Im Banne des Wahns.
Novelle von H. von Limburg.
(Nachdruck verboten.)
18.
Durch die Kunden Fenster fielen schräge Sonnenstrahlen in den engen Raum, der Geist des Loden schien über dem Ganzen zu schweben und dem Augenblick eine feierliche Weihe zu verleihen.
Endlich erhoben sie sich tiefbewegt. Hertha, Du meine innig Geliebte, von nun an sind wir verbunden für alle Zeiten im Herzen und keine Jntrigue, keine Menschenmacht soll uns von einander reißen. Gott helfe mir, mein Liebling, daß ich Dich so glücklich mache, wie Du es verdienst."
„Und Lein Glück, mein Albrecht, soll meines Lebens ganzer Inhalt sein," hauchte Hertha erglühend.
„Aber noch wollen wir all dies in uns Verschließen, mein Liebling," lachte der Freiherr, „laß die Jntrigue so sich weiter entwickeln, wie sie von — einem klugen Geiste eingefädelt ist, daß der Schluß anders kommt, dafür will ich sorgen."
„So soll ich bis zum Sonnabend noch Dein Mündel sein, „Onkel" Albrecht ?" frug das schöne Mädchen neckisch, eine besondere Betonung auf den Titel legend.
«Jawohl, Geliebte, ich werde erst dann s.ierlich vor den Augen der Welt drese Würde niederlegen; nimm Dick in Acht, daß ich sie bis dahin nicht noch sehr energisch wahr- nehme."
Sie lachte silberhell auf, dann aber horchte sie angestrengt und zog hastig ihren Arm aus dem Schönerbecks.
„Es kommt Jemand," flüsterte sie ihm erglühend zu, und in der That vernahm man sich nähernde Schritte.
Gleich darauf stand Frau Bertha vor den Beiden und schaute prüfend von Einem zum Andern.
„Wo warst Du denn, 'Hertha?" frug sie scharf, ich suche Dich schon eine ganze Weile.«
„Ich war in der Kapelle, Mama," eine jähe Blutwelle stieg aber in des Mädchens Antlitz, sie war in der Kunst der Verstellung doch noch ungeübt, „wünschest Du etwas von mir?"
„Graf Fuentos wollte auöreiten und da wollen wir Beide ihn begleiten."
„So?« meinte Hertha gedehnt, „aber ich habe heute starkes Kopfweh —"
„Du stehst in der That angerissen aus," meinte die Mutter, jedenfalls ist es denn bester, daß Du aus Dein Znnmer gehst und Dich hinlegst. Ich werde heute noch Nachsehen, wie es Dir geht."
„Und ich werde mitreiten, wenn eS Ihnen recht ist liebe Tante,« lächelte Albrecht in einem so überaus verbindlichen Tone und zum ersten Male die Dame mit der verwandtschaftlichen Bezeichnung anredend, daß sie ganz erstaund zu ihm aufsah.
„O, das ist ja reizend, lieber Albrecht," rief sie entzückt, „ich danke Ihnen aufrichtig dafür und will mich sogleich umkleiden. Also aus Wiedersehen, bitte, bestellen Sie die Pferdes"
Sie eilte, ohne nur einen Blick nach Hertha zu tbun, hinweg, und als sie aus dem Gesichtskreis der Beiden verschwunden,
da legte Albrecht nochmals zärtlich den Arm um die erbebende Gestalt seiner Braut.
„Adieu, mein teurer Liebling, geh zu zu Bett, wie Deine Mutter Dir anrät. Wir wollen uns nicht vor der Zeit verraten, damit die Ueberraschung dann eine um so größere ist."
„Auf Wiedersehen, lieber, lieber theurer Mann! Ich kann's ja kaum glauben, daß ich Dein sein soll für immer und alle Zeiten I Aber nicht wahr, Du wirst mich immer lieb behalten?"
„Immer," klang es tiefbewegt wie aus tiefster Brust, er küßte wieder und immer wieder von neuem ihre vollen roten Lippen, dann zog er einen schmalen goldenen Reif mit einem kostbaren Rubin vom Finger und streifte ihn an ihre Hand.
„Sieh, mein Liebling, dieser Ring gehörte einst meiner Mutter und Du sollst ihn tragen bis wir unsere Verlobungsringe austauschen. So tief und feurig wie die Farbe des Rubins und so echt und goldtreu wie der Ring ist meine Liebe zu Dir l Gott gebe seinen reichsten Segen zu unserem Bunde I"
„Der treu und wahr geschlossen wurde," murmelte Hertha und eine Thräne der Seligkeit tropfte auf den Ring, den sie in der Hand hielt, „ich will ihn auf dem Herze» tragen, damit ihn niemand sieht — und meine Augen will ich ebenfalls hüten, sonst könnten sie ausplaudern, was ich hier im Herzen bewahre." — —
Die Tage bis zu dem geplanten Feste vergingen rasch, fast alle Geladenen Hallen die Einladung angenommen, auch das Wetter schien günstig bleiben zu wollen, so daß der Abend sehr angenehm zu werden versprach.
