Opfer hauchte sofort nach dem Kampfe den Geist aus.
— Heuschreckenplage. Die Heuschrecken- gefahr in Spanien ist jo groß, daß die Regierung eine Prämie von 10 Cent auSge- worfen hat für jedes Kilogramm gesammelter Heuschrecken. In den Straßen sieht man Kinder und erwasene Personen, die mit dem Einsammeln von Heuschrecken beschäftigt sind. Manche sammeln 40—50 Kilogramm an einem Tage. Die Eisenbahnschienen in der Provinz Asturien sind so bedeckt, daß die Lokomotiven am Wcitersahren behindert sind. Der Kriegsminister hat beschlossen, 10,000 Mann der Garnison Madrid nach' den Provinzen zu senden, um die Heuschrecken zu vernichten.
— Oefsentliche Auspeitschung am Schand- Pfahl in Amerika. Aus Wilmingion im Staate Delaware berichtet man unterm 23. Mai: Gestern wohnte ein großer Teil der hiesigen Bevölkerung wiederum einer jener immer noch nicht abgeschafften barbarischen Schauspiele bei. Zu leichten Strafen verurteilte Männer, Frauen und Knaben wurden nackt an Schandpfähle gebunden und vom Henker öffentlich anSgepeitscht. Für
den roheren Teil der Bevölkerung ist dies stets ein willkommenes Schauspiel, zu dem sie sich ebenso drängt, wie die Spanier zu einem Stierkampf oder der Pariser Janhagel früher zu einer Hinrichtung auf dem Roquette- Platze. 15 Schandpfähle waren ausgestellt und an jeden von ihnen ein Mann, ein Weib und ein Knabe nackt angebunden. Damit das Schauspiel lange währen sollte, kam einer nach dem andern an die Reihe. Unter den Zuschauern befanden sich vor allem viele Weiber, ja Frauen der besseren, um nicht zu sagen „besten* Gesellschaft. Die Verurteilten — es handelte sich um Vergehen, wie kleine Lebensmitteldiebstähle und ähnliche Dinge, die sonst mit 8 — 14 Tagen Haft bestraft werden erhielten je nachdem 15 bis 50 Hiebe mit der Rhinozerobpeitsche, welche den meisten das Fleisch in langen Fetzen vom Rücken riß. Einer der AuSgepeilschten zuckte mit keiner Muskel während der furchtbaren Operation, warf sich aber, als er loS- geschnallt wurde, röchelnd vor Wuth auf den Henker, schlug denselben mit einem Faustschlag zu Boden und hätte ihn zweifellos getötet, wenn dessen Gehilfen nicht ihrerseits auf denselben gestürzt und ihn in Fesseln
gelegt hätten. Er wurde natürlich ins Gefängnis geführt und wartet einer schweren Bestrafung. Ein anderer kam winselnd und kriechend heran, warf sich dem Scharfrichter zu Füßen und flehte zitternd: „Um Gottes Willen schlagt leicht.* Als d«e Peitsche auf ihn niedersauste, schrie er und winselte und gab bald nach beendeter Exekution in der Zelle, in die er bewußtlos gebracht war, den Geist auf. Wieder ein anderer höhnte während der ganzen Handlung seine Henker, schnitt bei jedem Hiebe lächerliche Grimassen und zwinkerte dabei vergnügt mit den Augen. Der AvSpeischcr erklärte, der Mann sei ein alter Kunde, den er selbst wenigstens schon zum zwanzigsten Male anspeitschte. Allerdings war es ein alter Neger, der vielleicht schon früh an diese Form der Erziehung gewöhnt wurde.' Nach Beendignng der Operation wurden sämtliche AuSgepeitschle ins Gefängnis übergeführt, wo sie bis zur Ausheilung ihrer Wunden verbleiben.
.'. Kindermund. Die kleine Ella (mit ihrer Mutter vor einer Konditorei stehend): „Mama, wenn Du jetzt meine Tochter wärest, würde ich sofort 'reingehen und Dir ein Sahnenbaiser herausholen.
Im Banne des Wahns.
Novelle von H. von LlMpurg.
(Nachdruck verboten.)
7.
DaS feierliche Leichenbegängnis zu Ehren des dahingeschiedenen Schloßherr» fand unter großer Teilnahme statt. Eine zahlreiche Trauerversammlung hatte sich eingefunden, denn der Verstorbene stand überall in höchster Achtung und sein rasches tragisches Ende hatte diese Sympathien noch verstärkt. Die in tiefe Trauer gehüllte Wittwe mit breiter Schleppe und lang wallendem Kreppschleier ward auffallend wenig beachtet, und nur dem bleichen, tiefernsten Neffen beeilte man sich, die wärmste Teilnahme zu beweisen. War er doch nun der letzte Erbe der Schönerbcck- schen Lilien, fiel ihm doch Schloß, Titel und Reichtum des Verstorbenen zu, da das kleine weinende Mädchen an des Oheims Hand nach den Majoratsbestimmungen nicht miterben durfte. Die Militärkapelle aus der benachbarten Stadt halte den gedämpften Trauerchoral gespielt, der Pfarrer des Kirchspiels die Rede gehalten und den Tode» etngrsegnel, und dann hatte man ihnhinaus- getragen in das Erbbegräbnis, wo all seine Vorfahren bereits ruhten.
