seinem Daler in Wortwechsel. Der Sohn ergriff eine Mistgabel und rannte dieselbe dem Vater in den Leib. Der betagte Mann stürzte sofort tot nieder. Der Vatermörder ist flüchtig.
— Unter sonderbaren Umständen fand in der Nacht vom SamStag auf Sonntag in England ein Nachtwandler Namens Thomas Bunling seinen Tod. Er hatte am Samstag einen Ausflug gemacht und benützte den in der Nacht nach Willenhall zu- rückkehrenden Vergnügungszug zur Heimfahrt. Gegen Mitternacht, kurz nachdem der Zug Liverpool verlassen hatte, fiel Bunting in einen tiefen Schlaf. Eine Stunde nachher sprang er plötzlich auf, fuchtelte mit den Armen um sich und ging zur Koupethür, die er öffnete. A!S man ihn zurückhalten wollte, war es schon zu spät — er war aus dem Wagen gestürzt. Man fand ihn später mit zerschmettertem Schädel auf den Schienen. Es wurde festgestcllt, daß der Verunglückte ein notorischer Nachtwandler war und oft mitten in der Nacht fein Haus verließ, um längere Spaziergänge zu machen, an die er sich am Morgen absolut nicht zu erinnern wußte.
Osnabrück, 24. Juli. Der westliche Teil der Provinz Hannover wurde gestern durch ein verheerendes Unwetter, wie eS in solcher Stärke seit Jahren nicht vorgekommen, heimgesucht. Es giengcn heftige Gewitter nieder; an vielen Stellen hat der Blitz gezündet.
Paris, 2b. Zuli. Die Blätter melden, der 1. Präsident deS Kassationshofs Mazeau habe in einer kürzlich mit Präsident Loubet gehabten Unterredung auf dessen Befragen nach der Schuld oder Unschuld DreyfuS erklärt : Ich muß Ihnen antworten, ich habe Alles gesehen und geprüft, aber nichts gefunden, was für die Schuld des DreyfuS spräche. Im Gegenteil, die Vermutung liegt nahe, daß er unschuldig ist.
— Ein professioneller Mauuseriptendieb. Man berichtet aus Bukarest : Die Untersuchung gegen den russischen Philologen Alexander Jazomirsky, welcher in der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften beim Diebstahl wertvoller altslavischer Manuskripte ertappt wurde, hat die überraschende Thatsache ergeben, daß der genannte russische Gelehrte den Manuscriptendicbstahl seit Jahren in den verschiedenen Bibliotheken Europas proses->
fionell betrieb und dafür von einigen Moskauer Antiquaren ein fixes Monatsgehalt von 400 Rubel bezog. Der Manuscripten- dieb, der ein Mann von tiefem Wissen ist uud ein elegantes Auftreten hat, wurde in Haft genommen und nach Rakarescht in das Gefängnis übergeführt.
— Das Ende des CirkuS Renz. Der Cirkus Renz ist nun endgiltig vom Schauplatz verschwunden. Am Dienstag fand In Brüssel die öffentliche Versteigerung des gesamten lebenden Inventars und der Regui- fiten statt. Hunderte in der hohen Schule und in Freiheit dressierte, zumeist edle und wertvolle Pferde, reiche Kostüme und Livreen aller Art, sowie ganze Berge von Material zu den großen Ausstattungsstücken, die man bei Renz in den letzten Jahren zu sehen bekommen hat, befanden sich darunter. DaS luxuriöse Material wurde zu niedrigen Prosen angekauft. Der letzte Direktor, Ernst Renz, ein Enkel des „Altmeisters", war daS Opfer von Geldgebern geworden, die ihn systematisch auSzubeuten Verstanden. Er verliert sein Erbteil von 1'/, Millionen Mail und ist außerdem unter Kuratel gestellt wor- > den.
Wilde Wose.
Novelle von Jenny Piorkowska.
(Nachdruck verboten.)
13.
„O, Baron Nölten, find Sie eSl" rief sie, erleichtert aufatmend; als sie aber den lief unglücklichen Ausdruck auf seinem Gesichte sab, luhr sie hastig fort: „WaS — was ist Ihnen?"
„Ich bin von Sinnen, bin namenlos unglücklich!" rief er. ,O, Erna, — beklagen Sie mich!"
„So sagen Sie doch, was Ihnen ist? Haben Sie sich mit Melanie gezankt?" fragte diese in mitleidigem Tone.
„Mit Melanie gezankt?" wiederholte er heftig. „Nein, o, neinl Sie weiß nicht, wie unrecht ich ihr gethan habe. Erna hören Sie mich an. Ich habe eine andere weit, weit lieber als sie. Erst seitdem ich diese andere sah, weiß ich, was Liede heißt. Melanie ehre und achte ich, aber lieben kann ich sie nicht!"
,O, wie schrecklich!" rief Erna voller Bestürzung. „Meine arme, arme Melanie I"
„Sogen Eie, Erna," fuhr jener fort, „darf ich Melanie zu der Meintgrn machen, während mein ganzes Herz für eine andere schlägt?»
