Seelsorger zu besitzen, der das Hauen und Mißhandeln der Schulkinder noch besser versteht, wie die bekannte Schwester Carola. Der Pfarrer Joseph Gonst richtete in der Rcligionsstunde den 10 Jahre alten Joseph Bariset mit einem Lattenstück derart zu, daß die Mißhandlungen den Tod zur Folge hatten. Der Knabe verschied am Freitag vor Pfingsten, nachdem er zwei Tage vor seinem Tode noch die Sehkraft verloren hatte. Nachdem man es versucht hatte, den Skandal zu vertuschen, schritt das Gericht ein, daS von der Sache Wind bekommen hatte und ordnete die Untersuchung an. Auch hatten die Eltern des unglücklichen Knaben sich standhaft geweigert, ihn zu begraben, bevor die Leiche nicht gerichtlich untersucht war. So kam es denn, daß sie erst am 5. Tage beerdigt werden konnte. Nachdem nun dieser Skandal in die Oeffentlichkeit gedrungen ist, wird hoffentlich dafür gesorgt werden, daß unsere Gemeinde „von diesem Geistlichen* erlöst wird.*
— Das Circuskind. Aus Mödling berichtet eine Wiener Lokalkorrespondenz: Die hiesige Polizei wurde verständigt, daß sich bei der Circustruppe Albin Rauscher, die hier
in der Schöffel-Vorstadt allabendlich Vorstellungen gibt, ein NjährigeS Mädchen, die Circuselevin Anna Oberlaber, befindet, welches von dem Luftgymnastiker Franz Wün- fchüttel bei den „Schulübungen* geschlagen und mißhandelt werde. Die ärztliche Untersuchung des Kindes ergab, daß dessen Körper mit Beulen und Striemen förmlich übersäet war. Anna Oberlader gab an, daß sie von ihrem Lehrre mit dem Stiel der Reitpeitsche geschlagen wurde, wenn sie eine Uebung nicht nach Wunsch vollbrachte. Wenn Wünschüttel ermattete, mußte ein bei der Truppe bedienste- ter Reitknecht die Mißhandlungen forlsetzen. Der Luftgymnastiker wurde verhaftet und dem Bezirksgerichte eingeliefert, die Circuselevin ist in das Mödlinger Krankenhaus gebracht worden. Sie ist die Tochter einer armen Witwe aus Leoben in Steiermark, welche ihr Kind dem Wünschüttel zur Ausbildung anvertraut hat.
Newyvrk, 9. Juni. Durch einen heftigen Wolkenbruch, der gestern in Austin in Texas niederging, sind viele Menschen ums Leben gekommen. Die bisherigen Berichte geben 25 Tote an. Das Unwetter veran- laßte in den nordwestlich von Austin gelege
nen Distrikten von San Saba und Menard- ville starke Ueberschwemmungen. In der Stadt San Saba sind acht Personen ertrunken. Da die Weizenfelder unter Wasser stehen, ist die ganze Ernte verloren. In Menardville sind nach den bisherigen Meldungen 17 Personen umgekommen-
— Wie billig das Fleisch in Australien ist, kann man daraus ersehen, daß dort ein ausgewachsenes lebendes Rind nicht mehr als 35 — 40 -/A, ein Hammel 2—3 ^ kostet. Nun sucht man durch Ausfuhr des Fleisches in gefrorenem Zustande die Viehzucht lohnender zu gestalten.
Wer nach Pforzheim kommt, sollte nicht versäumen das Schuhfabriklager von Leo Mändle, am Marktplatz Ecke Deimlingstraße zu besuchen. Alles Schuhwerk wird dort garantirt und ist noch selten ein Geschäft für gute Ware und billige Preise so schnell bekannt geworden.
Der Gcsammtaustage dieser Nummer liegt ein Prospekt der Patent Kochherdfabrik I. Glenk, Nürnberg Ostbahnhof, bei. Di- vielen mit Namen darin aufgesührten Referenzen lassen die große Beliebtheit nnd weiteste Verbreitung dieser Herde ersehen.*
Im Banne des Wahns.
Novelle von H. von Limpurg.
(Nachdruck verboten.)
13.
DaS alte Lilienschloß der Schönerbeck's hatte ein Festgewand angelegt, sich mit den grünen Laubgewindeu und bunden Wimpeln geschmückt und hoch auf der Zinne des Thurmes flatterte die Fahne mit dem Wappen der Schloßherren: drei weiße Lilien im blauen Felde; heule sollten Frau von Schönerbeck und Hertha zu längerem Besuche eintreffen.
Der Freiherr war ihnen zur Bahn entgegen gefahren, eine eigenthümliche glückliche Unruhe hatte sich seiner bemächtigt, er wußte selbst nicht, was das bedeuten sollte.
Das Zimmer des jungen Mädchens war mit Rosen geschmückt, wie es für die Jugend paßte, das der Frau von Schönerbeck zeigte nur luxuriöse Eleganz, aber keinen einzigen Schmuck, für den es eine wärmere Auslegung hätte geben können.
Albrecht war fest entschlossen sich sofern und förmlich wie möglich der gefährlichen schönen Frau gegenüber zu halten, denn er fühlte, wie verzweifelte Anstrengungen sie machte, ihn doch bald zu erobern.
