer traten zurück. Hatte Niemand den Mut, mit dem Tode um das Leben der Verunglückten zu ringen.

Da trat ein vornehm gekleideter Herr aus der Menge heraus, warf hastig Rock und Weste bei Seite und stürzte sich unter den jubelnden Zurufen der Umstehenden kurz entschlossen in die Flulen. Atemlos verfolgten Alle seine Bewegungen; sitzt hatte er sie erreicht und ein lautesHurrah! er hat sie gerettet! gerettet!" verkündete den Erfolg seiner Bemühungen.

Der Oberst, denn er war es, der die Frau gerettet hatte der in solchen Fällen stets seine volle Besonnenheit bewahrte, diri- girte die vielen hilfreichen Hände, welche eine Tragbahre improvisierten und ließ die bewnßüose Frau in das nächste Hotel bringen. Frau Mervyn warf einen Bsick auf Pris- cillas fahles Antlitz als sie vorüber getragen wurde und fragte unwillkürlich:Ist sie todt?"

Ein neben ihr stehender Herr versicherte, daß die Arme roch lebe, jedoch beim Fallen sich am Kopfe verletzt und ein Bein gebrochen habe. Niemand kannte die Verunglückte, aber die Meisten hatten sie in den letzten Tagen in den Esplanaden umherschlendcrn sehen."

Die Aerzte, welche zu ihrem Beistände herbeigerufen wurden, hielten den Fall für einen sehr bedenklichen, denn die gellenden Schreie, welche PriScilla bet dem Versuch, sie aufzuheben, ausstieß, deuteten auf eine innere Verletzung hin. Das Bewußtsein kehrte jedoch bald zurück, und ihre unauf­hörlichen Fragen nach Frau Mervyn er­gaben die Anwesenheit dieser Dame in Sout­hampton. PriScilla verlangte stürmisch, sie zu sehen, und die Aerzte gaben nach, als sie sahen, daß jede Weigerung die Aufregung der Fiebernden nur noch verschlimmern würde. Die Botschaft, welche sie Frau Mervyn in ihr Holet zuschickte, klang fast wie ein Befehl, sie zu besuchen, und die Dame versprach, am nächsten Morgen sich rin- zufinden.

Ich begreife nicht das seltsame Verlangen dieser Person rach Deinem Besuch," bemerkte der Oberst, mißtrauisch seine Frau I fixierend.

O Reginald!" war die traurige Ent­gegnunghängt nicht mein ganzes Geschick von ihrer Wahrhaftigkeit ab? Sie ist jene PriScilla Fullon, deren herzlosem Betragen ich all' mein Unglück verdanke."

Dieses merkwürdige Zusammentreffen machte einen tiefen Eindruck auf den Obersten. Darin erkenne ich die Hand der göttlichen Vorsehung! O Adelheid, Adelheid, wir wollen hoffen."

Dies war das erste kleine Zeichen von dem Wiederaufleben wärmerer Gefühle; Frau Mervyn jühlte sich dadurch fast über den Verlust ihres Kindes gelröstet, und sie schlief in dieser Nacht ruhiger und friedlicher als seit vielen Wochen.

Lilly war sehr überrascht, daß der ur­sprüngliche Plan, augenblicklich von Sout­hampton abzureisen, eine Aenderung erlitt. Aber einesteils war sie zu bescheiden, andern- teils zu sehr von ihrem Schmer; über die Trennung von der geliebten Schwester in Anspruch genommen, um die Ellern mit Fragen nach dem Grunde ihres längeren Ver» wetlens zu quälen.

Inzwischen ging eS trotz der sorgfältig­sten Wortung und Pflege mit der unglück­lichen PriScilla rasch zu Ende. Frau Mervyn besuchte sie täglich und bekämpfte ihren Abscheu so weil, um ihr jene kleinen Aufmerksamkeiten zu erweisen, welche für Kranke von so hohem Werte sind.

Aber PriScilla zeigte sich nicht im Gering­sten dankbar dafür.Ich weiß recht gut, warum Sie hier bleiben und mir Erfrischungen bringen," sagte sie eims TageS.Eie fürchten, ich möchte auSplaudern, wenn Sie nicht höflich wären."

Ob ich bleibe oder gehe, meine Teil­nahme für Ihre Verlassenheit wird mich veranlassen, Ihnen Alles zu gewähren, was die Aerzte bei Ihrem sehr bedenklichen Zustande für'üg Hallen, war die ruhige Entgegnung. (Fortsetzung folgt.)

MerkU^

* Erzähle mir die Vergangenheit und ich werde die Zukunft erkennen.

Nedakiton, Druck und Verlag von Ver «h. H» sm « « n in Wldhah-