Rundschau.

Stuttgart, 8 Juli. Mit großer Mehr­heit ist beute die Kammer der Abgeordneten im Einverständnis mit d>m anderen Hause bei A:t. 3 des Ausführungs-Gesetzes zum Bürgerlichen G>i tzbuch zu dem Regier iings- entwurf zurückgek-hrt, wonach der Bezirks­notar als Grundbuchbeamler zu fungieren hat. Damit ist der Antrag Schmidt-Rem- bold bctr. die Wählbarkeit brr Grundbvch- beamten durch die Gemeinden, endgiltig be­seitigt.

Stuttgart, 7. Juli. Die Kammer der Abgeordnete» hat heute das Auöjührungsge- setz zum bürgerlichen Gesetzbuch einstimmig angenommen.

(Vorausbezahlung der Bestellgebühr für Expreßgüter) Vom 15 . Juli ds. Js. an wird im inneren würit. StaatSbahnVer- kehr die Vorausbezahlung der Bestellgebühr für Expreßgüter durch den Versender zuge- lassen, insoweit Expreßgüter überhaupt bahn- seitig bestellt werden. Bei Expreßgütern, für weiche hienach die Bestellgebühr vorausbezahli werden will und kann, hat der Aufgeber dem AbfertigungSbeamten bet der Aufgabe eine bezügliche Erklärung abzugeben. Der zu erhebende Betrag der Bestellgebühr wird sodann vom Beamten in den Empfangsschein eingetragen, welch letzterer solchenfalls zu­gleich als Beweis für die erfolgte Vorausbe­zahlung der Bestellgebühr dient. Derartige Erpreßgüter werden alsdann dem Adressaten frei zngestellt. An Bestellgebühr werden im Falle der Vorausbezahlung vom Aufgeber er­hoben : bei Sendungen bis zu 5 Kilogramm 10 bei schweren Sendungen für jede auch nur angefangene 50 Kilogramm 15 min­destens aber 20 für die Sendung.

Calmbach, 8. Juli. Der 35 Jahre alte Tagtöhner Christof Fricdr. Locher von hier kam gestern nachmittag durch einen gräß­lichen Unglücksfall auf bedauerliche Weise umS Leben. Derselbe war auf der Station Höfen mit Langholzabladcn beschäftigt und wurde von einem herabrollenden Summ der­art getroffen, daß er sofort das Bewußtsein verlor, und an Kopf und Brust töttich ver­letzt, wurde er seiner Familie nach Hause ge­bracht, wo er wenige Stunden darauf seinen schweren äußeren und inneren Verletzungen erlegen ist. Um den Verunglückten trauert eine Witwe mit 7 unversorgten Kinder, die die ihren einzigen Ernährer v rloren haben. Mögen sich hilfsbereite Freunde finden, die der harlbetroffenen W>lwe in ihrer bedräng­ten Notlage mit Rat und That beistehen!

Nagold. Der nördl. Schwarzwaldgau der württ. Gewerbevereine umfaßt die Ober­ämter Calw, Freudenstadt, Herrenberg, Na­gold, Neuenbürg und die in denselben be­stehenden Gewerbevereine Altensteig, Calmbach, Calw, Freudenstadt, Hailerbach, Herrenberg, Nigolv, Neuenbürg und Wildbad, sowie d,e in diesen Oberämttrn künftig sich bildenden neuen Vereine und gehör! zum Handwerker- kammerbezirk Reutlingen. Der Sitz der Ge- schäftsleitung ist im Vorort, als welcher für die nächsten 2 Jahre Nagold gewählt ist. Das geschäftsführende Organ ist der Gau- auSschuß, bestehend aus dem Vorsitzenden, dem Schriftführer, dem Kassier und je einem Delegierten der Vereine. Gauvo,stand ist Gkwerdevereinsvorstand Amtm. Schöller in Ragold, die Gautagsdclegierlen sind Rotger­bermeister Kempf in Allensteig, Kaufmann Lutz in Calmbach, Seifensieder Schlattcrer

in Calw, Tuchfabrikant Nestle in Freuden­stadt, Schreinermeister Knorr in Haiterbach, Rotgerbermeister Bausch In Herrenberg, Schreinermeister Lutz in Nagold, Buchoruckeret- besitzer Meeh in Neuenbürg, Flaschn-rmeister Güthler in Wildbad. Nach Mit­teilung des Gauvorstands dürfte der Gau- auSschuß noch im Monat Juli zur ersten Beratung nach Nagold einberufen werden.

