Durch Kamps zum Glück.
Roman von I. Pia.
(Nachdruck verboten.)
14 .
Trotz des dichten blonden Vollbartes hatte Rosa in ihm doch auf den ersten Blick den geheimnisvollen Fremden erkannt, der sie seit längerer Zeit verfolgte. Doch ihre ganze Kraft zusammennehmend erwiderte sie ruhig seinen Gruß. In ihrem Innern aber tobte ein wilder Sturm, daß sie kaum hörte, was er zu ihr sprach, bis er plötzlich meinte: „Finden Sie es nicht lästig heiß hier? Ich glaube, wir thuen gut, uns in ein ander Nebenzimmer zurückzuziehen."
Fast willenlos folgte sie ihm aus dem Salon in ein kleines, kühles, lauschiges Seitengemach. Erst als sie sich hier in einem der Damastfauteuil niedergelassen hatte, machte sie die sehr unangenehme Entdeckung, daß sie sich mit ihrem Begleiter allein befand.
„Ich denke, Sie erinnern sich meiner?" Hub dieser nunmehr in völlig verändertem, völlig ungezwungenem, fast dreisten Tone an.
„In der That nicht," stammelte Rosa mit bebenden Lippen, den Blick zu Bode» gesenkt.
„Sie scheinen ein sehr kurzes Gedächtnis zu haben; glaube ich doch nicht, daß ich mich sehr verändert habe, seit ich das Vergnügen hatte, Ihnen im Dorneck'schen Gehölz zu begegnen. — Erinnern Sie sich meiner nun?" setzte er mit Nachdruck hinzu.
„Ja," gab Rosa widerwillig zu.
„So werden Sie sich auch entsinnen, daß ich Ihnen damals sagte, ich würde binnen kurzem wiederkommen, um mir Ihre Antwort auf eine da an Sie gerichtete Frage zu holen, ich bin jetzt deshalb hier."
ES folgte eine mehrere Sekunden lange Pause, während welcher Rosa vergebens bemüht war, etwas zu erwidern.
„Thöricht genug von mir," fuhr der seltsame Mensch fort, „daß ick, mit einem Nebenbuhler wie der junge Dorneck, noch versuche, Sie durch freundliche Worte für mich zu gewinnen. An dem Blick Ihrer Augen sehe ich, daß ich auf diese Weise nichts erreiche. Und doch bin ich fest entschlossen, Sie zu meiner Frau zu machen. Ich besitze dazu die Einwilligung Ihrer Tante, dem einzigen Menschen auf der Welt, der Autorität über Sie hat. Außerdem hat sie mir auch noch einen Brief an den alten Herrn von Dorneck mitgegeben, Sie augenblicklich nach Eebendorf zurückzuschicken, da ihr zu Ohren gekommen sei, daß Sie hier im Dorneck'schen Hause nicht gut thätrn. Dann habe ich auch noch einen Brief für den jungen Herrn von Dorncck, der zwar nicht an diesen gerichtet ist, ihm aber ein wenig über seine Geliebte die Augen öffnen soll. — Ob cS ihm sehr erfreulich sein wird, wenn er erfährt, daß sie vor wenigen Monaten nahe am Verhungern war, daß ihr Vater ein Trunkenbold war, der sich nicht um sie kümmerte und daß ein gewisser Anderer sein guter Freund Karsten ist. Eine bitter Pille sür den eitlen Herrn Richard, wenn er entdeckt, daß er sich um eines Mädchens willen ruiniert, das Jener von sich gestoßen hat? Und erfährt er nun gar, daß diese Zwei ihn haben glauben machen, sie kennen einander nicht, und sich inS Fäustchen lachen, während er den galanten Liebhaber spielt!"
„Hier habe ich ein Briefchen, aus dem ihm alles klar werden soll, und sollte ich auch damit noch nichts erreichen, so brauche ich nur ein paar Worte hinzuzufügen, — die genügen. Ihnen so lange es mir beliebt, ein anständiges Unterkommen zu versagen, ja die es Ihnen schwer machen sollen, Ihren Lebensunterhalt auf rechtschaffene Weise zu verdienen."!
„Ich sage Ihnen das Alles nur, um Ihnen zu zeigen, daß ich Sie in der Hand habe, und meine Macht gebrauchen werde, wenn Sie mich dazu zwingen; andernfalls aber verspreche ich, Sie als meine Frau gut und freundlich zu behandeln, Sie sollen das nötige Geld und volle Freiheit haben. So? Sie schaudern? Nun, thun Sie, was Ihnen beliebt, doch was gesagt ist, bleibt gesagt."
Während der Sprechende mit dem Rücken nach der Thüre saß, Halle Rosa dieselbe im Ange; und gerade in diesem Augenblick, wo der angebliche Baron Hoßfeld schwieg, sah sie Karsten an dem Zimmer vorübergehen, ein flehender Blick aus ihren Augen, und er war an ihrer Seite.
„Frau von Dorneck wünscht Sie zu sprechen," sagte er aufs Geratewohl und reichte Rosa den Arm.
„Ich sehe Sie heute Abend noch, Fräulein Waldenau," sprach der rätselhafte Baron, als jene Zwei das Zimmer verließen.
Schweigend kreuzten sie den Corridor, erst als sie den Wintergarten erreicht halten, Hub Karsten in innigem Tone an:
„Rosa, ich sehe, daß Sie Kummer, schweren Kummer haben, — wollen Sie mir nicht vertrauen, daß ich Ihnen helfen kann ?"
