Rundschau.
— Seine Majestät der König hat dem Stationskommandanten Jetter in Neuenbürg das Dienstehrenzeichen 2. Klasse verliehen.
Heilbronn, 1. Dez. (Die Heilbronner Wahlunruhen) werden nunmehr wie aus der heute vrröffen». Tagesordnung des Schwurgerichts des IV. Quartals ersichtlich, am 9. Dezember und folgende Tage unter dem Vorsitz des Herrn Landgerichtsdirektors Willich zur Verhandlung kommen. Im ganzen werden sich 23 Personen wegen Aufruhrs u. a. V. zu verantworten haben.
Oehringen, 30. Nov. (Seltenes Jagdstück.) Heule erhielt Herr Präparator Banzcr hier einen Hirschkopf mit sehr interessanter und abnormer Geweihbildung. Der starke Hirsch, ein Viezehnender, wurde am letzten Samstag auf der K. Hofjagd in Bebenhausen geschossen. Die rechte Stange ist normal gewachsen, während die andere kolbenartig über das linke Auge herunterhängt. Der auSgestopfte Kopf wird das Gegenstück zu dem im vorigen Jahre ebenfalls im Schönbuch erlegten sogen. „Kuhhirsch" bilden, welch letzterer Kopf samt Geweih auf der Berliner Geweihausstellung großes Aussehen erregt hat und ebenfalls durch Herrn Banzer präpariert wurde. Beide Köpfe werden eine weitere Zierde der Sammlung im K. Jagdschlösse Bebenhausen bilden.
Trossingen, 30. Nov. Die erste Probefahrt unserer elektrischen Bahn ging heute unter Beteiligung der Bauherrn ».Ingenieure zu größter Zufriedenheit vor sich.
Rottenburg, 1. Dez. (Bischof Dr.Kepp- ler.) In dem letzten von dem Papste abgehaltenen Konsistorium wurde auch der neu, gewählte Bischof Dr. Keppler präkontstert- Die Weihe und Inthronisation des neuen Bischofs soll sicherem Vernehmen zufolge am 15. Januar erfolgen. Der neugewählie Domkapitular Eisenbarth wird die Oberleitung der Kongregation der barmherzigen Schwestern wahrscheinlich noch mehrere Jahre beivehalten und für die internen Angelegenheiten der Kongregation einen Stellvertreter in Untermarchthal erhalten, dem gleichzeitig auch die Pfarrei Schloß Neresheim übertragen werden dürste. Die Installation deS neuen Domkapitulars wird also wohl schon in nächster Zeit erfolgen.
Rottweil, 29. Nov. Bei dem heutigen bedeutenden Langholzverkauf der hies. Stadt- Pflege wurden durchschnittlich 120°>» derRe- vierpreisc erlöst. Den größeren Teil kauften die Firmen Krauth u. Cie., Rehfvtz u. Cie. in Höfen und F. Keppler in Calmbach.
Birkenfeld, 30. Nov. Hr. Lötterle zum Waldhorn hat sein Gasthaus an die Brauerei Wulle in Stuttgart um den Preis von 39 600 ^ verkauft.
Psorheim, 30. Nov. Nach groststädti- schem Muster bürgert es sich auch bei uns ein, die Ausführung von Bauten abends bei elektrischem Lichte fortzusetzen. Beim Neubau des bayerischen Brauhauses an der St. Georgensteige und beim Kanalbau auf dem Lindenplatz wurde und wird noch bei künstlichem Licht gearbeitet. Gegenwärtig fällt den Passanten abends die hellerleuchtete Metzgerstraße auf. Auf dem Seldner'schen Neubau erstrahlen 2 elektrische Bogenlampen, bei deren Schein viele fleißige Hände mit Spaten und Kelle, Stein und Gebälk hantieren. Der Bau soll möglichst vor Eintritt
des Winters unter Dach und Fach gebracht
werden.
Karlsruhe, 29. Nov. Vor einigen Tagen rempelte ein Leibgrenadier abends seinen Oberstlieutnant an. Der Soldat gab auf Anfrage des Vorgesetzten einen fatscben Namen an. Der Oberst ließ am andern Tag das Regiment antreten, wobei sich jedoch der Thäter nicht meldete. Hierauf wurde dem Regiment angekündigt, daß kein Mann Weihnachtsurlaub erhalte, wenn der Schuldige nicht ermittelt werde. Der Retter erschien dem Regiment in Gestalt einer Küchentce. Diese hatte gleich anderen Dienstmädchen, in deren Kreisen die Affäre natürlich eine vuuss oslödrs bildete, davon gehört und wollte Gewißheit darüber haben, ob ihr „Schatz", der sich ihr ebenfalls unter dem Namen „Zimmermann" vorgestellt hatte, mit dem gesuchten Missethätcr identisch sei. Sic schrieb deshalb an das Regiment einen entsprechenden Brief und legte das Konterfei ihres Geliebten Zimmermann bei, in der der Feldwebel alsbald einen Grenadier namens „Schweizer" erkannte. Der Soldat wurde zu einer empfindlichen Arreststrafe (7 Tag- Strengen) verurteilt.
Karlsruhe, 30. Nov. Dekan und geistlicher Rat Venz ist heute abend gegen 6 Uhr plötzlich infolge eines Herzschlags gestorben. 2 Stunden vorher nahm der hochwürdige Herr, der sich bei sehr guter Laune befand, noch einen Besuch entgegen.
Frankfurt, 30. Nov. Der Fernsprechverkehr zwischen Frankfurt a. M. und Basel wird am 5. Dezember eröffnet. Die Gebühr für ein gewöhnliches Gespräch (3 Min.) beträgt 2 Mark.