Besigheim, 7. Juli. Heute früh 7 Uhr sprangen zwei 17jährige Mädchen aus dem benachbarlen Wahlheim, Arbeiterinnen in der hiesigen Trikotwarenfabrik, bei der Eisin- bahnbrücke in die Enz und fanden den ge­suchten Tod im Wasser. Leute, die in den gegenüberliegenden Weinbergen arbeiteten, sahen die beiden Mädchen an dem Ufer stehen und dann verschwinden, aber dis sie herüder- kamen, waren die Unglücklichen versunken und konnten an dieser sehr liefen Stelle deö Flusses nicht mehr gerettet werden.

Ulm. 8. Juli. Die Entfestigm gsfrage ist gelöst. Einer Mitteilung zufolge lritt das Reich an die Stadt Ulm 692,599 Qua­dratmeter um die Summe von 3,882,980 Mark ab. Die Kaufsnmme ist in 20 un­verzinslichen Jahreszielcrn abzutragen. Die bürgerlichen Colleglen haben in Anerkennung der gießen Verdienste, welche sich der bis­herige Gonverneur v. Zingler in der Sache erworben hat, demselben das Ehrenbürger- recht der Stadt Ulm v rliehcn.

Bergfeldeu, 6 Juli. Eine seltene Be­gebenheit hat sich in letzter Zeit im benachbarlen Mühlheim a. B. zugelragen. Die Frau eines dortigen Bürgers, der mit dem Gemeinde- Pfleger in einem Hause wohnt, fand tm Hausflur einen Hundertmarkschein. Die Ver­mutung, daß derselbe der Gemeindepflege ge- töre, erwies sich bei einer Prüfung tes Kassen- bestandes als irrig. Der Schein wurde schließlich den Behörden übergeben und der Eigentümmec öffentlich aufgefordert, sich zu melden. Nachdem nunmehr die gesetzliche Feist zur Meldung Verstrichen ist und sich kein Eigentümer für den Hundertmarkschein gefunden hat, ist der letztere wieder in die Hände der Finderin zurückgegeben worden.

Auch ein Frauenberuf. Wir l-sen in Berliner Blättern: Weibliche Bierreisende besuchen neuerdings vielfach die Wirtschaften und Bicrhanblungen. Eine Brauerei machte den Anfang mit weiblichen Bicragenten, als ihr ein Reisender krank wurde und dessen Frau sich zur Vertretung erbot. Der Er­folg übcrtraf alle Erwartungen und reizte ta die Sache nicht lange verborgen bleiben konnte, zur Nachahmung. Die Damen, welche den absonderlichen Beruf wählte», halten ts natürlich nicht leicht; besonders werden an ihre Tnuksestigkeit erhebliche An­sprüche gestellt.

Friedrichsruh, 3. Juli. Der Salon­wagen des Fürsten BiSmarck, den der Ver­ein deutscher Eisenbahnverwaltungen im Jahre 1873 dem verstorbenen Altreichskanzler zur freien Benutzung für sich und seine Beglei­tung zur Verfügung gestellt halte, wird dem Nationalmuseum zu Nürnberg einverleidt werden. Der seiner veralteten Konstruktion wegen in den heutigen Schnellzügen nicht mehr verwendbare Wagen steht schon seit längerer Zeit unbenutzt im Bahnhofe zu Friedrichsruh.

