Im Banne des Wahns.

Novelle von H. von Limpurg.

(Nachdruck verboten.)

9 .

Albrecht freute sich herzlich auf ein Wiedersehen mit seinem Mündel. Er ver> mochte noch gar nicht, sich diese als eine erwachsene junge Dame vorzustellen, in ihren Briefen war sie so kindlich unbefangen und fröhlich gewesen.

Vor dem Wiedersehen mit der schönen Mutter graute ihm nicht, sie war ihm völlig gleichgiltig geworden, und aller Groll der früheren Jahre ging eben in diesem Gefühl unter. Freilich vermutete er, daß sie nicht unterlassen werde, aufs Neue ihre Angeln nach ihm auszuwerfcn, doch das konnte ihm jetzt nichts mehr anhaben, er zuckte nur mit­leidig die Achseln bei diesem Gedanken.

Albrecht von Schönerbeck war fast zwölf Jahre drüben in Afrika gewesen, hatte das Innere des schwarzen Erdteils kreuz und quer durchforscht und spürte nun endlich eine unbijwingliche Reisemünigkeit.

Nun will ich ausruhen im Bannkreis der Lilie", dachte er behaglich,die Tage der Jugend sind vorüber, und ich werde mein Leben als ehrbarer Schloßher von Lilienort beschließen. Heiraten will ich nicht, meine kleine Hertha soll Schloß und Namen von mir erben und ihrem Gatten einst als Morgengabe mitbringen. Bin doch neugierig, wie sie sich wohl entwickelt haben wird?

Der Zug, der ihn nach Wiesbaden führte, sauste dahln durch den sonnigen Frühlings- tag, gar bald tauchten die Bahnhofsgebäude auf, brr Zug lies in die Halle ein. Würde ihn Hertha wieder erkennen?

Aber ehe er diesen Gedanken weiter aus- zaspinnen vermochte, ward die Wagenthür vom Schaffner aufgerissen und Schönerbeck nahm s in Gepäck zusammen, um auSzn- steigen.

Onkel Albrecht I Ja, kein Zweifel, Du bist es, ich hätte Dich unter Hunderten so­gleich erkannt," rief eine silberhelle Mädchen­stimme und zwei Arme jchlangen sich um den Ankommenden. Ec war betäubt diese elegante junge Dame im einfachen, modernen rehfarbenen Straßenkleid mit dazu paßendem Hütchen, mit Veilchen garnirt, sollte Hertha, sein Mündel sein? Unwill- türlich starrte er, ohne die Umarmung des deS jungen Mädchens zu erwidern, in das süße, rosige Gesichtchen, um welches kastanien- farbene Löckchen sich eigensinnig ringelten.

Hertha, Du?" staunte er, dann jedoch schloß er sie innig in die Arme und küßte wieder und wieder die frischen roten Lippen.

Aber Onkel, Du hast mich nicht er­kannt," rief Hertha neckisch,sehe ich denn mir meinem letzten Bilde, das ich Dir sandle, nicht ähnlich?

Nein," kopfschüttelte er, und in Ge­danken setzte er hinzu:Du bist viel, viel schöner als jenes Bild."

Nun komm aber, Onkel Albrecht," bat Hertha munter,Mama wartet mit dem Esten aus uns, und dann mußt Du auch ruhen. Du wohnst natürlich bei uns."

Schönerbick kam sich wie ein Fremder vor, daß er diesem heiter plaudernden Mäd­chen gegenüber verstummt war, und erst mit Aufbietung aller Energie vermochte er in ihren Ton einzustimmen.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, Kind, daß Du erwachsen bist und nicht mehr die kleine Hertha von damals, als ich fortreiste."

Aber Du, Onkel, bist noch unverändert derselbe geblieben," entgegnete Hertha liebe­voll und ergriff seine Hand,Du stehst dem Papa auch außerordentlich ähnlich."

Aber nun mußt Du im Sommer auch nach Lilienort kommen, Kleine, da kannst Du reiten, fahren, schießen ich werde bald eine Amazone auö Dir machen."

Und Du wirst bald einsehen, daß ich dazu viel zu still und wenig emancipirt bin. Ich stopfe lieber einen Strumpf, statt nach der Scheibe zu schießen."

Der Wagen hielt jetzt vor einer hübschen Villa und Hertha sprang leichtfüßig heraus.

Da sind wir nun, Onkel Albrecht, will­kommen als unser lieber Gast."

Ein Dienstmädchen nahm das Gepäck des Freiherrn in Empfang und aus der Veranda trat in schleppendem, dunkelrotem Seidenkleide eine Dame heraus, die mit strahlendem Lächeln dem Ankommenden die beringte Hand entgegen streckte.

Mein theurer, theurer Albrecht, also endlich nach so langer Trennung sehen wir uns wieder, Wie sehr habe ich mich auf diesen Tag gefreut I"

Sic halte vielleicht erwartet, daß er ihre Hand mit tiefer Verbeugung an die Lippen ziehen werde, doch das geschah nicht. Er stand hoch aufgerichtet und leicht lächelnd vor der noch schönen Mutter Herthas, deren zartes Antlitz allerdings die Spuren feinster Kunst nicht verleugnen konnte. Neben der in frischester Jugendblüthe stehenden Tochter verlor Frau Bertha in der Thal bedeutend, wenn sie auch Abends und bei magischem Purpurlichl noch sehr gut aussehen konnte. Hertha wunderte sich ein wenig, daß der Onkll die Mama nur so steif begrüßte, daun aber flogen ihre Gedanken weiter, und sie rief fröhlich:

Nun will ich Dir noch Dein Zimmer zeigen lieber Onkel, damit Du ablcgcn und zum Essen kommen kannst, denn Du bist sicherlich sehr müde."

