Rundschau.
Stuttgart, 28. April. Nachdem durch die kaiserliche Verordnung vom 22. d. M. die Vornahme der neuen Wahlen zum Reichstag auf Donnerstag den 16. Juni 1898 an- beraumt worden ist, wird laut „St.-Anz." verfügt, daß die öffentliche Auslegung der Wählerlisten in sämtlichen Gemeinden des Königreichs am Samstag den 14. Mai 1898 zu beginnen hat.
— Nach dem württembergischen Saaten- standesbericht sind die Wintersaaten zwar wenig dicht aber kräftig. Die Frühjahrsbestellung hat unter naßkaltem Wetter gelitten, doch gehen die Sommerfrüchtc schön auf. Die Futteraussichten sind gut, die Obstaus- sichten fast überall recht günstig.
Höpfigheim, 28. April. (Unfall.) Der ledige Veteran Bäckermeister Franz Wagner von hier, verunglückte letzten Montag auf bedauerliche Weise. Als derselbe über Len kleinen Bachsteg schreiten wollte, fiel er wahrscheinlich infolge einer Schwäche oder eines Schlaganfalles, ins Wasser und ertrank. Der Verunglückte machte die Feldzüge 1866 und 1870 mit. Bei der Beerdigung gaben ihm heule die Kriegervereinc von Murr, Ott- maröheim, Pleidelsheim und Steinheim die letzte Ehre.
Eßlingen, 29. April. Fr. Deffner. Besitzer des Württembergischen Hofs hier, eines der tn-slrenomiertesten und weitbekanntesten, hatte vor einigen Tagen das Unglück, in seiner Wirtschaft von der ersten Sprosse einer Leiter herabzufallen und sich den Fuß auf gefährliche Weise zu brechen. Er begab sich sofort ins Kaiharinenhosptlal nach Stuttgart, wo ihm der Fuß amputiert werden mußte. Trotz aller ärztlichen Hilfe erlag derselbe heute seinen Schmerzen. Große Teilnahme wendet sich der Familie zu.
Reutlingen, 25. April. Die Hantelö- und Gewerbekammer hatte sich auf Anregung der K. Zentralstelle in einer heute stati- gefundenen Sitzung u. a. über die Frage einer Umprägung der Frage einer Umprägung de, j-lbernen 20-Pf.-Slücke gutachtlich zu äußern und kam nach eingehender Besprechung der Für und Wider zu der Ansicht, zunächst, daß den silbernen vor den aus Nickel geprägten Stücken der Vorzug gebühre, daß jedoch eine Umprägung der elfteren und zwar u, der Größe eines Einpfennigstückes und mit gerilltem Rande zu empfehlen sei.
Reutlingen, 29. April. Lei dir gestern stattgehablen Stadlschultheißenwahl wurden 1959 Stimmen abgegeben. Davon erhielt Amtmann Hepp 1024 Stimmen, Rechtsanwalt Knapp 890, Amtmann Weber 22, Regierungsassessor Friedet 16 und Amtmann Binder 7 Stimmen. Hepp ist sonach gewählt.
Ellwangen, 27. April. Der 52 Jahre alte, am hiesigen Amtsgericht als Gefängnisaufseher angestellte L- R. ist nach Verübung eines SittiichkeiiSverbrechenS flüchtig geworden. R. ist Familienvater, hier wohl bekannt und war bis jetzt eine allgemein geachtete Persönlichkeit. Der Fall erregt hier natürlich großes Aufsehen.
Ellwangen, 28. April. Nach einem heute hier eingelroffenen Telegramm hat sich der wegen eines Sittlichkeitsvergehens flüchtig gewordene AmISgerichtsdiener Rvpp in Schussen- ried erhängt.