In Leugerich bei Osnabrück wurden dem Droguisten Achenbach, der Feuerwerk anfcrtigte, infolge einer furchtbaren Explosion

beide Beine und ein Arm abgerissen. Er starb bald darauf. Das Haus ist zertrüm­mert.

Einen guten Witz leistete sich dieser Tage ein Chargternr einer im Ostragehege bei Dresden übenden Ponierkompagnie. Die­ser war befehlig!, die Mannschaft vom Ueb- ungsplatzePieschener Winkel" nach der Kaserne zu führen. Der humoristisch ange­legte Herr befahl vor dem Abmarsch, daß alle Radfahrer vor die Front treten sollten. Dies geschah und nicht weniger als 58 Mann meldeten sich als perfekte Fahrer.Na", m inie der Feldwebel,ich brauche nur 8 Mann, mögen mal die besten vortreten." Wieder traten alle 58 Mann einen Schritt vor, da alle selbstverständlich die besten zu sein vermeinten.So wird,nichts," meinte der Feldwebel,mag das Los entscheiden!" Richtig, es ward gelost und die glücklichen Gewinner glaubten nun, stolz auf dem Stahl­roß in die Kaserne cinzichen zu können. Doch eS kam anders. Mit der Mahnung ja nicht der Kompanie davonfahren, führle der Feldwebel die acht Radfahrer hinter die Front und zeigte ihnen acht Schubkarren, welche die besten Fahrer der Kompagnie hinter derselben nach Hause zur Reparatur fahren mußten. Natürlich machten witzelnde Bemerkungen der Kameraden, z B.welches System die Fahrräder hätten" und andere, den geprelltenEinradfahrern" das Leben sehr sauer.

«Die Jagd nach dem Mann". Die Stadl Neu-Braunschweig, Neu-Jcrsey, war am 1. d. M. der Schauplatz eines abson­derlichen Radsohrer-RennenS. Teilnehmer waren zwei Fabrikmädchen, und sie suhlen um nichts weniger als einen Liebhaber, idem sie beide ihre Gunst zugewendet hatten; der Preis war eben dieser junge Manu selbst. Das Rennen ging über 2 Meilen, und beide Nebenbuhlerinnen lhaten ihr Aeußer- stes, um zu gewinnen. Publikum war zahl­reich vertreten und verfolgte zum Teil das Rennen aus Ein- und Zweisitzern. Nellie Dounely nenn' sich die glückliche Gtwinnerin, die in 4'/s Mmuieii die Strecke zurücklegte. Der Preis des R-nnenS erwartete den Aus­gang am Ente tec Strecke und zog sofort mit der Siegerin durch die Menge zu einem Geistlichen, der vorher bestellt war und i» Anwesenheit einer vierhundertköpfigen Menge den Ehebund schloß. Echt amerikanisch l Am Tage nach der Hochzeit ist mit cer Schwester seiner ihm soeben angelrauien Frau ein Klavierlehrer in Berlin durchge- gange». Kurze Zeit vor der Zivtlirauung lernte er seine noch unverheiratete Schwägerin kennen und sofort hatten es beide einander angethan. Zwar ging t»r Heiratskaudidot die Ehe mit seiner ihm seit einem Jahre bekannten Braul ein, allein sein fürsorg­liches Benehmen gegen seine Schwägerin so­wie andrerseits seine vollständige Gleich, güiligkeit gegen seine junge Frau waren schon am Hochzeitstage so in die Augen springend, daß die wenigen Hochzeilsgäste verwundert den Kopf schüttelnden und die arglose Frau auf die Vorgänge aufmerksam machten. Schon auf dem sich unmitteibac an die kirch­liche Trauung anschließenden Ausflug nach Trrplow und Wilheiminenhof kam eS zu unliebsamen Auftritten zwischen den beteilig­ten Personen, und in später Nachtstunde er­folgte in der Wohnung eine nichts weniger als zärtliche Auseinandersetzung, als HH