Auf Wiedersehen denn mein lieber N-ffe, sagte Frau von Schönerbeck mit kokettem Augenaufschlaz, den jedoch nur ihre eigene Tochter bemerkte, Albrecht hatte sich bereits zur Thür gewandt. Herthas Antlitz ver­finsterte sich, und sie eilte mit zusammenge- preßten Lippen den Korridor entlang, bis sie an dem Fremdenzimmer stehen blieb.

Also auf Wiedersehen, O»kel," sagte sie herzlich,wirst Du den Weg zu uns finden?"

Gewiß mein Liebling. Sieh, nun fühle ich mich erst wohl in der Heimaih, seit ich weiß, daß sich jemand über meine Rückkehr freut."

Und sogar herzlich freut, Du guter Onkel I" Sie drückte ihm warm die Hand und eilte dann hinweg, während Schönerbeck nachdenklich das Zimmer betrat.

Du bist wie eine Blume," murmelte er vor sich hin,ja, wenn sie vor zehn Jahren meinen Lebensweg gekreuzt hätte. Aber so! Heute bin ich ein Mann, der die Höhe des Lebens schon hinter sich hat, und sie erblüht eben erst zur vollen Frauenschön­heit l"

Gedankenvoll vlieb er vor dem Spiegel stehen.

Noch bin Ich nicht alt," dachte er, sein Bild betrachtend,ich habe erst wenig graue Haare."

Aber, Thor, der ich bin ! Es wäre ein Verbrechen an dem lieblichen Geschöpfe, wollte ich ihre achtzehn Jahre an meine vicrund- vierzig ketten."

Hertha hatte ihre Verstimmung noch nicht überwunden, als sie auf die Veranda zu ihrer Mutter zurückkehrte. Frau v. Schöner­beck stand vor dem Spiegel und befestigte eine voll erblühte Narcisse in ihren reichen Haar­wellen, sie sah in diesem Augenblick ungemin lieblich aus. (Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

Sehr interessant plaudert m der so­eben erschienenen Nummer der Modenwelt (Berlin, Franz Lipperheide, nicht zu v r- wechseln mitKleine Modenwelt", u.Große Modenwelt") eine Wienerin über die Neuesten Moden. Die hohe Schule der Toiletten- kunst könnte man diesen Bericht nennen, der die wesentlichen und charakteristischen Züge der überaus complicicrten Mode so scharf erfaßt und so anschaulich dem Verständnis der schönen Leserin übermittelt. Und dem Wort gesellen sich reizvolle Illustrationen, anmutige Genre-Bilder, liebliche Frauen- und Mädchengrstalten, welche die neuen Mo­den verlockend zur Darstellung bringen, und an denen wir ganz besonders die Neigung zur geschmackvollen aparten Einfachheit rüh­men möchten. Wer Gelegenheit hat, fran­zösische Modenbilder zu sehen, mit ihren stets die Carricatur streifenden exentrischen Moden, der kann sich nur darüber freuen, wie diese deutsche Zeitung cs versteht, die Frauen zu schmücken, elegante, das Auge erfreuende Er­scheinungen aus ihnen zu machen, ohne sie zu Zerrbildern ihres Geschlechts herabzuwür­digen. Nicht genug damit, bietet die Modcn- welt in ihren BeiblätternHandarbeiten", Kindermoden",Untcrhaltungsblatt" m. seinen verschiedenen Rubriken: Gesundheits- und Kinderpflege, Unsere Kinder, Für Haus, Küche, Zimmereinrichtung, Erwerdsthätigkett der Frau, auch auf diesem Gebiete das Beste. Erwähnen wir noch den extragroßen Schnitt» musterdogen und den Vorzug, daß die Leser­innen, außerdem gegen Einsendung von nur 30 Pfg. zu jeder der dargeftellien Toiletten den Naturgrößen Schnitt nach ihrem Maß zug-sandt erhalten, so begreift man wohl, daß die Modenwelt trotz aller Concurrenz ihren Platz als das klassische Fomiltenblatt behauptet.

Um Schnecken aus Kellern zu ver­treiben. werde der Boden des Kellers und da wo Schnecken sich zngen, durchweg mit ordinärem Salze bestreut; Vrehsalz crsüllt hinreichend den Zweck. Zugleich besprenge mm die Wände einigemal mit Salzwosstr und wird jede Spur dieser eckelhafien Tiere verschwinden.

Einer alten abergläubischen Sitte nach werfen sich die littauischen Dorfbewoh­ner beim ersten Gewitter auf die Erde, um fick auf dem Boden hin und her zu rollen. Man glaubt sich nämlich auf die Weise vor dem Gliederreißen zu schützen. Hat der Blitz eine Linde zerstört, so strömen die Be­wohner in Scharen herbei, um die Splitter davon als Zahnstocher zu sammeln, weil da­durch die Zahnschmerzen verhindert werden sollen.

Siebaltlyn, Drrck und Verlag von Beruh. Hofmauu tu Wrldbab.