Frau von Schönerbeck war allein hinter dem Sarge gegangen, d-nn Albrecht schritt mit steinernem Antlitz neben dem Geistlichen hinter dem Sarge; er hatte die Pflicht, die Witwe zu führen, abgeschüttelt, er wollte nicht die Hand der Frau auf seinem Arme fühlen, die den Onkel Rudolph in den Tod getrieben hatte.
Ein älterer, fernstehender Herr aus der Trauerversammlung trat an die Dame endlich heran und bot ihr den Arm, den sie mit leichtem Danke sogleich annahm.
Und nun war all dies letzte Gepränge vorüber, die Gäste fortgefahren, die Cande- lader gelöscht und Lieutenant von Schöncr- beck, nun der letzte Freiherr sein-ö alten Geschlechts, stand tiefernst an dem hohen Bogenfenster der Bibliothek und blickte hinab in den grünen, schweigenden Park.
Was sollte nun werden?
Daß er den Abschied nehmen und hier unter dem alten Lilienwappen leben müsse, war ihm außer allem Zweifel, uur mit Bertha konnte er nicht zusammen bleiben; ihm war, als berührte schon ihre Nähe ihn wie ein Giflhauch.
Sie halte den Loden nicht mehr gesehen; cs mochte in ihrem Innern das Gesühl der Schuld erwacht sein, welches sie fern von dem Ahnensaal hielt, oder war es Trotz, war's noch Haß bis über's Grab hinaus gewesen?
Da drehte sich plötzlich die Thüre in den Angeln, unwillkürlich fuhr Schönerbeck zusammen, denn er wußte, auch ohne hinzu- sehen, genau, wer eintrat: eö war Bertha! Daß er einer letzten Unterredung mit ihr nicht aus dem Wege gehen konnte, wußte er wohl, und dennoch scheute er in einer ihm selbst peinlichen Schwäche davor zurück.
Er drehte sich um und stand nun dem schönen Weibe gegenüber, das ihm gefährlich zu werden gedroht, bis zu dem Augenblick, wo die Larve von ihrem Antlitz gefallen — und er begonnen hatte, sie zu verachten. Aber in der That, sie war schön, bezaubernd schön und eine gefährliche Schlange.
„Was wünschen Sie noch von mir, gnädige Frau ?" frug er kalt, „die Testamentseröffnung wird morgen früh in der Stadt erfolgen.*
„Ich — weiß cS, aber vorher mußte ich mit Ihnen reden, Albrecht. Sie zürnen mir?"
„Wie käme ich dazu? Wir stehen, um dies vorauszusetzen, einander doch viel zu fern."
Sie hob die großen, wunderschönen, in Thränen schwimmenden Augen zu ihm auf.
„So ist Ihnen das Weib Ihres Onkels also eine so gänzliche Fremde?"
„Nicht das Weib, sondern die Gemahlin des Majoratsherru von Lilienort. Ich meine, gnädige Frau, daß zwischen diesen beiden Worten ein gewaltiger Unterschied liegt."
„Und wenn ich denselben zugebe, so werden auch Sie, Albrecht, einfehen, daß der
Unterschied der Jahre zwischen Rudolph und mir Manches erklärt, was Sie mir zur Last legen."
„Gnädige Frau, Sie wußten doch aber genau, was Sie lhaten, als Sie ihm ihr Jawort gaben und, einmal gebunden, hätte Ihnen hier drin in der Brust der richtige Weg vorgeschrieben sein müssen. Oder meinen Sie, daß man Sie bedauert hat?"
„Ich bin bisher einsam durch's Leben gegangen, ohne die Liebe kennen gelernt zu haben."
„Je nun, Sie haben sich aber dasLeben so angenehm als möglich gestaltet und dasselbe nach jeder Richtung genossen," fuhr Albrecht fort. „Doch vergeben Sie meine Abschweifung, zu der ich kein Recht habe. Also nochmals, was befehlen Sie?"
„Befehlen?" ries Bertha heftig und sie preßte die Hände zornig zusammen. „Albrecht, sehen Sie denn nicht, daß ich zu Ihnen komme, um mit Ihnen Frieden zu schließ n, um Ihre Frendschast zu bitten?"
„Freundschaft?" lächle er bitter, „wissen Sie denn nicht, daß es eine solche zwischen uns niemals geben kany."
Sie trat ihm näher, ihre kleine Hand legte sich fest auf seinen Arm, daß ein heißer Strom durch seine Adern floß und ihr Athem streifte feine Wange.
„So nennen Sie eS immer, wie Sie wollen, aberweisen Sie mich nicht ab, stehen Sie mir bei, lassen Sie mich nicht allein, Albrecht!"
Süß schmeichelnd klang ihre Stimme an sein Ohr, eine dunkle Blutwelle schoß ihm ins Antlitz, doch sein Herz blieb unbewegt, sein Blick eisig und jetzt trat er zurück, daß ihre kleine Hand ziemlich unsanft von seinem Arme glitt.
„Gnädige Frau, Sie verschwenden Ihren Zauber umsonst an einen Barbaren. Vor wenigen Tagen noch wäre ich diesen Sirenen» lockungen haltlos unterlegen — seit jenem Schuß, der meinem Onkel das Leben kostete, vergeblich."
(Fortsetzung folgt.)
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