Die Beisetzung des fl Bischofs vr. Wilhelm v. Reiser.
Nottenbmg a N-, 16. Mai. Ein größeres und imposanteres Leichenbegängnis hat die Bischofstadt niemals gesehen als das heutige, des fl Bischofs Wilhelm v. Reiser. Schon in oller Frühe drängten sich in der Stadt Landleute, Geistliche und Würdenträger aller Art und jeder Bahnzug brachte noch neue Gäste. Zuerst wurde das Totenofstzium von mehreren Hundert Geistlichen gebetet, darauf folgte das Pontifikalrequiem, zelebriert von Bischof Hasfner-Mainz. Die Leichenrede hielt Domkapitular Dr. v. Linsenmann, ein Freund und Studiengenosse des Verblichenen, die allgemeine tiefe Rührung erweckte. Unser Bistum sei in große Trauer gekommen und schwer laste die Totenfeier des geschiedenen Oberhirten auf den Gemütern der Diözesanen. In der besten Kraft, draußen in der Fremde, da hat der unerbittliche Tod unfern geliebten Bischof hinweggerraffk. Redner gab einen kurzen Lcbensabriß des Dahingegangenen. Mit Wehmut Und Schmerz gedachte er der Tugenden und schätzenswerten Eigenschaften des Verblichenen. Derselbe habe seine ganze Diözese genau gekannt, sei mit jedem Priester vertraut gewesen. Sein schönes Auge, sein liebenswürdiger Blick habe jecem wohl ge- than und bei jedem Vertrauen erweckt. Der Verewigte habe sich stets ausgezeichnet durch tiefes theologisches Wissen, namentlich durch das Studium der hl. Schrift. Ebenso sicher und vertraut sei er gewesen in dem Gebiete der Kunst und des Kultus. Eine schöne Zierde habe ihm verliehen seine tiefe Bescheidenheit. Er wollte nicht glänzen nach außen, sondern er fand seine volle Befriedigung in der treuen Berufsersüllung und in dem redlichen Wirken für die Veredlung des inneren Menschen. Wie vieles habe er ge- than für die Schulen, die Bildungsanstalten, dieKongregalionen.dieWohlthäiigktttsanstalien. Ueberall war seine Hand und seine Hilfe. Zur Restaurierung der Sülcher Gottesacker- kirche und der beliebten Wallfahrtskirche Weggenthal hat der Verewigte am meisten gethan. Er gab uns ein schönes Beispiel zur Arbeitsamkeit und treuer Pflichterfüllung. Er scheute vor keiner Sorge und Mühe zurück und trug mit Geduld die Last und die Bürde seines sorgenschweren Amtes. Sein unerwarteter Tod ist für die ganze Diözese eine Harle Heimsuchung; doch der Herr hat es gethan und er wird in unsere Trauer auch wieder Trost schicken. Schmerzlich ist sein Tod für uns; aber ein schöner für ihn. Durch seine ruhige, weise und klare Anschauung hat er überall Lobsprüche und Anerkennung gefunden, sich aufrichtige Freunde erworben und Verdienste gesammelt. Wir wollen ihn stets im Andenken behalten und seinem Beispiele Nachfolgen. Und nun laßt uns dem teuren Hingeschiedenen das letzte Geleite zu seiner Ruhestätte geben. Lebe wohl, teurer Freund! Du bist uns voran- gcgangen. Wir wollen dir Nachfolgen mit der Gnade Gottes, damit unser Ende dem deinigen gleiche. Amen. Manche Thräne rollte bei diesem rührenden Abschiede Über die Wangen des Redmrs und der Zuhörer und die ganze Tramrversammlung konnte ein ergreifendes, lautes Schluchzen nicht mehr unterdrücken. Gegen 10 Uhr setzte sich der Leichenkondukt zur Sülchenkirche in folgender Ordnung in Bewegung: Voran die Schul kinder, Latein-, Realschule und Mariimhaus;
