Im Banne des Wahns.
Novelle von H. von Limburg.
(Nachdruck verboten.)
12.
„Hast Recht, Kleine, und der alle Onkel steht Dir bei, wir schließen ein Schutz- und Trutzbündnis mit einander, hier — schlag ein."
Als sie mit festem Druck ihre kleine Hand in seine Rechte schmiegte, da ward sie auf einmal dunkelrot, röter als vorhin bei Fuentos Erwähnung, und die schlanken Finger zitterten wie Espenlaub, sie wußte selbst nicht weshalb. —
Frau von Schönerbeck und ihr Gast waren indeß herangekommen, man begrüßte sich und endlich schlugen alle vier den Heimweg durch den abendlich dämmernden Garten »ach der Villa ein.
Der Conte und Hertha gingen voran, Schönerbeck mit Frau Bertha folgten ihnen. Lächelnd schaute die schöne Witwe zu dem schweigsamen Schwager auf.
„Es wird einmal ein schönes Paar sein," meinte sie heiter, „denn obwohl Hertha vor- giebt, daß sie ihn nicht mag, weiß ich das besser, sie liebt ihn unbeschreiblich."
Ei» etwas mißtrauischer Blick deS Freiherrn streifte die Sprecherin, dann entgegnete er langsam:
„Nun, meine gnädige Frau, überlassen Sie dem Mädchen nur selbst ihre Zukunft, sie ist alt genug, um sich darin keine Vorschriften machen zu lassen."
„Hertha besitzt ein eigenthümliches Mißtrauen ; ihre Gefühle darf man nicht erraten, sonst zieht sie sich zurück wie eine Schnecke in ihr HauS. Aber ich hoffe doch, daß sie Fuentos Bewerbungen erhören wird, noch ehe er von hier abreisen muß "
„Ich hoffe, gnädige Frau, sie werden mich im Sommer mit Hertha für eine geraume Zeit auf Schloß Lilienort besuchen?"
„Sehr gerne, lieber Albrecht, weshalb ober gebrauchen sie fortwährend jene förmliche Anrede, stall mich schlichtweg Bertha zu nennen?"
Ein fatales Gefühl regte sich in dem ernsten Manne eine geheime Stimme begann ihn von der Sirene zu waren, welche von Neuem ihre Netze nach ihm auswerfen zu wollen schien.
„Sie wissen, meine Gnädige, daß ich niemals von einer solchen Verwandschaftlich- keit Gebrauch machte," auch nicht, als mein Onkel, ihr Gemahl, noch lebte," lehnte er kühl ab.
Die Dame errötete und biß sich auf die Lippen.
„Sie sind hart, Herr von Schönerdcck," entgegnete sie halblaut wehmütig, ich glaubte, Sic endlich nach so langen Jahren mit mir versöhnt zu haben."
„Versöhnt? Ich wüßte nicht, wann ich Ihnen je anders als heute gegenüber gestanden hätte."
„Doch", und ihr Auge blitzte ihm entgegen, „es gab eine Zeit — wo es anders war — ich habe mich nicht getäuscht."
Der Freiherr runzelte die Stirn, so hatte dies kluge Weib damals bemerkt, was in seinem Innern vorging.
„Gnädige Frau", sagte er schneidend, „eS ist wohl befsir, wir lassen Gedanken und Gefühle aus d r Vergangenheit ruhen,
es würden wohl sonst allerlei Schwächen und Jrrthümer von beiden Seiten zu Tage treten, welche besser begraben bleiben."
„Haben Sie denn meinerseits nicht darin eine Sühne erblickt, daß ich nicht wieder heirathele?"
„Ich muß gestehen, meine Gnädige, daß ich mich niemals mit ähnlichen Gedanken befaßt habe. Meine Zeit war stets so ausgefüllt, daß mir Glcichgiltiges ganz f>rn lag."
Sie ward wiederum rot vor Aerger, aber ste schwieg, sie gab die Hoffnung, diesen Mann zu erobern, so bald doch nicht auf.
Im Bannkreis der Lilie wollte ste neue Fesseln schmieden und endlich glücklich sein, denn ste liebte eben gerade diesen Mann mit glühender Leidenschaft. —
„Sie werden bald verreisen, gnädiges Fräulein," frug der elegante Conte mit schmachtendem Tone.
»Ihre Frau Mutter war nicht allein so gütig, mir zu verraten, wohin, sondern sie hat mich auch eingeladen, nach Schloß Lilienort nachzukommen."
„Die Mama?" frug Hertha überrascht, „das kann ste ja gar nicht, denn das Schloß gehört Onkel Albrecht, der eben aus Afrika heimkommt."
„Hm, es ist doch auch der Wittwensttz von Frau von Schönerbeck."
„Je nun, die Ansichten sind verschieden. Ich würde allerdings nie einer solchen ein- jeitigen Aufforderung Folge leisten."
„Was würde ich nicht alles thun, um Sie, gnädiges Fräulein, zu sehen.
„Mein bester Sennor, Sie wissen, daß mir derlei fade, abgeschmackte Redereien bis über die Ohren zuwider sind; bitte, verschonen Sie mich damit. Im Uebrigcn möchte ich Ihnen nur mitlcllen, baß es mir persönlich nicht angenehm sein würde, auf Lilienort all die langweiligen Menschen aus Wies baden wieder zu finden."
