Im Banne -es Wahns.
Novelle von H. von Limburg.
(Nachdruck verboten.)
4.
Am nächsten Tage schwebte Bertha in duftig elfenbeinfarbener Dinertoilette die Treppe hinab, rin Fliederzweig im Haar und an der Brust war ihr einziger Schmuck; Albrecht atmete beklommen auf, er konnte keinen Blick abwenden von dieser Verführer« ischen Gestalt.
Der Schloßherr schaute finster drein, doch er sagte nichts, sondern legte seiner Gattin stillschweigend den Mantel um und hob sie in den Wagen; noch immer lag schwüle Gewitterluft über diesen drei Menschen. Die Gesellschaft war bereits vollzählig versammelt, als die SchönerbeckS anlang- trn; man umringte die schöne, junge Frau, man schalt, daß sie so spät gekommen, man drängte sich um sie und huldigte ihr wie einer Fürstin.
Lachend und scheinbar arglos wie ein Kind nahm sie Alles hin, aber heute schien eS dem schweigsamen Lieutenant, als suchte ihr Blick ihn ganz allein. Hatte sie doch erst vorhin, ehe sie zur Toilette ging, beinah flüsternd ihm gesagt:
„Wenn Sie mich leiteten, würde ich zum frommen Kinde, aber Niemand versteht mich, und so werde ich trotzig und thue mit Willen daS, was ich nicht soll."
„Da halte sich ein Gefühl des Mitleids in dem ernsten Manne zu regen begonnen, und das Zünglein der Waage senkte sich leise zu Berthas Gunsten.
Armer Rudolph von Schönerbeck! Er war dem furchtbaren Wahne zum Opfer gefallen, mit einer sehr jugendlichen, sehr schönen und sehr eiteln Frau glücklich werden zu wollen.
Still, bleich, finster ging er umher, ohne zu wissen, was und mit wem er sprach: er sah nur das strahlend liebliche Geschöpf dort mitten unter einer Schaar von Verehrern, und ein eisiges Gefühl schüttelte ihn; sie war ihm verloren, jenes eisige „Nein" klang ihm noch immer in den Ohren.
Als man zur Tafel ging, glitt Bertha an Lichtenau's Arm lachend an ihm vorüber; sie sah ihn nicht, ihre Schleppe streifte seinen Fuß, doch sie, sein Weib, hatte nicht einmal einen kurzen, warmen Blick für ihn, den Gatten.
„Es ist Zeit für mich," murmelte er trübe vor sich hin, und sein Auge umflorte sich, „mag sie glücklich sein, wenn ich nicht mehr bin, aber ich kann sie nicht aufgeben — ich liebe sie noch immer gleich innig und treu."
Nach Schluß des Diners ward, unter lautem Beifall der jüngeren Gesellschaft, ein Tänzchen begonnen und Bertha schwebte graciös wie eine Fee als Erste durch den Saal, natürlich am Arme Lichtenau's, ihres Tischhrrrn, dessen Antlitz in Triuwph erstrahlte. Wie viele mochten ihn beneiden um den Vorzug, die Ballkönigin zu geleiten!
In einer entfernten Fensternische stand mit verschränkten Armen Lieutenant von Schönerbeck und schaute finster in das buntbewegte Gewühl im Saale; ein Sturm von Gedanken brauste durch sein Hirn, alle düster und unheilvoll, kein einziger licht und persöhnlich. Da plötzlich legte eine Hand sich
kalt und schwer auf seine Schulter, de« Onkels gefurchtes, aschblriches Antlitz bog sich nieder zu ihm, und er murmelte mit hohler Stimme:
„Du stehst nur sie, — Bertha, und ich weiß, daß auch Du —"
„Onkel," unterbrach ihn rauh abwehrend der Neffe, „kein Wort weiter! Bin ich irgend wie zu weit gegangen?"
„Nein, wehrte der alte Mann schmerzlich, „das nicht, aber tief in der Seele drin empfindest Du das Gefühl, jenes Weib sei die Schönste und — Du würdest sie Dein zu nennen streben, wenn nicht Pflicht und Ehre dazwischen stünden. Du kannst nicht ankämpfen dagegen, trotzdem Du genau weißt, sie ist Deiner nicht wert! Oder kannst Du zu dem Allen nein sagen?"
Albrecht schaute zu dem Onkel auf und seufzte dumpf, aber es war rin offener Blick.
„Ich erkenne die Versuchung," nickte er tonlos, „und ich bin Mann genug, um sie zu fliehen. Denke nicht geringer deshalb von mir, Onkel."
„Nein, nein, Neffe," und ein warmer Händedruck des Aelteren war die Antwort, „noch aber brauche ich Dich und Deine Hülfe. Sieh dort hin."
Auf Lichtenau's Arm gelehnt schritt Bertha heran, Schönerbeck ballte die Hand, dann zog er mit einem raschen Griff die Gardinen vor und das Paar machte gerade vor dem Fenster Halt.
„Still, Lichtenau, Sie dürfen so nicht zu mir reden — ich bin eine verheiratete Frau,"
„Ah bah, und wenn Ihr Gemahl in diesem Augenblick vor mir stände, würde ich cs ihm ohne Zögern bekennen."