Bet weit geöffneten Flügelthüren saßen die drei Personen abends beisammen zum Thee, und es herrschte herzliche Freude über das Wiedersehen, besonders bei Albrecht und Hertha vor.
Als das junge Mädchen aus dem Bahnwagen gehüpft war, da hatte in überströmender Empfindung der stattliche Oheim sie in die Arme geschlossen und die frischen roten Lippen geküßt, doch mit einem Male war sie erblaßt und zurückgesahren, als habe sich eine eisige Hand auf ihr laut pochendes Herz gelegt. Frau Bertha'S spöttischer Blick brachte diese Wirkung hervor, und als Mutier und Tochter später sich einen Augenblick allein befanden, bemerkte elfterer spottend:
„Nun, liebes Kind, die Begrüßung vorhin war ja sehr zärtlich, man hätte auf ein ganz anderes Verhältnis als das von Onkel und Nichte schließen können.* — —
»Ich habe mir übrigens auch einen Gast eingeladen, lieber Herr Vetter»* bemerkte Frau v. Schönerbeck ganz harmlos, „morgen wird Graf Fuentos auf acht Tage mich in meinem Witwensitz aufsuchen, natürlich, wenn es Ihnen recht ist.
„Daran, gnädige Frau, scheinen Sie erst sehr spät gedacht zu haben,* antwortete der Freiherr, welcher nur mühsam seinen Unwillen verbergen konnte, „mir ist jener Spanier keineswegs sympatisch."
„Mir auch nicht,* murmelte Hertha trotzig.
Frau von Schönerbeck schoß einen bösen Blick zu der Tochter hinüber, dann lächelte sie jedoch wiederum holdselig und drohte scherzend mit dem Finger.
„Nicht so ungestüm, Kleine, ich verrate ja auch ganz gewiß dem Onkel nichts.*
Hertha biß sich uuf die Lippen, trank hastig einen Schluck Thee, schwieg dann jedoch wohlweislich, denn sie fühlte sich der Mutter gegenüber jetzt wehrlos.
„Nun, ich hoffe, gnädige Frau, Sie werden diesen Herrn aus Spanten nicht allzulange hier festzuhalten suchen, damit ich ihm nicht etwa die Gastfreundschaft kündige» müßte,* cntgegnete Albrecht.
„Aber Herr Vetter," und Frau Berthas Stimme schärfte sich etwas zu, „Sie sind doch wohl Weltmann genug, um meine Gäste nicht zu beleidigen.*
„Solange sie mich nicht behelligen — gewiß nicht.'
„Möchten Sie nicht,* Frau von Schönerbeck lenkte gewandt in ein weniger gefährlicheres Fahrwasser, „während unserer Anwesenheit einmal die ganze Nachbarschaft ein- laden? Vielleicht zu einem Parkseste mit bunten Lampions und Ball?"
„Aber was ist das mit Dir, Hertha?" frug plötzlich Albrecht und wandte sich zu seinem schweigsamen Mündel, das jetzt mit blitzenden Augen das Köpfchen erhob.
,O ja, Onkel, gerne, sehr gerne wünsche ich ein solches Fest. Ich tanze mit großer Freude, ach, und das wäre doch gar zu entzückend I*
Der Freiherr lächelte heiter über diesen AuSbruch naiver, jugendlicher Lebenslust.
„Nun gut, es soll geschehen, und ich werde zur Verherrlichung des Abends noch ein Feuerwerk abbrennen lassen; habe ich doch meine Heimkehr nach Europa noch gar nicht festlich begangen.*
„O, Du bist doch ein guter lieber Onkel,* rief daS schöne Mädchen und klatschte munter in die Hände.
Aller Unmut über den fatalen spanischen Freier schien mit einem Male bei .dem Freiherrn verschwunden.
Sinnend ruhte sein Blick auf dem süßen, strahlenden Antlitz, fast beklommen frug er
sich:
„Wird sie denn lernen zu lieben? Wer aber wird ihr dies Buch mit sieben Siegeln öffnen? Doch nicht etwa jener FuentoS?*
Und dann sang Hertha nach dem Abendbrot) mit ihrer tiefen, weichen Altstimme einige schlichte Volkslieder, sich selbst auf dem Flügel dazu begleitend.
Albrecht stand an der offenen Balkonthür und blickte hinaus in den dunklen Abendhimmel, während eine unbeschreibliche Wehmut durch sein Herz zog und ihm das Auge feuchtete.
„Ach wie wär'S möglich dann —* klang es von Herthas Lippen.
Wie die liebe Stimme zitterte, wie sehnsüchtig die so oft vernommenen Worte zu dem schweigenden Manne drangen, als seien sie ganz allein für ihn bestimmt! Und plötzlich erwachte voll und klar und unumstößlich die Gewißheit in seiner Seele, daß er selbst dies schöne Mädchen liebe mit aller Innigkeit und Treue einer Mannnesseele, vie bisher noch nie zuvor ein solches Gesühl gekannt!
Er seufzte tief auf. Wo sollte das hinaus? Durfte er denn wagen, ihr junges Leben an das seine zu fesseln, mußte er ihr nicht eher fliehen, um kein Thor diesen großen, träumerischen Augen gegenüber zu werden?
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Drrck und Verlag von Beruh. Hofwaan in Wildbad.