die hiesigen Vereine mit ihren Fahnen und Standarten, 4 Vereine von Stuttgart (Arbeiterverein , Gesellenvereins, Lehriingsverein und Marianische Kongregation). Ich zählte im ganzen 20 Vereine mit Fahnen, darunter 3 Studentenkorporationen in vollem Wichs mit Fahnen. Auf beiden Seiten bildete die Bürgcrwachc und die Feuerwehr Spalier. Nach den Vereinen folgten die Zöglinge des Konvikts, dann die Seminaristen in Chorrock, gegen 130 Landgeistliche in Chorrock, KonvikiSvorsteher und Repetenten, Geistliche von St. Moritz, Seminarvorständ-, 5 Paters, Domkapitelskreuz, Domkapitulare von Roiten- bmg und Freiburg, 2 Seminaristen mit bischöflichen Insignien und den 5 Ordenszeichen, 2 Dompräbendare mit Insul und Bischofstab. Darauf kam der schmucklose Sarg in reich verziertem Totenwagcn, letzterer bespannt mit 4 Pferden in Trauergeschirr. Zu beiden Seiten des Trauerwagens halten sich die Sladträtc ausgestellt, welche zugleich die Beförderung des Sarges in den Wagen und aus dem Wagen besorgten.
Hinter dem Leichenwagen gingen der funktionierende Bischof Haffner und die leit- tragcnven Vcrwandien des fl Bischofs. Hierauf in glänzender Reihenfolge als Vertreter Sr. M> des Königs Oberstkammrrherr v. Neurath, als Vertreter I. M. der Königin Baron v. Raßler, als Vertreter des Herzogs Albrecht dessen Adjutant Graf Degenseid, als Vertreter des Herzogs von Urach Kammerherr v. Salviati, Fürst Karl von Urach. Kultusminister Or. v. Sarwey mit dem Direktor des katholischen KirchenratS, v. Hefele, die katholische Fakultät Tübingen mit Professor vr. v. Funck, der Bischof von Augsburg , die Kammerpräsidenten Fürst Zeit und Payer, die Vizepräsidenten Graf Rech- berg und Or. Kiene mit zahlreich.» Mitgliedern beider. Kammern, darunter Gröber, Fürst HohenloheBarlenstein, Fürst Wald- burgWolfegg u. s. w., hohe evangelische Geistlichkeit, dann ca. 80 Geistliche in bürgerlicher Kleidung, Beamte der bischöflichen Kanzlei, bürgerliche Kollegien, weitere männliche Leichenbegleitung, weiblicheLeidlragende, barmherzige Schwestern, weilere weibliche Leichen- beglcitung. Die Witterung hatte sich sehr günstig gezeigt. Der Leichenzug hat doppelt von der Stadt zur Sülchenkirche gereicht und mag eine Strecke Weges in der Ausdehnung von Stunden eingenommen haben.
Die Beisetzung der Leiche in die Gruft innerhalb dcr Kirche und die Einsegnung nahm etwa Stunde in Anspruch und endigte mit einem erhebenden Trauergcsang, vorgetragen durch die Seminaristen. Nach der Begräbnisfeier besuchten noch die meisten Anwesenden die unterirdische Gruft und nahmen mit wehmütigem Herzen Abschied von ihiem geliebten Oberhirten. (Schw. B.)
Rundschau.
Stuttgart, 14. Mai. Mit neuestem Erlaß beauftragt das Ministerium des Innern die Kgl. Oberämter und die OrtSvorsteher, auch in diesem Jahr de» Landwirten dringend anzuraten, von der ihnen durch die staatliche Hiiseleistung wesentlich erlkichterien Versicherung gegen Hagelschaden bei der Norddeutschen Hagelverstcherungsgesellschafi Gebrauch zu machen. — Das entsetzliche Unglück des vollsten JahreS im Hohenlohischen dürfte jedem G undbesttzer eine ernste Mahnung sein. — Gleichzeitig sind für die Hagei
statistik, deren bisherige Art der Führung sich als nicht zureichend erwiesen, neue Bestimmungen getroffen worden.
