Rundschau.
Wangen, 16. Mai. Vorgestern wurden ein Lehrling und zwei jüngere Arbeiter von Jsny hier eingeliefert. Der Lehrling entwendete seinem Prinzipal seit längerer Zeit kleine Beträge aus der Portokasse, bis er endlich einen Griff in die Hauptkasse machte und entdeckt wurde. Er flüchtete sich mit seinen zwei Hehlern ins Gebirge. Hier bewohnten sie eine Sennhütte, wurden aber bald entdeckt. Der junge Dieb gestand, daß er vergangene Fastnacht eine Mark entwendet und die Diebereien immer gesteigert habe. Die gestohlene Summe beträgt gegen 400 ^ — Gestern machten sich drei junge Burschen ein Vergnügen mit Floßfahren auf einem benachbarten Weiher und fielen dabei ins Wasser. Zwei retteten sich mit größter Mühe, während der drille, ein 16jähriger Bursche aus Vogt, O-A. Ravensburg, ertrank.
Tübingen, 18. Mai. lieber die ehemals als „schlafendes Mädchen" bezeichnet kleine Patientin aus Nendingen, welche seit längerer Zeit in der hiesigen medizinischen Klinik behandelt wurde, wird der „Tübinger Chronik" mitgeteilt, daß sie gestern ihrem Vater nach Hause mitgegeben werden konnte. Sie darf als wiedcrhergestellt bezeichnet werden. Körperlich ist sie sehr gut gediehen; nach Aussage deS Vaters hat sie auch vor ihrer Erkrankung nie so kräftig und gesund auSge- sehen. Die nervöse Veranlagung bleibt aberzunächst noch bestehen und Nückialle in früherer oder späterer Zeit sind nicht ausgeschlossen. Der Vater erhielt deshalb den Rat, die Kranke sofort wieder in die Klinik zu bringen, wenn nicht alles gut bleiben sollte.
Ravensburg, 18. Mai. Das gestrige Unwetter richtete in Weingarten und Umgebung in der Richtung aus Eitishofen ziemlich bedeutenden Schaden in den Gärten und auf Feldern an. Hauptsächlich in letzterem Orte waren die Felder von den Schlossen so bedeckt, daß die Gegend einer Winteriandichast glcichsah. In Weingarten schlug der Blitz in den Blitzableiter des allen Kornbauses und sprang dann auf das Buchdrucker KrauS'sche Haus über, ohne aber erheblichen Schaden anzurichten.
Ehingen, 17. Mai. Auf rätselhafte Welse ist die Kasse der Sänger vom hiesigen Cementwerk mit 120 ^ Inhalt verschwunden. Der Verlust ist für die Sangesbrüder um so empfindlicher, wenn man bedenkt, daß die Beiträge in 10 und 20 eingelegt werden. Die Frau des CementarbeiterS Binder hatte dieselbe in Verwahrung und weist über deren Verbleib auch nicht die mindeste Angabe zu machen.
Vom Bodeasee. Im oberen Rheinthal, in Chur und Umgebung, hat es in den letzte» Tagen stark geschneit, und der Schneedruck gefährdet die Odstdüume.
Heidelberg, 19 Mai. Gestern abend ereignete sich auf einem Kellendampser das Unglück, baß ein Maschinist einen Heizer beim Spülen mit einem Gewehr durch einen Schrvlswuß derart verletzte, daß derselbe nach 2 Stunden im Heidelberger Spital starb. Der unglückliche Thäler, der mit dem letzten befreundet war, stellte sich sofort dem Gericht.
Imuau, 17. Mai. Eine ältere Frau von hier war damit beschäftigt, an der Eyach entlang Futter für ihr Vieh zu holen. Während sie das GeaS am Ufer abschmtt, scheint brr durch das RcMsvettcr ausgeweichte Ufer
grund nachgegeben zu haben. Die Frau glitschte aus und verschwand in den zur Zeit hochgehenden Wellen der Eyach. Ihre Leiche konnte gestern abend nicht mehr aufgefunden werden. Heute Vormittag, nachdem man noch eifriger und gründlicher die Nachforschungen fortgesetzt hatte, brachte man den Leichnam ans Land.
