Im Mime -es Wahns.
Novelle von H. von Limburg.
(Nachdruck verboten.)
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„Nun denn, ich danke Dir, mein treuer Albrecht," rief Rudolph tief erschüttert und und breitete beide Arme aus, um den Neffen ans Herz zu drücken, „erst jetzt kann ich ruhig sterben, da ich mein Kind in Deinem
Schutze weiß.'
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Trüb, kalt und grau dämmerte der Morgen herauf, als die zwei Männer, in ihre Mäntel gehüllt, das Haus verließen, Albrecht trug den Pistolenkasten unter dem Arme.
„Lebewohl, Du Schloß meiner Väter, Ihr Lilien schützt es auch fernerhin, wenn ich unter dem Hügel ruhe,* murmelte der Schloßherr bewegt; „ich fühle es, daß ich lebend nicht mehr wiederkehre, aber ich sterbe gern, denn was soll ich noch länger im Leben.*
Im Schlafzimmer der jungen Frau waren die Vorhänge noch fest geschlossen ; sie träumte vielleicht in ihrem Leichtsinn lächelnd vom Balle. Kein einziger Gedanke galt dem Manne, den sie so schwer beleidigt und der soeben im Begriff stand, mit seinem Herzblut die befleckte Ehre reinzuwaschen.
Die beiden anderen Herren waren schon erschienen. Man begrüßte sich förmlich, die beiden Sccundanten luden die Waffen, schritten die Entfernung ab und mawien sodann den üblichen wenn auch selbstverständlich nutzlosen Sühneversuch und dann — der Schloßherr winkte mit den Augen dem Nrffcn seinen letzten Gruß zu und visierte mit fester Hand. LichtenauS Blick sprühte Haß und Rache, auch er erhob das Pistol, die Sekundanten zählten: „Eins, zwei, drei l"
Zwei Blitze flammten auf, zwei Schüsse krachten, dann wankte Herr von Schöner- bkcks Hohr Gestalt und stürzte zu Boden, noch ehe sein Neffe zuspringen konnte. Als der Rauch sich verzogen, stand Lichtenau noch immer unbeweglich, das dampfende Pistol in der Hand uns schaute drüben auf die stille Gruppe; sein Srcundant trat zu ihm.
„Wenn Sie sich mit dem Herrn von Schönerbeck noch versöhnen wollen," bemerkte er ernst, „so beeilen Sie sich, eS gehl sehr rasch zu Ende."
Der Angeredete zuckte erschrocken zusammen.
„Er stirbt?" stammelte er scheu, „und — und durch mich?*
„Allerdings", lautete die schonungslose Antwort, „Ihre Kugel traf ihn tief in die Brust."
Lichtenau atmete schwer und kämpfte noch flcunbenlang, dann aber schritt er gesenkien Hauptes hinüber. Das hatte er denn doch nicht gewollt. Schönsrbrcks Kugel war über seinem Haupte hinweggepsiffen, während er gut getroffen hatte.
„Können Sie mir verzeihen, Hcrr von Schönerbcck?" frug er tonlos und neigte sich über den Sterbenden ; ein milder Schein flog über di« bleichen Züge desselben, er nickte Und gab dem Feinde mit schwachem Drucke die Rechte.
„Ich habe vergeben,* murmelte er mild, „Sie sind — mein Wvhlthäter, der dies
armselige Leben — von mir nimmt — und — mich — befreit."
„Und nun genug, mein Herr," hier trat Lieutenant von Schönerbeck dazwischen, „die letzten Minuten meines Onkels gehören mir."
Gesenkten Hauptes schlich Lichtenau hinweg und Albrecht kniete nieder an der Seite des Sterbenden.
„Onkel," frug er ernst, „weshalb hast Du in die Luft geschossen?"
„Ich — wollte — nicht — in meiner letzten Stunde — zum Mörder werden," hauchte er mühsam, „lebewohl, Albrecht, grüße meine — kleine Hertha!*
Hell und goldig ging ging die Sonne auf, lichte, rosige Wölkchen flogen am Himmel vor ihr her. jubilierend stieg die Lerche empor, als langsam Schritt für Schritt dort der Wagen durch den Wald fuhr: ein Toter lag darin.
Bertha fuhr schlaftrunken aus den schönsten Träumen in die Höhe, als ihre Zofe ins Zimmer stürzte:
„Ach, gnädige Frau, erschrecken Sie nur nicht, der gnädige Herr ist — erschossen worden, jedenfalls in einem Duell, und der Herr Lieutenant läßt ihn im Ahnensaal aufbahren."
Die junge Frau ward totenbleich.
„Susanne, bringe mir mein schwarzes Kleid," stotterte sie atemlos, „und dann hole meinen Neffen herbei."
Aber der ließ sich so leicht nicht holen. Er wich nicht von dem stillen Schläfer dort im Ahnensaal und litt auch nicht, daß die schöne Witwe eintrat; Bertha wäre zwar, trotzdem sie fragen ließ, nicht gekommen, ihr graute vor Leichen, und zudem schlug ihr Gewissen sehr heftig; sie meinte das Kainszeichen auf ihrer Stirn flammen zu fühlen : Mörderin.
