Gräfin mid Köchin. Die vornehme Pariser Gesellschaft amüsiert sich gegen­wärtig über einen ergötzlichen Vorfall, der d zwischen der Gräfin de Fontenoy und *.r Beherrscherin ihrer Küchenräume ab- spielle. Madame la Comiesse besaß seit dr.i Jahren eine unvergleichliche, aber ebenso unausstehliche Köchin, deren Launen und Bosheiten sic ihrem Feinschmecker von Galle» zuliebe stillschweigend ertrug. Vor kurzem verreiste der Graf, und während seiner Ab­wesenheit wurde Mlle. Louise so unverschämt, daß der Gräfin endlich der Geduldfaden riß und sie ihr kündigte. Recht unangenehm berühr! fühlte sich die Dame aber, als die Köchin am andern Morgen triumphirrnd berichtete, daß sie gewiß von der Baronin N . . . . engagiert werden würde, deren Gemahl ebenfalls ein groß r Epikuräer ist. »Madame/ schloß Louise ihre Mitteilung mit einem verächtlichen Nasenrümpfen, Madame werden mir bitte ein Zeugnis ausstcllen. Nicht über mein Kochen, das ist bekannt genug aber über meine Ehrlichkeit und alles andere/ Mlle. Louise ist nun ohne Frage persekt im Zu- beretlen von Sauen, ihre sonstige Erziehung war dagegen traurig vernachlässigt worden. Sie kan» zwar Gedrucktes mühsam ent-

Die blaitc Maske.

Humoreske von I. PiorkowSka.

(Nachdruck verboten.)

Ich schreibe ein T. O. in die kleine Hand, aberv nein, Du irrst, mein edler Ritter/ antwortete die blaue MaSke mit offenbar ve> stellten Stimme und dabei funkeln mich ihre dunklen Augen orddentlich spöttisch an.

Uiigenkl nimmt sie meinen dargebotenen Arm und läßt sich von mir weitersühren; aber aus all meine Fragen und Bemerkungen weiß sie ihre Antworten so einzurichten, daß ich trotz allem Bemühen, zu ergründen, wer sie nur sein mag, meiner Absicht um kein Atom näher komme, währ nd sie mich doch sehr genau zu kennen und eigentlich alles von mir za wissen schien.

In den nächsten zwei Stunden amüsirtc ich mich köstlich und fast ausschließlich mit shr; und seltsam, fast schien cS, als wäre sie ganz allein, ohne jegliche Begleitung, ohne irgend einen älteren Herrn oder Dame da, die es für ihre Pflicht gehalten hätten, sich auch einmal um ihre Schutzbefohlene zu kümmern. Nun, ich war nicht böse darüber, und sie schien sich auch gern an meiner Unterhaltung genügen zu lassen. Nur, wer sie war, sagte st- mir nicht, so sehr ich auch darum bat.Nun, bald ist es zwöll Uhr/ tröstete ich mich,da wird demaskiert dann werde ich ja auch sehen, wer meine reizende Polin ist," Denn daß sie eben so hübsch sein mußte, wie sie munter und liebens­würdig war, daran zweifelte ich keinen Augenblick.

Bald sollte ich aber erfahren, daß sie neben all ihren Tugenden auch recht boshaft sein könnte; denn plötzlich, kurz vor dem DemaSkiren war sie plötzlich verschwunden, ohne daß es mir gelungen wäre, sie wieder zu entdecken, obwohl ich bis gegen drei Uhr blieb.

Die schöne Polin halte eS mir wirklich

ziffern, geschriebene Buchstaben sind für sie jedoch rätselhafte Hieroglyphen. Mit ihrer eleganten Kritz lhandschrift bedeckte Komtesse de Fontenay schnell einen ihrer wappn- geschmücklcn Bogen. Ohne das Papier auch nur eines Blickes zu würdigen, steckte die Küchenfee es zu sich und begab sich in das Haus ihrer zukünftigen Herrin. Wie erstaunte sie aber, als die Baronin, nachdem sie dasZeugnis" zweimal aufmerksam durchgelesen hatte, in lautes Lachen ausbrach und dann mit einer abwehrenden Hand­bewegung sagte:Meine Liebe, ich fürchte, daß Sie für mich nicht zu gebrauchen sein werden. Gehen Sie nur! Das Schreiben, dessen Inhalt die Baronin so belustigt hatte, lautete folgendermaßen:Ich, Komtess de Fontenoy, bestätige hiermit, daß ich drei lange Jahre hindurch im Dienst der genialen Köchin Louise Girot gestanden habe, und daß ich stets mein Möglichstes that, um sie in allen ihren Anforderungen zufriedenzu- st llen und ihr meine tiefste Ergebenheit zu beweisen. ES hat mich sehr geschmerzt, als ich erkannte, daß mit ihrem eigenartigen Temperament nur schwer fertig zu werden war, doch versuchte ich immer von neuem, mich gut mit ihr zu stellen, da ihre Saucen, die Monsieur le Comte so sehr liebt, in der

anzethan, sie allein war schuld daran, daß ich schließlich, als ich mich endlich zur Ruhe legte, doch von dem Maskenball nicht so »'friedigt war, wie ich eigentlich erwartet halte. Die blaue MaSke wollte mir nicht aus dem Sinn; ich wollt-, ich mußte er­fahren, wer st- war! Diese kleine zierliche Gestalt und die feurigen schwarzen Augen würde ich überall wiederkennen dachte ich.

