in Rieth, Oberamt Vaihingen, gegründet und von da 1851 nach Winterbach verlegt, ist die Anstalt im Jahr 1865 in die schönen Räume des hiesigen Schlosses üdergestedest. Mit der nahegelegenen Zweiganstalt in Rom­melshausen umfaßt die Anstalt jetzt über 450 Pfleglinge; an der Arbeitsschule sind 4 Lehrer und 3 Lehrerinnen thätig ; das ge­samte AnstallSpersonal beträgt 150 Personen; die Anstalt bildet also eine Gemeinde von rund 600 Seelen.

Ebingen, 26. Mai. In Gutenstein fiel der 23jährige Müllerbursche Adolf Amann beim Auffangen eines in der Donau schwim­menden Balkens ins Wasser und wurde von diesem fortgcrisfen. Friseur Stengele wollte mit eigener Lebensgefahr ihn retten, aber eS gelang ihm nicht und bis weitere Hilfe an­kam, war der Verunglückte spurlos verschwun­den und alle Nachforschungen, denselben auf­zufinden, blieben bis jetzt erfolglos.

Ravensburg, 24. Mai. Vorgestern wollte das 10jährige Mädchen einer Wittwe mit der Axt von einem Holz etwas weg­hauen. Es hieb sich aber dabei zwei Finger­spitzen weg. Die eine konnte durch den rasch herbeigeeilten Arzt wieder angeheilt werden, die andere war vom kleineren Bru­der sortgcworfen worden und konnte nicht mehr beigebracht werden.

Schussenried, 22. Mai. Heute vormit­tag vor 11 Uhr entlud sich über unserm Ort ein heftiges Gewitter mit bedeutendem, strichweisem Hagelschlag und wolkenbruchar­tigem Regen. Gartengewächse und Obstbäume erlitten ziemlich Schaden.

Radolfzell, 25. Mai. Gestern abend brach hier Großfeuer aus. Im ganzen brannten 8 Häuser an der Seestraße west­lich von dem Bahnhof nieder. Das Feuer entstand um 6 Uhr durch die Schuld eines Knaben,' welcher in einer Scheuer mit Streich­hölzern spielte und einFeuerle" machte. Infolge eines Gewitter« brach dann noch ein Winv los, sodaß die Flammen rasch um sich griffen ; bald standen 6 Häuser an der Seite gegen das Bahngeleise in Flammen. Als das gegenüberliegende alte Spital zu brennen anfing, war die Gefahr am stärksten, wes­halb auch noch kurz vor 9 Uhr die Feuer­wehr von Konstanz telegraphisch zu Hülfe gerufen wurde. Alsbald ertönte Feuerlärm; eine Abteilung der freiw. Feuerwehr eilte im Laufmarsch zum Bahnhof und fuhr mit dem Zug 9.41 Uhr nach der Brandstätte. Die Bewohner unserer Stadt waren in großer Aufregung und den Bahnhof umstand eine große Menschenmenge. Viele fuhren mit diesem Zug, der vollbesetzt war. Bei der Ankunft in Radolfzell war bereits jede Ge­fahr beseitigt. Auf der Brandstätte arbei­teten die Feuerwehren aus allen Orten der Umgegend von Radolfzell. Zum Glück herrschte kein Wassermangel und so gelang eS, des Feuers Herr zu werden. DaSVieh und ziemlich viel Mobiliar konnte aus den abgebrannten Häusern gerettet werden. Auf der Brandstätte weilte auch Herr Geh. Reg.- Rat Jung von Constanz.

