zwischen dem Zaun und der Hütte waren 5 Meter Zwischenraum und 2,50 Meter auf den Seilen. Eine zweite Einfriedigung hielt 40 Meter auf 16,30 Meter und diente dem Gefangenen zum Ergehen. Die Höhe dieses zweiten Bretterzauns verhinderte den Blick aufs Meer. Dabei gesteht der Gou­verneur, daß die Schwierigkeiten der An­näherung zur Insel jede Entweichung un. möglich machen.

Am 1. Juni 1897 wurde den Wächtern bedeutet, selbst durch die entschiedensten Mittel jede Entweichung zu verhindern und am 6. Juni schon war ein Schiff in Sicht, welches Dnysus hätte das Leben kosten können. Um halb 9 Uhr abends stieg eine Rakete auf der Insel auf. Sofort nahm der Gouverneur auf der TcufelSinsel seine Leute zusammen und telephonierte dem Ober­aufseher, auf das Schiff zu schießen. Nach den ersten Schüssen wandte das Schiff, ohne die Kugeln abzuwarten. Um 9 Uhr 20 Minuten war der Gouverneur schon mit 8 Bewaffneten auf der Teufelsinsel, wo alle (11) Wächter unter Waffen standen. Dr>y- fus war durch den Schuß aufgefahren, legte sich aber schnell wieder, der Wächter glaubte einen stechenden Blick wahrgenommen zu haben. Da das Schiff sich gewandt, wurden

Es waren zwei Königskinder.

Novelle von F. von Pückler.

(Nachdruck verboten.)

Im Salon konnte sie nicht zum Thee erscheinen, die Gräfin war soeben da ge­wesen um nach der Tochter zu sehen, aber diese lächelte ihr beruhigendzu:Es ist nur Migräne, Mama, Gewitterluft! Morgen bin ich wieder gesund!"

Eie wußte, daß dies nicht sein könne! Der Schmerz hier drin in der Brust hörte nicht auf und nie mehr konnte es werden wie bisher; das kühle, langweilige Dahin­gehen durchs Leben war vorbei, Schmerz und Leid, aber auch ein seltsames Empfinden von Glück bemächtigten sich dieser jungen Mädchenseele zu ihrem Verderben.

ES waren zwei Königskinder," murmelte Ada vor sich hin, jetzt wußte sie, daß die Beiden nimmer zu einander kommen konnten

das Wasser war viel zu tief.

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So flogen Tage, Wochen, Monate dahin und schon tanzten die ersten dürren Blätter im warmen Septemberwind durch die Luft: Adas Hochznt sollte Anfang Oktober statt- finden und außer der Braut selbst freute sich ein Jeder auf dies Fest.

Eine entfernte Cousine, Gräfin Lina Heldreich, war schon einige Wochen vorher angekommen, um noch etwas von Ada zu haben; doch d'r-n eigentümliche Teilnahm losigkeit verhinderte fast vollständig ein näheres Zusammenleben. Auf all den Spaziergängen, Ritten und Partien blieb Lina stets allein der lustig plaudernde Teil, wenn auch Ada mit säst krankhafter Heftigkeit überall die Begleitung der Cousine verlangte.

Seit jenem Gewitterabend hatte sie Dietrich nie mehr allein gesehen, auch sich stets bemüht, ihn mit kaltem Hochmut zu behandeln.

Von Prinz Egon liefen regelmäßig alle Wochen zwei parfümierte Billets auf elegan testen, Papier ein, worin er sich nach dem

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keine strengen Maßnahmen getroffen.Diese Probe war notwendig, damit wir wußten, auf wen wir im Ernstfall zählen konnten." Wenn Dreyfus eine verdächtige Bewegung bei dieser Aufschreckung gemacht hätte, hätte der Wächter ihn kurzweg erschossen I Damit wären ja freilich gewissen Leuten in Paris allerlei Besorgnisse erspart worden I

Am 26. Aug. 1897 wurde DreyfuS in die neue Hütte übergeführt, die durch ein starkes Eisengitter in zwei Hälften geteilt war. In der einen befand sich der Wächter welcher den Gefangenen fortwährend unter Augen halte; auch des Nachts, da während dieser, wie in der früher« Hütte, stets ein Licht brannte. Die Einfriedigung um die Hülle bestand aus 2,80 Meter hohen Brettern auf einer 22'/» Meter hohen Steinmauer. Aller Ausblick des Gefangenen auf das Meer war unmöglich. Als man ihm die Ueber- führung ankündigte, sagte DreyfuS:Ich ahnte etwas." Nachdem er die Hütte be­sichtigt, sagte er:Hier wird man mich ver­scharren." Dreyfus hat fortwährend seine Unschuld beteuert, beschworen und oft ge­weint. Er versicherte, du Paty habe ihm versprochen, weitere Nachforschungen anzu­stellen, damit der Irrtum gefunden werde, dessen Opfer er sei. Er schrieb über tausend

Ergehen seiner Verlobten erkundigte und ebenso regelmäßig antwortete diese durch eine Visitenkarte jede Woche einmal.

Auf derselben stand dann neben dem gedruckten Namen die lakonische Entgegnung: Meinen Dank für Ihre Briefe und die Versicherung, daß es mir gut geht." Eie waren ein musterhaftes, aristokratisches Brautpaar!

