und zwar hauptsächlich in Bezug auf die Arbeiterwohnungen. „Ja, verehrte Frau Landrat," fuhr der Kaiser ungefähr fort, „die Frage der Arbeiterwohnungen scheint hier im Osten »och wenig gewürdigt worden zu sein. Sehen Sie sich den schönen Viehstall in Cadinen an; dieser ist den Arbciter- wvhnungen gegenüber der reine Palast. Ich habe schon mit ihrem Gemahl darüber gesprochen, daß für die Arbeiter bessere Wohnungen geschaffen werden müssen, denn es geht doch nicht, daß schließlich die Schweineställe besser sind, als die Arbeiterwohnungen." (Auf den Besitztümern der ostelbischen Agrarier dürfte Se. Majestät noch manchen Echweinestall finden, der besser ist als die dortigen Arbeiterwohnungen.)
— Wegen Majestätsbeleidigungen wurden nach amtlicher Zusammenstellung im Jahre 1897 von deutschen Gerichten 643 Anklagen verhandelt, von denen 457 mit Verurteilung endeten. Die meisten Anklagen fallen in den Bezirk des Oberlandesgerichts Berlin.
— Eine unangenehme Ueberraschung mußte ein Bauer in Conweiler (Baden) erfahren, indem demselben fein schönes Pferd
vom Wagen weggespannt und dafür ein minderwertiges hingestcllt wurde.
Hagenau, 2. Juni. Gestern, am Eröffnungstage der Jagd auf Rehe, brachte Major v. Busse vom Dragonerregimmt Nr. 15 im Weitbrucher Wald einen Bock zur Strecke, dessen Gehörn als eine Abnormität bezeichnet werden kann. Der aufgebrochen 35 Pfund schwere Bock trug nämlich ein Gehörn mit vier Stangen; darunter befinden sich zwei Sechserstangen, eine Gabler- und eine Spieserstange, und zwar jede Stange mit Krone. In diesem seltenen Gehörn find somit gleichsam die einzelnen Entwicklungsstadien vereinigt.
St. Peter bei Freiburg, 7. Juni. Gestern abend find hier 23 Häuser abgebrannt. Die Kirche und das Kloster mit dem Priesterseminar der Erzdiöse Freiburg sind unversehrt.
Wilhelmshaven, 8. Juni. Infolge einer Benzinexplvston in einer Färberei wurden mehrere Arbeiter getötet und verschiedene verletzt.
Linz, 8. Juni. Das Dorf OttenSheim an der Donau ist vollständig abgebrannt. Etwa 50 Häuser und 2 Kirchen wurden ein
s Raub der Flammen; nur das Schloß blieb l unversehrt.
— Ein erschütterndes Familiendrama spielte sich in Pritzwalk ab. Eine ganze Familie Namens Benzin beging Selbstmord. Der Mann erhängte sich an der Bettstelle, und Mutter und Tochter starben an Gift. Als Motiv wird Vermögensverfall bezeichnet.
— Der Esel im Militärdienst. Die Erfolge, die der Graurock als Zugthier in Berlin seit kurzem gehabt hat, haben der Militärbehörde Veranlassung gegeben, den Wert des langohrigen Vierfüßlcrs für den Militärdienst zu prüfen, und so hat sich das Königin Augusts Gardr-Grenatir-Regiment einen Esel zugelegt, welcher auf dem Schieß- übungSplatz zur Verwendung kommen soll. Der gleichmäßige Gang, sowie auch die nicht unerhebliche Schnelligkeit, die das Langohr entwickelt, läßt ihn besonders geeignet für die Fortbewegung von Zugscheiten erscheinen und soll er deswegen zu diesem Zweck benutzte Soldaten ersetzen. Der neue Militäresel wird im Laufe der nächsten Woche bereits Gelegenheit haben, feine Feuertaufe zu empfangen.
Im Banne des Wahns.
Novelle von H. von Liuchurg.
(Nachdruck verboten.)
11 .
Also er hatte die Mutter geliebt und der Vater halte gewünscht, daß Beide sich finden sollten. Nein, nein, das war ja nicht möglich, der Oheim würde den Loden niemals so hinlergangcn haben. Sie glaubte noch unerschütterlich fest an den Oheim, während der Mutter Wort, das hatte sie schon oft erlebt, nicht immer einwandfrei dtieb. Aber dennoch erwachte allmählich eine sonderbare, beklemmende Angst in dem Herzen deS jungen Mädchens, ihr war, als wolle man vie Hand an das Ideal legen, welches in ihrem Innern lebte, doch sie mochte sich nicht klar werden, von welcher Seite der Schlag drohte — und dennoch wußte sie eS ganz genau.
So saß sie in der dunklen Eschcn- laube des Gartens und weinte bitterlich. Das that ihr wohl, das erleichterte ihr Herz und j sie fühlte, wie sie wieder ruhiger wurde.
„Hertha, meine liebe kleine Hertha," klang da plötzlich eine wohlbekannte liebe Stimme an ihr Ohr, „also hierher hat sich meine Kleine geflüchtet. Doch nicht etwa vor dem alten, gefürchteten Onkel?"