Radolfzell. Dem großen Brand von gestern Abend fielen zum Opfer 6 Wohn­häuser, mehrere Schöpfe -und einige Hinter- Häuser. Einige Häuser find teilweise stark beschädigt durch Feuer und Wasser. Der um '/-8 Uhr aufgetretene Südwind ließ das Schlimmste befürchten. Den Turm und das Dach des Spitals hatten die Flammen er­

griff'«. Die Kranken wurden avSquartiert. Glücklicherweise ließ der Sturm bald nach; auch konnte eine Masse Wasser auf das Spital geschleudert und dieses so gerettet werden, obwohl eS nach einiger Zeit aber­mals zu brennen begann. Aus vielen be­nachbarten Häusern wurden die Möbel re. herausgeschafft. Die ganze Nacht mußte fleißig gearbeitet werden.

Mühlacker, 24. Mai. Gestern abend wurde in Niefern ein etwa 25 Jahre alter Goldschmid verhaftet. Derselbe hatte in Wetßenßein sich des Fuhrwerks eines Arztes, dessen Kutscher auf kurze Zeit sich entfernt hatte, bemächtigt und war mit den Pferden auf und davon gefahren. Der Spaß wird den Dieb teuer zu stehen kommen.

Es ist schon viel, wenn ein Mensch sein Aller bis auf 92 Jahre bringt, ein Ereignis aber ist der 92. Geburtstag von Zwillingsbrüdern. In Baden-Baden haben am 22. Mai die Brüder Franz und Michael Stephan das seltene Fest feiern können.

Ein furchtbares Unwetter hat die Kreise Kolmar, Czarnikau und Filehne schwer heimgesucht. Wolkenbruch und Hagelschlag verursachten großen Schaden. Der Blitz tötete mehrere Personen.

Aus Schlesien, 20. Mai. DieKatto- witzer Zeitung* berichtet von folgender anti- sozialdemokratischer Lynchjustiz: Bei einem Hoch auf den Kaiser war in einer Sitzung der Feuerwehr zu Zawodze ein Gruben­arbeiter sitzen geblieben. Infolge dieses Ver­haltens wurde ihm von seinen Kameraden sofort die Feuerwehruniform, welche Eigen­tum des Vereins ist, ausgezogen und er selbst an die frische Lust gesetzt. Der sich zur sozialdemokratischen Partei bekennende Gruben­arbeiter mußte, nur noch mit Hose und Hemd bekleidet, seine Wohnung aufsuchen.

Ans dem Hammelburger Schießplatz hält zur Zeit das 4. Feldartiller eregimeut Scharfschießen ab, dem ein Mei schenleben zum Opfer fiel. Ein Unterhärdler von Obereschcnbach, der am letzten Schicßtage trotz Verbots die abgesperrte Straße Hunds­feld Obereschenbach betreten hatte, wurde von einer Kugel getroffen und gelötet.

Angriff aus einen Lehrer. EinFort- bildungSschüier in Reckendvlf bei Bamberg harte dem Lehrer als ihn dieser in berech­tigter Weise züchtigen wollte, mit den Wor­ten:Donnerkeil, das lasse ich mir nicht mehr gefallen,* das Stückchen entrissen, zer­brochen und dabei den Lehrer noch an den Händen leicht verletzt. Das Bürschen wurde in erster und zweiter Instanz zu 8 Tagen Gefängnis verurteilt.

Auf dem Magdeburger Bahnhofe in Leipzig kam ein 6jähriger Knabe an, der einen Zettel auf der Brust trug:Rudolf Seifert fährt zu seiner Mutter in Leipzig, Frau Gertrud Seifert, Leipzig, Lützowstraße II." Man brachte den Knaben in die Lützowstraße, dort aber gibt es kein Haus Nr. 11 und eine Frau Gertrud Seifert gibt es in ganz Leipzig nicht. Der Knabe selbst ist geistig so schwach begabt, daß er keine Auskunft über seine Herkunft geben kann. Entmenschte Eltern scheinen sich des armen Kindes auf diese Weise entledigt zu haben. ES wurde in da-Leipziger Waisen­haus gebracht.