Und an einem wunderschönen September- tage entstand in Gräfin Linas unruhigem Köpfchen plötzlich der Plan, in die Gruben einzufahren, um das Leben und Treiben da unten mit anzusehen.

Zuerst fuhr allerdings Ada jäh auf bet dem Vorschlag und erklärte mit fliegender Röte auf den Wangen, sie käme sicher nicht mit, indeß bat und quälte das heitre Mädchen so lange, bis auch sie einwilligte.

Graf Hrldreich, welchen man gleichfalls um Erlaubnis anging, bestimmte den Steiger Voikect zum Führer der Mädchen, er selbst wagte sich nie hinab in die unheimliche Tiefe.

So erschienen denn die beiden Damen am Nachmittage im Fahrhause, gehüllt in Helle Burnusse, denn zu einem anderen Kostüm hatte sich keine von ihnen entschließen können.

Dietrich Volkert stand schon bei der Fördcrschale, ein kurzer Blick streifte Ada, welche todtenbleich aussah, dann verneigte er sich, reichte den Damen die Grubenlampen und half ihnen beim Einsteigen; nur sekunden­lang ruhte Adas kleine Hand in der seinen, aber sie bebte heftig bei dem leidenschaftlichen Drucke, den sie empfand. DaS Feuer loderte böher auf in diesen zwei Seelen und Adas pochendes Herz wußte jetzt nichts mehr von den müden Worten, die sie einst gesagt: Die Zeit geht so träge hm!"

Ach nein, sie floh unaufhaltsamund brachte sie dem furchtbaren Momente immer näher, der sie mit dem ungeliebten Bräutigam vereinigte!

Immer rascher arbeitete die Maschine,

Briefe an seine Familie, an den Präsidenten der Republik, den General Boisdeffre u.s.w., sprach auch davon, sich das Leben zu nehmen, um dem langsamen Absterben zu entgehen.

1897 und 1898 merkte er, daß die An­strengungen seiner Familie Erfolg hatten. Ich bin ein Opfer, wenn es Schuldige giebt, so sind sie im KriegSministcrium, das mich geopfert hat, um Schlimmes zu ver­bergen", sagte er. Dreyfus hatte schwere Anfälle von Melancholie, Herzbeschwerden, Blutandrang nach dem Kopf und anderes zu üderstehen. Der Gouverneur verbot den Aufsehern, seine Briefe und Papiere zu lesen, weil sie dadurch Mitleid hätten em­pfinden können. Als er einmal 45 rück­ständige Briefe erhalten, gestaltete der Gou­verneur ihm nicht, den Empfang seiner Frau zu melden. «Wenn ich keine Nachrichten mehr von den Mcinigen erhalte, ist es aus mit mir; ich fürchte den Tod nicht", klagte er einmal. Die Berichte bestätigen, daß die Gesundheit Dreyfus' sehr gelitten hat. Und nun stehen ihm in RenneS die Mercier, Boisdeffre, Gonse u. s. w. gegenüber, die ihn verurteilen ließen, ebenso der frühere Kolonialminister Lebon, der ihn in Eisen schließen und die strengen Maßnahmen gegen ihn treffen ließ.

immer tiefer versank die Fördcrschale und das Tageslicht schwand; endlich hielt man an und der Steiger bot nochmals den Gräfinnen die Hand zum Herauslreten. Dann winkte er einem nahe stehenden Berg­knappen, frug wo heute gearbeitet würde und hieß ihn mttgehen, während er sodann vor­aufschritt.

Gräfin Lina erfaßte mit Hellen Augen und reger Wißbegierde das ganze, neue Bild, während Adas Atem beklommen stockte und sie mehr als einmal die Hand aufs Herz drückte, um die körperliche Schwäche zurückzudrängen.

Nur dumpf klangen die Stimmen der Voranschreitenden an ihr Ohr, ab und zu tauchten blasse Grubenlichter von ferne auf, um wieder zu verschwinden, dröhnend ver­nahm man weitab Hammerschläge und end­lich fühlte sie, daß es vorbei sei mit ihrer Kraft.

Sie blieb stehen, griff nach der Hand deS Bergmannes an ihrer Seite und senkte, einer Ohnmacht nahe, daS Haupt; sogleich ließ dieser einen scharfen, kurzen Pfiff ertönen und Dietrich Volkert wandte sich zurück.

Was giebtS? Mein Himmel, die Gräfin!"

Er stand sofort an der Seite Adas und schlang seinen Arm um ihre Schultern, während Lina, halb unmutig halb teilnehmend näher trat.

Ob, Ada, Dir ist nicht wohl? So müssen wir zurück?"

Nein," flüsterte diese mühsam,geh' weiter, ich setze mich hier etwas nieder."

Ich werde die gnädige Gräfin zurück­führen, Lenz begleit» die Dame bis zu den Gcdinghäuern, dort ist der Herr Ober­steiger, der wird euch dann schon weiter helfen."

Bald waren dann auch die Lichter Linas und ihres Begleiters verschwunden und mühsam richtete sich Ada von der Schulter ihres Begleiters auf.

(Fortsetzung folgt.)

Stedaktion, Druck und Verlag von Beruh. Hofmann in Wildbad.