Nach dem Frühstück trippelten kleine, flinke Füßchen die Treppe binunter.
„Wo sind Papa und Onkel Albrecht?" frng Herthas Helles Stimmchen; Albrechts Antlitz erfüllte ein schmerzliches Lächeln.
„Mein Liebling, mein armes verwaistes Kind," flüsterte er und schritt hinaus zu der Kleinen. „Willst Du den Papa sthen, Hertha?" frug er erschüttert. „Siehst Du, er ist in den Himmel abgerufen worden zum lieben Gott."
„Aber wenn ich ihn sehen soll, muß er doch da sein?" forschte das kleine Mädchen mit unerbittlicher Logik, und sie klammerte sich fest an des OheimS Hand; denn daß darin etwas Geheimnisvolles, Wunderbares sein müsse, war ihr klar. Mit großen, entsetzten Augen starrte sie den bleichen Vater an, der gar nicht wie sonst lächelte, wenn sein kleines Töchterchen zu ihm trat.
„Dein Papa schläft; er ist droben beim lieben Hergott und steht Dich von nun an immer, deshalb mußt Du sehr brav sein, Hertha, darfst auch nicht weinen."
Eine Weile schaute das Kind beklommen in des Toben Antlitz, dann wandte cs sich fragend an den Oheim.
„Wirst Du auch einmal so einschlafen, Onkel Albrecht, und ich auch?"
„Ja, mein Liebling, wir Alle; gebe Gott, daß wir eS ebenso rein und treu lhun können, wie Dein edler Vater."
„Kann ich Papa einen Kuß geben?"
„Ja, meine Herthal"
Erschüttert hob Albrecht das Kind empor; als es die Todeskälte auf den blassen
Lippen fühlte, da schrie das kleine Mädchen herzzerreißend auf und verbarg sein Gesicht- chen an der Brust des Onkels.
„Nein, o nein, das ist ja nicht mein Papa," jammerte eS, bitterlich weinend, „ec ist so kalt und so still, und hat die Augen zu."
(Fortsetzung folgt.)
Verschiedenes.
— Wie wir uns über die italienischen Vogelmörder entrüsten, so sollten wir auch in Helgoland mit diesem rohen Unfuge auf- räumen. Die Helgoländer treiben den Vogelfang als Gewerbe; durch kein Gesetz gehemmt, fangen sie, was vorkommt: Lerchen, Nachtigallen, Ammern, Finken u. s. w. Ein Beobachter erlebte, daß in wenigen Stunden einmal 15 000 Lerchen gefangen wurden. Auch andere Singvögel-Mörder giebt es noch in Deutschland. Die Singdrosseln werden in den oft- und westpreußischen Wäldern als sogenannte Krammetsvögel jeden Herbst zu vielen Tausenden in Schlingen erwürg!. Und wer mordet diese Sänger von Gottes Gnaden? — die preußischen Forstbeamten, die deutschen Jäger, welche, „so lang' noch ihre Stimme erschallt", den deutschen Waid schirmen wollen und doch seine besten Sänger töten.
— Das Abholzen der Wälder. Eine englische Fachzcitung äußert sich entrüstet über das Abholzen der Wälder. Sie behauptet, cö gäbe allein in den Vereinigten Staaten 2000 Fabriken, die Baustämme in Papier verwandeln. Diese Papierfabrtkation erfordert jährlich 50000 Hektar Wälderund diese Zahlen werden sich in kurzer Zeit noch verdoppeln. Frankreich und England haben in einem Jahre 400 000 Tonnen Papier gefertigt, wozu das Holz aus Norwegen und Schweden herübergekommen ist. Eine einzige, weitverbreitete Zeitung braucht für jede ihrer Nummern mehrere hundert Baumstämme. Die Fachzeitung fügt hinzu, daß, wenn hier keine Aenderung eintrill, die Wälder Europas in einem halben Jahrhundert abgeholzt sein werden.
(Kindliches Mißverständnis.) Der kleine Hans hat eine Armbrust geschenkt bekommen und schießt eines Tages damit in die Fensterscheiben hinein, so daß diese klirrend zerspringt. Vater: „Warte, Junge, für diese Ungezogenheit sollst du jetzt eine tüchtige Tracht Prügel bekommen;" — Der kleine Hans: „Aber, Papa, du hast doch selbst gesagt, ich soll mich im Scheibenschießen üben I"
(Aus der Kaserne.) Einjähriger: „Bitte gehorsamst um drei Stunden dienstfrei heute nachmittag, Herr Hauptmann." — Hauptmann: „Gleich drei Stunden wollen Sie? Sind Sie denn verrückt? Sieglauben wohl — wir rüsten schon ab?"
.'. (Große Nase ) A.: „Priese gefällig?" B.: „Nein, ich schnupfe nie I" A.: „Schade, Sie haben doch ein so schönes Lokal dazu I"
Neueste Nachrichten.
Paris, 27. Mai. Der Generalpro- knrator, Generalstaatsanwalt Manau empfing heute morgen den Bericht Ballot- Beauprös, welcher aus die Revision des Dreysusprozesses unter Rückverweisung an ein neues Kriegsgericht schließt.
Aedakiton, Druck und Verlag vv« Beruh. Hssmaun in Wildbad.