„Jo, ich habe schweren Kummer," erwiderte sie mit abgewandtem Gesicht, indem sie seinen Arm los ließ, aber helfen können Sie mir nicht."
„Ich kann mich nicht in Ihr Vertrauen drängen," versetzte Karsten wehmütig, „trotzdem aber werde ich es mir zur Pflicht machen, denn ich weiß, daß Sie keinen, nicht einen Freund hier haben, der —"
„Ah, finde ich Sie endlich hier, Karsten," erklang da plötzlich Richard von Dornecks Stimme. „Eilen Sie, Ihre holde Schöne schmachtet nach Ihnen I Ich suchte Sie durch allerhand schöne Redensarten zu trösten, ich gab ihr die Versicherung, daß nun die Eifersucht auf Bellot Sic fern Von ihrer Seite halte, abe»- — sic glaubte mir nicht!"
Karsten biß sich auf die Lippen und ent fernte sich ohne ein weiteres Wort.
15 .
Frau von Dvrneck, stolz auf die Liebenswürdigkeit, mit welcher Baron Hoßfeld sie auf dem Ehrenfeld'schen Balle ganz besonders ausgezeichnet hatte, stellte diesem von diesem ersten Zusammentreffen an ihr gastfreies Haus zur Verfügung, von welcher Erlaubnis der Baron einen möglichst ausgedehnten Gebrauch machte. Er kam oft, brachte ganze Stunden am Spieltische der Frau von Dorneck zu, denn die Dame war eine eifrige Whistspielerin, wobei ihm das Glück ganz auffallend günstig war, und suchte sich der Herrin des Hauses in jeder Weise liebenswürdig zu zeigen, dabei versäumte er aber nicht, jede Gclegenhit zu ergreifen, sich Rosa zu nähern, das aber wollte ihm nicht gelingen, immer kam Karsten ihm in den Weg, der, sobald er sich in eine Unterhalt
ung mit Rosa cinließ, gleich einer plötzlichen Erscheinung neben ihm stand.
Eines Tages überreichte der Baron bei seinem Besuche Rosa ein duftendes Veilcheu- bouquet, das diese mit finster zusammengezogener Stirn und kaum einem Worte des Dankes entgegennahm.
„Sie ließen eben dieses Briefchen aus dem Strauße fallen," klang da plötzlich Karstens Stimme a» ihr Ohr, während Rosa, düster vor sich hinbrütend, noch auf derselben Stelle stand, auf welcher der Baron sie verlassen hatte.
Heftig zusammenzuckend streckte sie bebend die Hand nach dem Briefchen aus.
„Eine Frage, Rosa," fuhr Karsten fort, „wünschen Sie diesen lästige» Baron loS zu sein? — ein Wort genügt, und er ist morgen aus dieser Gegend."
„Aber er würde sich an mir rächen," sagte Rosa besorgt.
„Das müssen freilich Sie wissen, ob er Sie so in Händen hat, daß er dies vermag," sagte Karsten fast bitter.
„O nein, entgegnete Rosa, „aber ich fürchte diesen Menschen, ohne recht zu wissen, warum?"
„Ich werde sorgen, daß er Sie fernerhin nicht mehr belästigt."!
Und Karsten hielt Wort.
Baron Hoßfeld ließ sich im Dorneck'schen Hause nicht wieder blicken.
Er kam am nächsten Tage nicht, wie er versprochen, es verging ein zweiter, ein dritter Tag, bis endlich nach fast einer Woche ein Polizeibericht in der Zeitung Aufklärung über das plötzliche Fernbleiben des Barons brachte und die Gemüter auf Schloß Dorneck in nicht geringe Aufregung versetzte.
„Schon seit längerer Zeit," lautete der Bericht, „sind wir einem Hochstabler ^erster Größe auf der Spur. Leider mußten wir Vieser Tage die Entdeckung machen, daß uns der Vogel im letzten Moment durch die Finger geschlüpft ist. ES handelt sich um einen Manu, der sich seit Kurzem unter falschem Namen, auch unter dem eines Baron Hoßfeld hier in der Stadt aufgehalten und es verstanden hat, sich in den ersten Familien Eintrittt zu verschaffen. In Wahrheit heißt derselbe August Rödel und war in der kleinen Stadt Sebendorf bei einem Advokaten als Schreiber angestellt. Nachdem er sich daselbst schon längere Zeit allerhand Unregelmäßigkeiten hatte zu schulden kommen lassen, unterschlug er seinem Brotherrn eine bedeutende Summe und entzog sich der Bestrafung durch die Flucht.
Verschiedene, offenbar in der Eile hier von ihm zurückgelassene Papiere helfe» hoffentlich zur baldigen Verhaftung dieses Gauners. Aus einem der Vorgefundenen Briefe erhellt, daß er einen Mitwisser haben muß, mit dem er in der Nacht des zehnten Januar offenbar heimlich unsere Stadt verlassen wollte und zwar mittelst eines Wagens, der ihn mit öfterem Wechseln der Pferde aufs schnellste nach der Residenz bringen sollte, von wo er sich mit seiner Begleitung nach Amerika einschiffen wollle.
(Fortsetzung folgt.)
Merks.
Es möchten die Menschen so gern un- ^ entbehrlich sein und verstehen doch so selten, unentbehrlich zu machen.
Redaktion, Druck und Verlag von Bern h. Hosmann in Wildbgd,