„Haha, und was denn, mein Freund?"
„Daß ich Sie liebe, Bertha, bis zum Wahnsinn, mehr nicht."
Die Gardine flog zurück, todenbleich, hochaufgerichtet stand Herr von Schönerbeck vor dem entsetzten Paare; eine lange, dumpfe Pause, dann hob der alte Mann die Faust und schlug den Gegner zu Boden. Lautlos, ohne sich rechts oder links zu wenden, ohne sich umzusehen nach dem, was hinter ihm vorging, schritt er hinaus und die Treppen hinab. Sein Neffe folgte ihm auf dem Fuße, nachdem er bemerkt, daß Lichtenau den Kopf emporrichtete, also nicht getötet war.
Als unten die maienwarme Nachiluft den unglücklichen Greis umfing, da kam erst wieder Leben und Bewegung in ihn, er taumelte und wäre gefallen, wenn nicht der Lieutenant ihn gestutzt hätte.
„Onkel, mein armer, teurer Onkel, komme zu Dir, ich bin hier. Komm, wir setzen uns auf eine Bank und überlegen, was nun folgen kann."
«Ich schieße ihn nieder," murmelte der alte Mann mit klangloser Stimme, „sobald er mich fordern wird."
„Darauf darfst Du nicht warten; ich wrrde noch in dieser Stunde zu dem Ehrlosen gehen und ihm Deine Forderung überbringen."
„Und ich — Will daheim meinen letzten Willen aufsetzen. O Gott, mein armes Kind, meine kleine süße Hertha."
„Gott wird sie behüten und dann — Du kannst ja auch selbst den tötlichen Schuß thun?"
„Albrecht, willst Du mir diese letzte Sorge
von der Seele nehmen? Willst Du ihr Vormund sein?"
»Ja, Onkel, ich will es, und Gott helfe mir, daß ich meine Pflichten gewissenhaft erfülle."
Sie ließen den Wagen Vorfahren, und als der Lieutenant seinem Onkel hineingeholfen, ging er wieder zurück, um Herrn Lichtenau aufzusuchen.
Er fand ihn in einem Nebenzimmer des Saales, umgeben von einer Gruppe teilnehmend untereinander schwatzender Damen, in einem Lehnstuhle sitzend, den Kopf in die Hand gestützt. Frau von Schönerbeck war nirgends zu sehen. Der ernste Lieutenant ging geradewegs auf ihn zu.
„Sie werden sich nicht wundern, mein Herr, wenn ich Ihnen eine Forderung von Herrn von Schönerbeck überbriuge," begann er, nachdem die anwesenden Damen auf einige Worte seinerseits hin das Gemach verlassen hatten, „er ist durch Sie tief in seiner Ehre verletzt und gekränkt und stellt die schärfsten Bedingungen."
„Wie kommt Herr von Schönerbeck dazu, mich im offenen Saale wie einen — Schuljungen zu behandeln ?" schrie Lichtenau, blaurot vor Wut, „ich stand im Begriff, mich mit ihm zu schlagen."
„Weil Sie sich wie ein Bube benommen haben, Herr, ich war Zeuge der vorangegangenen Unterhaltung von Ihnen mit einer Dame."
„Hm, wenn die Letztere mich nicht zurückwies, so ist dies doch ein Zeichen, daß mein Benehmen nichts Unpassendes enthielt I"
Man macht verheirateten Frauen keine Liebeserklärung, wenn man ein Ehrenmann ist."
„Herr I" fuhr Lichtenau empor, „kein Wort mehr."
„Nein, denn sonst müßte ich mich ebenfalls mit Ihnen schießen —.*
(Fortsetzung folgt^)
Verschiedenes.
— Der König von Italien ist in der Lebensversicherung am höchsten unter allen Versicherten der Welt. Sein Leben ist mit einer Summe von 30 Millionen Mark versichert. Ihm dürfte dann die Königin von England nahe kommen, und dieser ihr Sohn, der Prinz von Wales, der sich auf zwölf Millionen versichert hat. Die Police des Zaren lautet auf 10 Millionen; er ließ sich bet der Geburt seiner Tochter versichern. Prinz Heinrich von Preußen that das Gleiche, che er Kiel verließ, um nach Kiautichou zu gehen. Seine Versicherung beträgt drei Millionen 600 000 Mark. Von Privatpersonen am höchsten versichert dürfte der englische Baron Rotschild sein; er hat seine Prämien an fast alle größeren englischen Versicherungsgesellschaften zu zahlen, die sich in das Geschäft geteilt haben; die Höhe der Versicherung beläuft sich im ganzen auf gegen eine Viertel Million Pfund Sterling, also 5 Millionen Mark. Danach kommt der amerikanische Krösus Vanderbilt, der sich auf vier Millionen versichern ließ, ehe er seine Weltreise anlrat.
.'.(Deutlich.) Wirt: „Mein Wein scheint Ihnen nicht zu schmecken. War vielleicht die Flasche nicht luftdicht verschlossen?" — Gast: „DaS schon, aber mir scheint nicht ganz Wasserdicht!"
Ardakiton, Druck und Verlag von Beruh. H » smaun in Wildbad.