— In Deutschland sind zur Zeit nicht weniger als fünf Bischofssitze erledigt, nämlich die BisckofSstühle von Limburg, Kulm, Fulda und Rcttenburg. sowie der Erzdischof- stnhl von Freiburg. Wie eS scheint, besteht noch für kein einziges dieser erledigten geistl. Oberhirtcnämter Aussicht auf Neubesetzung in allernächster Zeit.
— Krasser Aberglaube. Daß in dem sonst so aufgeklärten Fichtelgebirge der Abir- glaube noch unglaubliche Blüten treibt, davon gab am 11. Mai eine Verhandlung der Bayreuther Strafkammer eine drastische Illustration. Zu dem jung verheirateten Schneidermeister Gg> Taubenreuther in Goldberg kam am 30. Dez. v. Zs. eine Zigeunerin und sagte, ihm sei an seinem Hochzeitstage eine Krankheit „angethan" worden, sie wolle eine Probe darauf machen, ob die Krankheit eine Fügung des Himmels oder ein Racheakt der Menschen sei. Es wurde auf ein mit Master gefülltes Töpfchen ein Taschentuch gedeckt und darauf ein Gebetbuch mit einem Rosenkranz gelegt. Während die Zigeunerin allerlei HokuS-PokuS machte, mußten die Taubenreulher'schen Eheleute beten und je dreimal auf das Töpfchen atmen. Bleibe das Wasser rein, so helfe kein Mittet, sei es trübe, so besitze die Gaunerin ein Geheemmittel von ihrem Großvater, das un« sehtbar sei. Als die Eheleute das Töpfchen enthüllten, gewahrten sie zu ihrem Schrecken darin eine kleine, braune, ganz abgezehrte Menschenhand. Die Zigeunerin erklärte nun, das sei das Zeichen des Himmels, daß die Krankheit von Menschenhand „angethan" sei. Jetzt gäbe es nur noch Heilung, wenn man lyr alles im Hause befindliche Baargeld auS- bändige und die Frau das Liebste und Beste hergäde, was sie am Hochzeitssest getragen habe. Taubenreuther gab sein erspartes Geld, -/A 160 in Gold, seine Frau eine silberne Halskette und einen roten Unterrock her. Die Schwindlerin nahm das Geld und die Sachen in Empfang und bemerkte, sie müsse Alles über 77 Kreuzwege tragen und dann einige Zeit vergraben. Nach 4 Wochen käme sie wieder, da müßle der Mann kerngesund sein, bis dahin müßte aber liefstes Stillschweigen beobachtet werden, sonst gelle der ganze „Seelenhandel" nichts. Die Tauben- reuther'schen Eheleute warteten vergeblich auf die Rückkehr der Zigeunerin, außer dem Schaden haben sie auch noch den Spott. Die Zigeunerin wurde wegen Betrugs zu 6 Monaten Gefängnis verurteil«.
— Leichenbestattung im Abgrunde. Ans BrÜNN wird berichlel: Zu der Tiefe deS Abgrundes Mazocha, unweit von Brünn, wurde Sonntag die Bestattung einer Leiche vorge- > vmmen. Vor einigen Wochen hatte sich ein junger Mann in ietdsimörderischer Absicht in den Abgrund gestürzt. Da der Leichnam nicht heraufbesvrdert werden konnte, wurde Sonntag Nachmiltag der Inwohner eines benachbarten Dorfes an einer 86 Klafter langen Doppelleine von 10 Männern mit der nötigen Vorsicht htnabgetasten. Nach 6 Minuten war der Mann in der Tiefe angelangl, band
sich von der Leine loS und erreichte etwa 30 Schritte entfernt, die Stelle, an welcher der Leichnam lag. Dort grub er ein Grab und bestattete den Selbstmörder. Sodann wurde der Mann wieder emporgewunden. Die ganze Prozedur hatte anderthalb Stunden in Anspruch genommen.