„O nein, Onkel Albrecht," und etwas verwirrt sprang das junge Mädchen empor, „ich — mir war drin im Zimmer so beklommen, und — und da mußte ich fortlaufen."
„Aber bei der Mama ist Jemand, der wohl hauptsächlich Deinetwegen kommt, Graf Fuentos."
„Ach, der schreckliche Spanier," schmollte daS junge Märchen, „da gehe ich noch nicht hinein. Willst Du nicht ein wenig hier sitzen bleiben, lieber Onkel, eS ist so angenehm still und kühl hier.«
„Ja Kind, gerne. Du glaubst gar nicht, wie wohl mir ist, daß ich nun endlich das Nomadenleben abgestreift habe und auch wohl für immmer."
„Afrika muß doch einen eigenen Reiz aus
Europäer ausüben", nickte Hertha gedankenvoll, „die Meisten vertragen daS Klima nicht, gehen aber trotzdem immer von neuem hin. Weshalb bist Du dort gewesen? Du hast unser schönes altes Schloß, bist beliebt und geachtet bei Alt und Jung und hattest doch gewiß keinen zwingenden Grund, den schwarzen Erdteil zu durchqueren."
Sinnend schaute der Freiherr in das grüne Blättergewirr über sich. Der eigentliche Grund, so feige eS ihm heute erschien, mußte er es sich doch selbst eingestehen, war Frau Bertha gewesen und seine Furcht, in ihre Netze zu fallen.
„Deines Vaters Tod hatte mich gewaltig erschüttert, Kind, und ich glaubte, es hier in der Heimat nicht überwinden zu können."
„Woran ist Papa gestorben?" frug Hertha aihemlos, ihre Augen hingen voll Erwartung an seinen Lippen, von ihm, das wußte sie, würde sie die Wahrheit hören.
„Dein Vater" — nur einen Moment hielt er inne — „blieb im Zweikamps."
O mein Gott, doch — nicht etwa mit Dir — Onkel Albrecht?"
Der ruhige, erstaunte Blick, mit dem er sie anschaut, beruhigte das Mädchen. Sie preßte beide Hände auf das hochklopfende Herz und ließ sich wieder nieder.
Nein, Hertha, nicht mit mir, ich war sein Sccundant und er starb in meinen Armen."
„Aber wer war sein Gegner? Weshalb fand der Zweikamps statt?"
„Der Name jenes Mannes ist mir entfallen, ich hörte nie mehr etwas von ihm. Ueber die Ursache laß mich schweigen, sie ist für Deine Ohien nicht geeignet," entgegnete Albrecht in der Absicht, die döse Sache nicht für das Gemülh HrrthaS aufzufrischen.
„Onket, Onkel," rief sie bewegt, es klang wie geheimer Jubel durch die Worte, „Du bist also auch damals schon der Rilter ohne Furcht und Tadel gewesen ? Du hast Papa vis in den Tod geliebt I"
„Ja, mein Kind, ich sah zu ihm auf wie zu meinem besten Vorbilde, an dem kein Makel haftet. Sein Tod war der erste
herbe Schmerz, der mich traf, und ich habe ihn all diese Jahre nicht ganz verwunden."
Eine lange Weile saßen Beide in tiefe Gedanken versunken. Dann blickte Albrecht lächelnd auf.
Und nun erzähle mir etwas von dem eleganten spanischen Cont?, der der Mama die Hände küßt uud nach ihrem Befinden fragt, eigentlich aber das Töchtchen meint."
Hertha wurde über und über rot und ihre Züge verfinsterten sich.
„Ich kann ihn nicht leiden, aber das hilft mir nichts, denn die Mama mag ihn gern, und jedesmal wenn ich ungezogen werde, so macht sie ihm statt meiner eine Entschuldigung dafür."
„Hm, weshalb aber willst Du nicht Sen- nora Contessa werden, Kleine ? Er ist reich, ganz hübsch —"
„Und dumm wie ein Kohlkopf," sprudelte Hertha hervor, „lieber, guter Onkel, verschone Du mich nur mit Heiratsplänen, ich heirate überhaupt nicht."
„Aha, der Haupttrumpf, den jedes Mädchen ausspielt. Laß nur erst den Rechten kommen und das Herzchen sprechen, dann findet sich alles Uebrige."
„Gefällt Dir denn der gelbhäutige Süßholzraspier ?" frug Hertha, „gegen den sind wohl all Deine Wahehe und Somaiis kleine Kinder, denn ich möchte daraus schwören, daß er das Stilct in der Brusttasche trägt, um gleich los zu stechen.
Der Freiherr lachte belustigt auf.
„DaS ist Schönerbcck'fcheS Blut in Deinen Adern, Hertha, und mich freut's denn ein kokettes Mädchen wäre mir in den Tod zuwider. Ader stehe da, dort kommt ja Deine Mutter wahr und wahrhaftig selbst mit ihrem edlen Conte. Willst Du in die Erde kriechen?"
„Neln, sondern der Gefahr kühn inS Auge sehen. Im Grunde genommen kann mir doch nichts geschehen, ohne daß ich es will, denn ich bin ja kein Baby mehr."
(Fortsetzung folgt.)
UMttiyv, Drrck uud Verlag von Pernh. Hofmau» tu Mlbbab.