Lebensmittelverfälschungen in Paris. Das Laboratorium der Stadt Paris, das sich ausschließlich mit der Untersuchung von

Lebensmitteln beschäftigt, ist neulich einer Reihe von ganz abscheulichen Verfälschungen auf die Spur gekommen. Es ist ungeheuer­lich! Paris, die Metropole der feinen Kon- sekte, hat fast keine echten Konfckte mehr. Aus 40 Probetöpfe, welche vorgelegt wurden, entfielen 35 Fälschungen. Die Chemie der Fälscher führt mit den chemischen Kontrvll- apparaten des Laboratorims einen Kampf, wie es der ist zwischen Kanone und Stahl­panzer. Es giebt keine echten Früchte mehr, namentlich keine Kernfrüchte, seit diese für das Konfekt entkernt werden. Aprikosen, Kirschen, Pflaumen, werden aus gelben, roten und w ißen Rüben mit Syrup und Gummizuthaün hergestellt. Das echte Obst kommt nur noch in die wahnsinnig teueren Edelproduktc der feinsten Konditorei. Nicht minder erschreckend ist der Betrieb der Wein­verfälschung, 199 unbrauchbare Getränke auf 280 fragwürdige und nur 129 echte Sorten. Direkte Vergiftungen kommen zwar nicht vor, dagegen wird in der Auffrischung verdorbe­ner Weine, in derTaufe* von Weinen das Ungeheuerlichste geleistet, da nach 7 Uhr abends die Keller vor Besuchen der Polizei gesetzlich geschützt sind. Bon Bieren gilt nur das deutsche Jmporlbier durch die strenge Kontrolle, welche geübt wird, als gesichert. Das französische Bier,ls bibino", wird erbarmungslosgetauft".

Ein kleiner Held. Eine geradezu unglaubliche Heldenthat ist in Paris von einem Kinde von zehn Jahren vollbracht worden; dasselbe hat fünf jungen Leuten das Leben gerettet. Diese hatten sich in ein Boot gesetzt und aufs Wasser hinaus be­geben, benahmen sich aber so ausgelassen, daß das leichte Fahrzeug umschlug. Keiner von ihnen konnte schwimmen, doch gelang es ihnen sich an das Boot anzuklammern. Sic riefen verzw-ifelt um Hilfe und wurden von einem kleinei Knaben, Josef Hammon, gehört, der gerad, am Ufer spielte. Statt Beistand herbeizi holen, der wahrscheinlich zu spät gekommei wäre, machte das Kind eines der vorhandenen Boote los und es ge­lang ihm wirklich, bis zu dem Platz, wo d<r Unfall stattgefund' n, hinzurudern. Hier em­pfahl «r den jungen Leuten, sich ganz ruhig zu verhalten, worauf er mit größter Mühe einen nach dem andern in sein Boot zog. Der Polizeipräfekt ist angegangen worden, dem kleinen Hammon eine Belohnung zu erteilen, die dieser wahrscheinlich verdient; denn er bewies einen Mut und eine Kalt­blütigkeit, wie sie in seinem Alter nicht häufig Vorkommen dürften.

Die jüngste Sängerin. Nordamerika kann sich seit einigen Wochen rühmen, im Besitze der ollerjüngsten Sängerin zu sein. Es ist kaum glaublich, es wird aber dennoch als Thatsache berichtet, daß sich als aller- neuestes Wunder in den Vereinigten Staa­ten ein 2 Jahre altes Kind als Sänge­rin produciert und enthustiasttschen Beifall findet. Die kleine Mildred Estelle Beyer ist weder in die Geheimnisse des Alphabets eingedrungen, noch vermag sie eine Gesangs­note von der andern zu unterscheiden. Aber sie lhut sich durch ein fabelhaftes Gehör und ein sehr wohlklingendes Sümmchen hervor. Dabei spricht sie die Worte deutlich aus und hat schon heute eine ganze Reihe volksthüm- licher 80 NAs" in ihrem Repertoire . . . . Der höchste Grad der Mmschenquälerei l