— Schullehrer oder Schornsteinfeger? Unlängst war in Pofchiavo, im Kanton Graubünden der Posten des Ortsschornsteinfegers ausgeschrieben. Das Gehalt für dieses Amt beträgt jährlich 800 Franken und steigt später um ein Geringeres. Unter den Bewerbern befinden sich drei Schullehrer benachbarter italienischer Dörfer, die ihre Dienste als Schornsteinfeger anboten. „So ist es also besser, in der Schweiz Schornsteinfeger, als in Jlalien Schulmeister zu sein I" ruft die „Jlalia del Popolo" schmerzlich ans.
Prag, 19. Mai. Heute früh explodierte auf einem Moldaudampfer der Kessel. Ein Kind wurde bis zur Höhe des 2. Stockwerkes eines Hauses emporgeschlcudert und gelötet. Außerdem ivurten bisher 3 Leichen von Verunglückten aufgefunden.
Madrid, 20. Mai. Der „Franks. Z." wird gemeldet: Die glückliche Ankunft der spanischen Flotte in Santiago (Cuba) hob die Stimmung hier ungemein. Gegen Mitternacht teilte der Marilieminister Herrn Sagcrsta und der Königin diese Nachricht mit, die freudig kommentiert wurde. — Die span. Kolonie in Bucnos-Ayres spendete für die National-Subfkription eine zweite Million Franken in Gold.
— Ein Ukas gegen das Korsett. Ein Gegner des Korsetts ist der neue russische Unlerrichlsminister (der amtliche russische Ausdruck lautet: Minister für Volksaufklärung) und frühere Professor der Moskauer Universität Bogoläpow. Er hat soeben eine Verfügung erlassen, nach welcher es den Schülerinnen der höheren Töchterschulen und Mädchengymnasien sowie den weiblichen Zöglingen der Hochschule für Musik und andereKünsle Verboten ist, Korsetts zu tragen.
(Boshaft.) „Gegenwärtig, Herr Kapellmeister, komponiere ich wieder an einer neuen Oper!" — „Geben Sie nur Acht, daß Sie nicht einmal erwischt werden I"
— .Wer vieles bringt, wird jedem etwas bringen I" Dies Sprichwort fällt einem unwillkürlich ein, wenn man das Universalblatt für die Familie „Mode und Haus ' Verlag John Henry Schwerin, Berlin 35, zur Hand nimmt. Wir wollen >n Kürze nur andeutep, was der bewährte Verlag unter obigem treffend gewählten Titel zusammenfaßt, nämlich: Tonangebende Modenzeitung mit Schnittmusterbogcn, illustrierte Handarbeiten Zeitung, Putz und Wäsche, illustriertes Frauen-Zournal, Musikbibliothek, illustrierte Belletristik mit Holzschnitten erster Künstler, illustriertes Witzblatt „Humor", ärztlicher Ratgeber, illustrierte Kinderwelt, moderne Kunstarbeiten, Rätselsport, jur. Ratgeber, Roman.Zeitung „Aus besten Federn". Dies sind nur einzelne Schlagworte aus der erstaunlichen Stofffülle, trotzdem kostet „Mode und Haus' vierteljährlich nur./L 1; mu Modencotorits, Mufterlrifuren und Roman- beilage „Aus besten Federn", ^ 1,25 Abon- nemenlS auf „Mode Und Haus" durchsämt- liche Buchhandlungen und Postanstalten. Tratisprobcnummern durch crstere und den Verlag John Henry Schwerin, Berlin 35, Stktzlitzttstr. 11,