FucntvS war innerlich wütend, dennoch schwieg er und blieb hartnäckig an der Seite des jungen Mädchens, bis man endlich auseinander ging.
„Wie rasch doch das Leben wechselt," meinte Frau von Schönerbeck, als ste beim Abendessen saßen, seit Albrecht wieder da war, wachen all die alten Empfindungen in uns Beiden noch einmal auf."
Hertha stieß etwas unsanft an die silberne Theemaschine, daß ein Strahl heißen Wassers auf das Tablett floß.
„Wie meinst Du das, Mama?" frug ste herbe, ihr junges Herz zog sich wie im Krampfe zusammen.
„Je nun, Kind, es ist kein Geheimnis, und auch kein Unrecht, wir liebten uns, und wir thun es noch heute I"
„Ich denke, Mama, was de» Onkel betrifft, so-irrst Du Dich. Er hat mir heute erzählt, daß mein Vater im Zweikampf fiel."
„Ich weiß nichts davon, mein Kind. Ich habe den Papa auch nicht mehr gesehen, als er todt war, denn ich war wie aufgelöst vor Schmerz."
„Wer war damals sein G'gner?"
Hertha stieß die Worte schroff und drohend hervor, ihre Mutier jedoch faßte sogleich wieder Mut und lächelte beruhigend.
„Aber meine Liebe, wie kann man sich über vergangene Dinge so erregen! Laß die Toben ruhen, und leben wir der Gegenwart.
Wie ist cS denn, wirst Du den armen Fuentos bald erhören?"
„Ja," stieß Hertha hervor und sprang vom T'iche auf, während heiße Thräw» aus ihren Augen quollen; „an dem Tage, an welchem Du Dich mit Onkel AlbreLk verlobst, werde auch ich die Braut d,s GrafenI"
„Bravo, bravisimo," kicherte Frau Bertha, „nun, davon bin ich nicht mehr allzuweit entfernt."
Aber das junge Mädchen hörte nichiS mehr, ste floh wie ein gehetzles Wild aus dem Gemach und riegelte sich droben in ihrem Stübchen mit zitternden Fingern ein.
Eine Glut von Jammer und Herzeleid ergoß sich über diese junge Mknschenseel?» welche hin- und hergeschleudcrl wurde und nicht wußte, wem sie glauben sollle. Schluchzend lag ste auf den Knieen und rang die Hände:
„Nein, nein, o du ollbarmherziger Gott, nur das nicht, ich kanns ja nicht ertragen — Du wirst nicht so erbarmungslos sein."
Der Sommer stand im vollsten Blüten- prangen. Jasmin, Goldregen und Rosen durchzogen die sonnige Juniluft mit berauschendem Wohlgeruch; in de» schattigen Laubgängen des alten Parkes flötete Frau Nachtigal so süß verlockend und schmachtend und auch das einsamste Menschenherz mußte sich öffnen in warmer Daseinsfreudigkeit.
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— „Das neue Blatt." Ein illustrirteS Familien-Journal. Wöchentlich erscheint eine Nummer. Preis pco Quartal incl. „Neueste Pariser Moden" ^ 1.60. Vertag von A. H. Payne, Leipzig. Jede Nummer der reichhaltigen und mannigfaltigen Zeitung bringt eine Auswahl von Artikeln aus dem Gebiet von Kunst und Wissenschaft, Romane und Novellen, aus dem Frauenleben, Praktisches ans Küche und Haus, Humoristisches. Mitteilungen aus aller Herren Länder, und ist mit schön, vorzüglich ausgeführten Illustrationen ausgestattet.
— Eine alte plattdeutsche Anekdote, bringt ein märkffches Blatt in Erinnerung: Zur Zeit einer Feldmäuseplage hatte ein Bauerndorf einen Preis für das Einfangen von Mäusen auSgesetzt. Nun kam eines Tages ein Bäuerlein aus ganz anderer Gegend, der hatte einen großen Wagen voll lebender Feldmäuse — 50 Körle, in jedem 1000 Stück, rvohlgezählt. „Na, Se wulln ja wol Feldmüse köpen? Ick bring hier weck, fufzig Düsend." — „Aber Mcnschcns» kind, wo sind Sie denn her?" —„Ick kumm ut Pommeransdörp, da achter de Oder. Morgen kriegen Se noch ne Ladung!" — „Sind Sic denn des Teufels, wir werden Ihnen doch ihre Mäuse nicht abkaufen I" — „Na, mitnehmen dhu ick se ok nich welcher, denn känen Se se ümsünsi hier behollen I" Sprachs und schnitt die Körbe auf.
(Kindermund.) Kleiner Karl: „Meine Schwester Martha hat ste sehr lieb, Herr Süßlich." —Herr Süßlich : „Hier hast Du 10 für Dich, mein Junge, nun sage mir aber auch, weshalb Du glaubst, daß Deine Schwester mich lieb hat ?" — Kleiner Karl: „Ach, das weiß ich nicht, und übrigens haben mir die Anderen immer 20 geschenkt, wenn ich Ihnen das erzählt Habel"
Redaktion, Druck und Verlag von Bernh. Hosmann in Wildbad.