„Nein, nein, daS dürfen Sie nicht;" gab sie heftig zur Anwort. „Was aber hat Ihren Sinn so geändert?
Wie konnten Sie um Melanies Liebe werden, bevor Sie Ihrer eigenen Gefühle ganz sicher waren?"
„Weil ich ein Thor, — «in Wahnsinniger war!» entgegnete er. „Aer noch ist es nicht zu spät. Erna," fuhr er in höchster Erregung fort, indem er leidenschaftlich ihre Hand ergriff, „Sie sind es, Erna Sie sind cS, die ich liebe, die ich anbete, — die mein Herz von Melanie lockte! Um Ihretwillen Will ich, wenn Sie mich wieder lieben, selbst meine Ehre opfern I O, reden Sie, Erna, reeen Sie, meine eiuzig Heißgeliebte!"
Das junge Mädchen konnte nur einen leisen Schreckensruf ausstoßen, wobei sie ver
suchte sich von ihm loszumachen, denn für den Augenblick glaubte sie in der Thal nicht anders, als daß er von Sinnen fei.
„Nein, nein, Sie sollen nicht von mir gehen!" rief er, seinen Arm um ihre Taille schlingend. „Sie müssen mich anhöreu! Erna, von der Stunde an, in welcher Ihre Erscheinung mein trübes Leben wie ein Sonnenstrahl erhellte, von der Stunde an, in welcher Sie in meinem HauS, an meinem Tisch saßen, fühle ich, daß Eie und Sie allein die Herrin meines Herzens und meines Hauses sein dürften. Zu spät erst lernte ich Sie kennen, aber Erna, wenn Sie mich lieben können — wie ich bisweilen zu hoffen wagte, — dann will ich Melanie offen alles sagen. Melanie ist gut, ist großherzig; sie wird sich mit uns unseres Glückes freuen. Erna — Geliebte, — o, reden Sie I Wollen Sie — wollen Sie die Meine, meine Gattin werden?"
DaS Entsetzen hatte das junge Mädchen gelähmt; jetzt wich es, gewaltsam riß sie sich von ihm los, und ihn mit flammenden Augen anschauend, brach es sich voller Entrüstung über ihre Lippen:
„Verräter I So — so wagen Sie zu Melanies Freundin zu reden? Sie wagen eS, ein ehrliches Mädchen mit falschen Liebes- beieuerungen zu beleidigen? Gehen Sie! Nie wieder werde ich zu Ihnen reden, noch Sie überhaupt sehen."
Hastig wandte sie sich zum Gehen, und als Nölten sich ihr nachstürzte, um sie zurückzuhalten, floh sie eilends auf dem nächsten schmalen Seitenpfad davon; er aber, halb von Sinnen, verfolgte sie. Mit jeder Sekunde kam er ihr näher; schon konnte er ihre schnellen Atemzüge hören, als ein mächtiger Baumstumpf am Wege daran erinnerte, daß weinige Schritte vor Erna, durch dichtes Gebüsch verdeckt, der große Teich lag, in dem er als Knabe so oft gefischt hatte, und mit lauter Stimme rief er ihr zu:
„Halt, halt Erna l Dicht vor ihnen ist ein Teich I"
Sie aber achtele in ihrer Angst seines Zufrufes nicht; weiter rennend, stolperte sie
über ein paar Baumwurzeln, und — ein schriller Schrei, ein Aufplätschern im Teiche und die Wasser schlossen sich über der armen, wilden Rose.
Nölten blieb wie angewurzelt stehen, als der furchtbare Ton an sein Ohr schlug. Der Schreck hatte ihn förmlich betäubt. Der Teich war sehr tief; schwimmen konnte er nicht; bevor er Hilfe herbeigeholt hatte, war sie verloren, tot! Ein kalter Schauder durchlief bei diesem Gedanken seine Glieder.
Mit einem Gefühl seltsamen Widerstrebcns wagte er selbst nicht, sich dem Rande deS Teiches zu nähern. Er fürchtete, das liebliche Gesicht könnte wieder austauchen und ihn mit gebrochenem Blick anschauen, —ihn, der sie getötet hatte. Doch nein. Er liebte sie ja leidenschaftlich; er hatte sie nicht getötet, nur «in Zufall hatte das Unglück herbeigeführt.
Ein Zufall I
Wie eine böse Versuchung fuhr diesem Mann, der vollständig ein Sklave seiner Leidenschaften war, ein Gedanke durch den Kopf, und fast gleichzeitig stürzte er auch schon auf dem gekommenen Weg zurück, — ein Kain, den seine Schuld in die Flucht treibt.
In sein Schloß zurückgekehrt, begab er sich sogleich in sein Zimmer, von einer Angst und Qual getrieben, welche Worte nicht beschreiben. Unablässig schwebte ihm daS bleiche, schöne Antlitz vor, das er so sehr geliebt hatte, schwebte es im vor, wie dasselbe ihn mit vorwurfsvollem Blick aus den dunklen Wassern anblickte.
Stunden vergingen ; endlich war sein Entschluß gefaßt.
(Fortsetzung folgt.)
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