Frau Bertha halte natürlich eine reiche Toilette gewählt, in ihrem Ankleidezimmer hing in feenhaftem Dufte ein Etwas von pfirsichfarbener Seide und reichem Spitzcn- geriesel, welches die Jungfer der Dame in Entzücken versetzt Halle. Für Haar- und Brustschmuck sorgte jener Carion, welcher feine Touffs und Ranken von Vergißmeinnicht enthielt, eine Blütenart, die wohl eher für ein junges Mädchen als für eine, wenn auch noch so schöne Wittwe, Mutter einer erwachsenen Tochter gepaßt hätte. —
„Ich werde ihn heute erobern,« flüsterte Frau Bertha triumphireud, „er ist seit einigen Tagen ganz verändert, viel liebenswürdiger und heiterer; ich habe das Empfinden, als liege etwas in der Luft, ein ganz besonderes Ereignis — eine Verlobung!"
Auch Hertha hatte dasselbe Gefühl, freilich mit mehr Berechtigung. Voll bräutlichem Entzücken versenkte sie ihr erglühendes Ge- stcktchen in das köstliche Bouquetl, welches sie in ihrem Zimmer vorgefunden, dann holte sie den Ring hervor, welcher auf ihrer Brust ruhte und küß'e ihn wiederholt voll jubelnder Zärtlichkeit.
„O Ring an meinem Finger,
Du goldenes Ringeln«."
In dem Hellen freundlichen Gemach hing auch Heriha's Gesellschaftskleid; duftiger, wenn schon anspruchsloser weißer Batist, ein rosa Gürtel und eine Rose fürs Haar und die Brust.
Bisher war's ihr so gleichgültig gewesen, waS sie trug, nun aber wollte sie schön sein für ihn, den geliebten Mann!
ES pocht« an ter Thür, der Diener deS Frriherrn stand draußen und gab ein Packet ab „für das gnädige Fräulein." Sie nahm es errötend und löste mit zitternden Fingern die umhüllenden Schnüre; ein Lederetui kam zum Vorschein und als sic eS öffnete, lag auf hellblauem Sammtgrunde ein breiter, mattgoldencr Armee f, um den sich in graziösen Windungen drei Lilie» wanden.
„Unser Wappen," murmelte Hertha und eine Thräne des Glücks und der Dankbarkeit trat in ihr Auge, „nun gehöre ich doppelt zu den Schönerdeckö und in den Bannkreis der Lilie."
Der Abend kam, in dem Salon brannten Lampen, Arm- und Wandleuchter, der Speisesaal war noch geschlossen, man sollte zuerst draußen im Park und auf der Teraste promenieren. Und dann fuhr Wagen auf Wagen vor, eine stattliche Anzahl, und lachende, plaudernde Menschen fanden fick zusammen, aufs Lebhafteste begrüßt von Frau Bertha, etwas gemessener, doch ebenfalls sehr herzlich vom Freiherrn und Hertha.
Graf Fuentos, die Hauptperson, wie er sich in angeborener Bescheidenheit selbst nannte, stand ziemlich unbeachtet im Hintergründe.
Man lauschte allerlei Fragen und Be. merkungen, man naschte Eis und Fruchl- kuchen und nippte Sect und Sorbet, man fand alles „entzückend" und „reizend" und machte dabei allerlei kleine heimliche Beobachtungen.
„Ach, liebste Hertha, ich habe sie schon seit Jahren nicht gesehen," rief ein junges, heileres, wenn auch gar nicht hübsches Mädchen und legte ihren Arm ungezwungen in den der Angeredcten, „Sie müssen mir viel von sich erzählen, denn ich habe gehört, nein, nein, sie dürfen nicht leugnen, daß Sie uns für heute eine große Ueberaschung zugedacht haben?"
Hertha lachte und war sehr rot dabei.
„Vielleicht, lieb: Alice, und zwar noch eine größere, als Sie es erwarten?'
„Hm, ich bin ziemlich eingeweiht, aber das schadet nicht. Welch' ein wundervolles Armband tragen Sie da übrigens, Kleine. § Lassen Sie sehen, Lilien. Ah so, also ein Erbstück ihrer Familie. Ich glaubte schon, es sei eine zarte Aufmerksamkeit. Nein, nein Hertha, ich bin discrct, ich sage nichts, ich freue mich nur jür Sie, wenn doch unser» auch solches Glück hätte?' —
(Schluß folgt.)
Verschiedenes.
— Eine interessante Wette ist in letzter Zeit in Slraßburg l. E. zum Austrag ge. bracht worden. Der Sporlsmann Charles Hahn hatte sich verpflichtet, in 20 Minuten aus fünf verschiedene Arten deS Sports 2 km zurückzulegen. Genannter gewann die Wette in 15 Minuten 3 Sekunden. Zu Schiff legte er 400 Meter in l Minute 53 Sekunden zurück, schwamm dann 400 Meter in 8 Minuten 53 Sekunden, fuhr 400 Meter Rad in 1 Minute 10 Sekunden, lief 400 Meter zu Fuß in 2 Minuten 20 Sekunden und zuletzt benutzte er ein Rennpferd und legte die letzten 400 Meter in einer Minute 15 Sekunden zurück Charles Hahn gewann daher noch 4 Minuten 57 Sekunden auf die gewettete Zeit und stellte auch einen vollständig neuen Rekord aus.
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hofmann in Wildbad.