So schloß ich endlich die Augen mit dem fisten Vorsatz, mich von nun an in die Loßdorfcner Gesellschaft zu stürzen und nicht eher zu ruhen und zu rasten, bis ich sie wiedergefunden hätte.

Aber es kam anders.

Während der nächsten Tage ließen mich ernste Besorgnisse um einen meiner Patienten kaum an etwas anders, als an meine Pflichten denken, und bald danach mußte ich selbst daS Belt hüten.

Ich lag lange Zeit an einem gastrischen Fieber schwer krank darnieaer; dasselbe hatte mich io heruntergebracht und entkräftet, daß ich auf strengen Befehl eines meiner College», sobald die Jahreszeit es erlaubte, nach Bad Charloltenbrunn reiste, um mindestens zwei Monate dort zu bleiben.

Ich zählte zu den ersten Badgästen.

Anfangs war eS so leer und still da, daß ich Zeit und Muße halte, viel, sehr viel an meine blaue MaSke zu denken ja, wohl mehr, als meiner Gemüts­ruhe zuträglich war. Meine von der eben überstandenen Krankheit noch etwas ange­griffene Gesundheit mochte wohl mit schuld sein, daß mein Auge sie sich je länger ich an sie dachte immer reizender, immer bestrickender vorstellte, bis sie mir schließ­lich als Ideal weiblicher Anmut und weib­licher Liebenswürdigkeit Vorschwebte. Wenig­stens wenn ich jetzt als würdiger gesetzter Ehemann und Vater von zwei munteren, aufgeweckten Knaben und einem kleinen süßen Töchterchen, dem ganzen Ebenbilde meiner lieben süßen Marie, wenn ich jetzt an mein geradezu wahnsinniges Verhalten

That ausgezeichnet sind. Ich würde gerne noch recht lange in Mlle. Girots Diensten geblieben sein, obwohl meine Börse und Geduld beständig mit unbegrenzter Freiheit in Anspruch genommen wurden. Bezüglich ihrer Ehrlichkeit enthalte ich mich jede: Be­merkung. Zu weiterer Auskunft gern bereit. Komtesse de Fontenay." Die witz'ge Gräfin ist von der höchlichst entrüsteten Köchin zwar verklagt worden und hat auch ein kleines Strafgeld zahlen müssen, aber ihren Spaß hat sie doch gehabt.

Ein paar Nossi 'iaiiekdoten erzählt der amerikanische Maler MoscheleS, die er von seinem Vater, dem ausgezeichneten Pianisten Ignaz MoscheleS, überkommen hat. Ignaz MoscheleS ging einst mit Rossini über die Pariser Boulevards. Sie scherzten und lachten, als ihnen plötzlich Mey rbeer be­gegnete. Auf dessen Frage nach Rossinis Befinden antwortete der Maestro mit Leichen­bittermiene:Furchtbarleidend, lieber Freund! ES geht mit mir zu Ende!" MoscheleS traute seinen Ohren nicht. Als M>y rbeer vorüber war, raunte Rossini MoscheleS zu: Ich wollte ihm ja nur eine kleine Freude machen."

znrückdenke, kann ich eS mir nur damit erklären und einigermaßen entschuldigen.

Doch ich will nicht vorgreifen. Da ich aber bereits verraten habe, daß auch ich zu den Millionen und Milliarden gehöre, die in die Hände gingen, welche zarte weib­liche Hände für sie ausgebreitet hatten, will ich auch weiter verraten, daß dieses Schick­sal mich im Bade ereilte. In Charlotten­brunn lernte ich Marie, meine jetzige Gattin, kennen. Sie war mit ihrer Mutter, der Kommerzienrätin Donat aus D . . ., da. Ihr nettes, munteres, einfach liebenswürdiges Wesen und ihr liebeS Gesicht mit den sanften, dunkelblauen Augen und dem nußbraunen Haar fesselten mich bald so, daß ich die blaue MaSke doch endlich vergaß; und als wir nach sechswöchentlichem täglichen Bei­sammensein von einander schieden, steckte ich Marie einen glatten Goldreif an die linke Hand und hoffte, sie noch vor Ende des Jahres als meine kleine süße Frau in mein Heim einzuführen.

Wir hatten am 27. Dezember Hochzeit und am sechsten Januar kehrten wir von unserer unerläßlichen Hochzeitsreise aus Wien zurück.

Während der ersten Wochen unserer jungen Ehe lebten wir still und zurückgezogen. Wir Zwei waren uns selbst genug; wir hatten einander so lieb und so glücklich, daß wir uns nach keiner Abwechslung sehnten. Doch seltsam, je näher der Tag rückte, an dem ich im Jahre zuvor die blaue Maske kennen lernte, um so öfter mußte ich an sie denken, um so lebhafter schwebte sie mir vor l

Jener Maskenball hatte eine so allgemeine Befrirdigung gefunden, daß dieHarmonie" beschlossen halte, die diesjährige Fastnacht in gleicher Weise zu feiern.

Auch in mir tauchte der Wunsch auf daS Maskenfest wieder zu besuchen, doch schon der bloße Gedanke daran, was mich, den glücklich verheirateten Mann, hinzog, machte mich erröten.

(Fortsetzung folgt.)

Aedakiton, Druck und Verlag von Beruh. Hosmann in Wildbad.