Aus dem Ehinger Oberamt, 28. April. Heute nachmittag kurz nach 5 Uhr entlud sich ei» aus Westen herausziehendes Gewitter
über den oberen Teil des Bezirks, das von starkem, mehrere Minuten andauerndem Hagel begleitet war. Die Körner fielen bis zur Taubeneigrötze. An Frühgewächsen, namentlich aber an den Heuer vielversprechenden Obst- bäumen dürfte der Schaden durch Abschlagen von Fruchtknospen nicht unbedeutend sein.
Gerabronn , 28. April. Heute morgen zwischen 7 und 8 Uhr hatten wir ein heftiges Gewitter, verbunden mit wolkcnbruchartigem Regen.
Aus der Pfalz, 28. April. An dem Totenbett einer alten Botenfrau in Hochspeyer standen brennende Wachskerzen. Der Wind warf eine Kerze auf das Bett, das sofort Feuer fina. Beit und Leiche verkohlten.
— Kiaotschauerliches- Eire wenig anheimelnde Schilderung von unserem ostasiatischen Kolonialbesitz und den dortigen Zuständen entwirft ein aus Baden gebürtiger Chinafahrer. Es ist der Seesoldat Marlin aus Aach, dessen Briefe von dem in Engen erscheinenden„AmtSverkündiger" veröffentlicht werden. Das letzte dieser Schreiben aus dem Kiaotschaugcbiet ist vom 5. März datiert. Kiaoischau wird als „Drecknest" bezeichnet, dessen Wege miserabler seien, als bei uns die schlechtesten Feldwege. Auch die Bewohner scheinen dem deutschen Seesoldaten nicht zugefallen ; er versichert wenigstens, daß sie allerlei „Lumpcnzeug" anbelen und „allen Schweinereien, insbesondere der Unzucht" ergeben sind. Der Brief schloßt: „Wir fühlen den Mangel an Belten in den Knochen, denn wir haben nichts als die Hängematte, welche wir vom Schiff mitgenommen haben, sic besteht aus zwei Wolldecken, einer kleinen mannSbreiten und mannslangen Matratze und der Segeltuchmalte. Wir sind alle Abende froh, wenn wir Verbindung mit der Hängematte haben; denn wir haben am 22. März Vorstellung und werden deshalb ordentlich „gebimst". Doch genug jetzt von dem. Ich muß nächste Slunde wieder auf Wache ziehe». Ich will Euch nur noch kurz Mitteilen, daß wir am letzten Sonntag einen bedauernswerten Unglücksfall mit Ansehen mußten. Nämlich ein Gefreiter hatte sich mit mehreren Kollegen betrunken an dem elenden Schnaps, den es hier giebt. In ihrem Dusel, zog einer von ihnen das Seitengewehr und erstach einen alten wehrlosen Chinsen. Der Mann bekommt für diese scheußliche Thai zehn Jahre Zuchthaus und geht mit »>m nächsten Transport nach Köln a. Rh. Die Uebrigen erhalten je ein Jahr Gefängnis wegen Trunkenheit in einer Feindesstadt."
— Ein Prophet verhaftet. In Tönset, einer kleinen Siadt Norwegens, lebt der Schreiner Peierjen, der vor einiger Zeit sein schlecht gehendes Geschäft aufgab, um sich als ,Prophet" zu etablieren. Er fand bald Anhänger und Jünger und wurde das Haupt einer kleinen Sekte, deren Almosen ihm gestatteten, in Muße friedlich und ruhig zu leben. Das ist keine sehr besondere Geschichte, da in Norwegen das Volk mystischen Neigungen sehr zugänglich ist, die Sache bekommt aber ihre andere Seile durch folgenden traurigen Vorfall: Zwei Erzieherinnen, Mitglieder der Sekte, wurden beschuldigt, sich gegen den heiligen Geist versündigt zu haben. Petersen verurteilte sie zum Tode und forderte sie auf, den Hungertod zu sterben, womit die Beiden denn auch einverstanden waren. Der „Pivphel" führte sie in ein Z'mmer und Uetz st« dort allein. Eine von den
Sünderinnen hielt eS jedoch für geraten, daS langsame Sterben zu unterbrechen; sie verließ das Sterbezimmer und ging in das nächste Wirtshaus zum Frühstück. Die andere Dame hielt jedoch volle 6 Tage aus, ttarb an Entkräftung, und die Auffindung ihrer Leiche führte zur V rhafiung des Propheten.