Stuttgart, 15. Mai. Die allgemeine Hundeausstellung in Stuttgart am 25. bis 27. Juni verspricht großartig beschickt zu werden- Viele Vereine und Liebhaber haben bereits wertvolle Ehrenpreise, auch Geldbeträge bis zu 50 ^ gestiftet. Am besten mit Ehrenpreiefen bedacht sind bisher Bernhardiner, Doggen, Dachshunde, Collies und deutschrauhaarige Pintscher und unsere neuerdings so stark aufgekommencn und von Liebhabern gesuchten Schnauzer. Das preußische Landwirtfchaflsministerium hat wertvolle Züch- termedaillen zugesagt.
Ludwlgsburg, 16. Mai. (Desertiert.) Gestern nachmittag wurde in den Königlichen Anlagen hier eine Infanterie-Uniform mit Seitengewehr aufgefunden. Die Kleidungsstücke sind dort von einem seinerzeit als Heeresunfichcrer bet Infanterie-Regiment Ali- Würitemderg eingestellten Musketier nieder- gelegl worden. Derselbe hatte sich mit Zivil- kleidcrn versehen und alsdann das Weite gesucht.
Heilbroun, 13. Mai. Vom Bund dcr Landwirte war an die deutsche Partei die Aufforderung gerichtet worden, mit ihm gemeinsam Oberbürgermeister Hegelmaier als Kandidaten des 3. Ueichstagswahlkreises auf- zustellen. In der heutigen sehr stark besuchten Vollversammlung der Partei wurde nun eine Antwort beschlossen, in der es heißt, daß die deutsche Partei, nachdem Oberbürgirm. Hegelmanr in wirtschaftlichen Fragen eine befriedigende Erklärung abgegeben habe, süc den Fall, baß er als Kandidat aufrecht erhalten werde, auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten verzichte, um eine Zersplitterung der nationalen Stimmen zu vermeiden.
Großsachscnheim, 15. Mai. Gestern abend halb 6 Uhr wurde hier eine alle Frau, welche Holz trug, von einem vom Dache stürzenden Balken getrosten, so daß sie das Gentck brach und bald darauf verschied.
Mergentheim, 18. Mai. Als Nachfolger des ReichStagsprästdenten v. Buol wird nach zuverlässiger Quelle LandgerichlS-Direktor Zehnter von Mannheim genannt.
Reutlingen, l6. Mai. In der Nähe von Oberhausen wurde von den Steinbruch- besitzern Gebrüder Slaiger eine prachtvolle Tuffsteinhöhle entdeckt. Dieselbe ist circa 18 Meter breit und 4 Meter hoch und weist sehr schöne Gebilde auf.
Tuttlingen, 15. Mai. Gestern nachmittag 3 Uhr fiel das 3jährige Knäblein des Schuhmachers Bach beim Schmckenburger- platz in die Donau und ertrank.
Ulm, 15. Mai. Die Parade, die der König g'stern über die hiesigen Württemberg. Truppen abnohm, verlies bei herrlichstem Wetter zu vollster Zufriedenheit. Wie im vorigen Jahre wurde auch Heuer der imposante Saalbau als königliches Absteigequartier gewählt, wo um 1 Uhr Paravefrühstück zu 120 Gedecken stattfand. Bei Oberbürger» meist-r Wagner erkundigte sich der König eingehend nach dem Sland der EntfestigungS- frage und nach den Arbeiterwohnhäufern, deren Besichtigung für den nächsten Besuch in Aussicht gestellt wurde Ei» kleiner Zwischenfall ereignete sich auf dem Rückweg vom Paradeplatz zur Stadt dadurch, baß beim Museum vie Pferde vor einem Straßenbahnwagen scheuten, so daß der König anö-