Straßburg i. E , 1. Dez. Der Erdarbeiter Jakob Gier wurde von dem hiesigen Schwurgericht zur Todesstrafe, der 20jähr. Erdarbeiter Artz zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. (Gier halte in der Nacht des 27 Juni d. I. vor dem Kronenburger Thor in Straßburg die von einer Hochzeit heimkehrende 19jährige Leonia Laubacher in rötlicher Weise überfallen, gräßlich verstümmelt, beraubt und die Leiche dann in einem Haberfeld verscharrt. Artz spielte den Aufpasser.)
Reichenweier i E-, 29 Nov. Gutsbesitzer Friedrich Bronner vier bat seine beiden Töchter von 14 und 19 Jahren durch Axthiebe im Bette gelötet und sich dann an der Haustreppe erhängt. Bronner litt seit längerer Zeit an Nervenüberreizung. Der Doppel- und Selbstmord wurde heute nachmittag halb 4 Uhr durch einen Reisenden, der mit Bronner Geschäfte machen wollte, aufgedeckt. Die Tragödie selbst dürste sich aber schon in der Nacht vom Sonntag aus Montag zugetragen haben. Bronner war Witwer und lebte in guten Vcrmögensver- hältnissen. Die That ist jedenfalls in einem Anfall von Geistesgestörtheit ausgeführt worden. Bronner war während de« laufenden Jahres längere Zeit in einer Nervenklinik in Straßburg. Die zwei überlebenden Söhne von 17 und 20 Jahren wohnen in Kolmar.
— Der Hauptgewinn der Wohlfahrts- Lotterie im Betrage von 100 000 ^ fiel am Mittwoch auf die Nummer 366 060, Ein Gewinn von 50 000 ^ fiel auf die Nr. 150 555.
Berlin, 1. Dez. Der „Lokal-Auzeiger- meldet aus Glauchen: Der Feldwebel Bose des Infanterie-Regiments Nr. 133 wurde mit durchschnittenem Halse auf dem Zait-
heimer Schießplatz oufgefunben. ES ist noch nicht festgestellt, ob ein Verbrechen vorliegt.
— Lehrer und Schiller. Steckbrieflich verfolgt wird, — io ! -n wir in Berliner Blättern — aus F-an «urt a. M. der 26- jährige Piivatiehre, ,iuv Maucer. der dem 16jährigen Sohn Alfred des Gutsbesitzers W o l f s k e h l Unterricht in fremden Sprachen gab, hatte es verstanden, sich die Zuneigung seines Schülers in so hohem Maße zu erringen, d°ß dieser nur das be, folgte, was sein Lehrer ihm sagte. Der Lehrer, der früher ais Siu em ein floles Leben führte, hatte, als er bei dem Gutsbesitzer engagiert wurd>, sein 40,000 Mk. betragendes väterliches Erdteil vergeudet. Um sich nun wieder in de» Besitz von Geldmitteln zu bringen, überredete Maucer seinen Schüler, seinem Vater Geld zu stehlen und sich ferner die Schmuckgegenstände der Schwester und Mutter im Werre von circa 15,000 Mk. anzueignen und dann mir ihm (dem Lehrer) in die weite Welt zu n> e-'d-rn. Der Junge befolgte auch getreulich r Rat, stahl seinem Vater etwa t800 M! deiner Multcr und Schwester die Schmuck chen und suchte mit seinem Lehrer das Weile. Da man vermutet, daß sich Beide uach Berlin gewandt haben, so ist die dortige Kriminalpolizei ersucht worden, dieselben im Betretungöfalle fcstzunchmen.
— Der „gestürzte" Kistenreisende. Die „Neue Fr. Pr." berichtet: In der Nacht zum 30. v. Mts. langte ein in Hohenau aufgegebene, nach Peterburg bestimmte Kiste, auf welcher die Worte: „Nicht stürzen, Metallwaren", standen, in Luudenburg an. Beim Uederladen stellten die Bahnarbeiter die lange Kiste jedoch auf, worauf sotort Hilferufe aus derselben hervordrangen. Die Kiste wurde sogleich geöffnet und es entstieg derselben der Kistenreisende Franz Pe-ter, welcher auf diese Art nach Petersburg reffen wollte. Er halte in der Kiste Proviant und mehrere Flaschen Wein, ferner zwei Fahnen, eine österreichische mit Inschrift: „Hoch Kaiser Franz Joseph I." und eine russische mit den Worten: „Hoch Kaiser Nikolaus II." Durch das Umstürzen der Kiste wu> de der Kfftenreisende sehr verunreinigt. Er iah sich gezwungen, die Heimreise anzutrelen.
Rom, 1 Dezbr. Große Verheerungen richtete der Orkan in Sardinien an. In der Stadt Samasst sind allein 300 Häuser weggeschwemmt, 100 dem Einsturz nahe. Di- Bevölkerung ist an den Bettelstab gebracht. Aus vielen anderen Orten kommen ähnliche Hiobsposten. -
— Ländlich — sittlich. Russische Blätter bringen ein reizendes kautastiches Sittenbild : Der Reservist I. K a s Didube bei Tiflis machte am 3./15. Oktt . mit dem Bauern I. S. einen Vertrag, a f Grund dessen er dem Bauern I. S. sei: - Gattin abtrat und sich verpflichtete, das eheliche Leben des neuen Paares in keiner Weise zu stören; wenn er die letztgenannte Knousel brechen sollte, muß er dem Bauern I. S. umsonst als Knecht dienen. Auf Wunsch des abgetretenen WeibeS, das mit Allem sehr zufrieden war, wurde der Vertrag auf Stempelpapier aufgesetzt. — Daß die Behörden zu diesem gemütlichen Frauentausch Ja und Amen gesagt haben, ist trotz deS Stempe,papiers doch kaum anzunehmen.