— Der Ortsarme im Gemeindestalle. Ein geradezu grauenhafter Vorfall lenkte in den letzten Tagen die öffentliche Aufmerksamkeit in Kroatien-Slavonien auf die unverantwortliche Art, in der manche Ortsgemeinden für ihre Armen sorgen. In Ledince (Slavonien), welcher Ort abseits vom Verkehr in der FruSka Gora liegt, lebte ein alter Mann, der schon seit Jahren als Bettler von den Almosen der Orlsinsaffen sein Leben fristete. Die Gemeinde hatte ihmeine Schlafstelle im Gemeindestalle angewiesen. Der arme alte Mann mußte seine Wohnung mit dem Gemeindestier und dem Gemeinde- Eber teilen. Am griechisch-orthodoxen Char- jamstag war der Mann, nachdem er der Fasten wegen nur etwas Schnaps getrunken halte, krank auf seinem Stroh liegen geblieben. An diesem Tage hatte man aber vergessen, den Stier und den Eber auf die Weide zu treiben. Der Eber überfiel nun den kranken Mann, zerfleischte ihn und r>ß ihm die Eingeweide aus dem Bauche, an denen er seinen Hunper stillte. Als der angekettete Stier dos Blut sah, fing er derart zu brüllen an, daß der Bürgermeister des OrteS in den Stall kam und den Eber von seinem Opfer verscheuchte. Der alte Mann stöhnte noch, war aber in wenigen Minuten eine Leiche.
Key West, 28. April. Die amerikanischen Schiffe „New-Iork", „Cincinnati" und „Puritan" bombardierten gestern daS Fort Matanzas. Der Kampf begann 12'/« Uhr und dauerte Stunde. Die Spanier erlitten große Verluste, während die Amerikaner keinen Verlust erlitten.
— Der Sprengwagen mit elektrischem Antrieb ist eine neuere Erscheinung in den Straßen der Großstädte Amerikas. Mit dieser Erfindung, die sich nach einer Mitteilung des Patent- und technischen Bureaus von Richard Lüders in Görlitz der Ingenieur William Miller in Newyork patentieren ließ, wird der elektrischen Kraftübertragung ein neues Feld eröffnet und die Kraft der Pferde weiter entbehrlich gemacht. Der erwähnte Sprengwagen ist so konstruiert, daß er sich aus den Schienen der elektrischen Straßenbahn mittels der bei dieser üblichen Slrom- zuführung bewegen kann. Ein kräftiger Sprühregen wird durch et» elektrisch betriebenes Pumpwerk auf Entfernungen bis zu 50 Fuß verbreitet und zwar gleichmäßig nach allen Seiten. Ter Wagen ist mit einem 25pferdigen Motor ausgestaltet und sein Wasserbehälter, der dem neumodischen Fuhrwerk einige Aeh»» lichkeit mit einer Lokomotive giebt, faßt 5000 Liter Wasser. Die Vorzüge der neuen Be» sprengungsmethode sind größere Billigkeit, Einfachheit des Betriebes und beteutente Zeitersparnis.
(Auch eiu Vergleich.) Lehrerin: „Elsa, was kannst Du mir von den Schnecken sagen?" —Schülerin: „Sie stellen im Tierreiche die Sekundärbahn vor!"
(Aufrichtig.) Stammgast: „Fritz, was ist denn aus dem Kater geworden, den Sie hier immer hatten? ' — Kellner (dem Gast tnö Ohr flüsternd); Hasenbratens"